Verkehrte Welt
Fashion Week Berlin


Fotografen sind ja eine ganz eigene Spezies. Ich durfte bekanntlich schon öfter mit solchen Exemplaren Bekanntschaft machen und zwar leider immer dann, wenn sie in der gleichen Mission unterwegs waren wie ich: gestochen scharfe Bilder von den Models auf dem Laufsteg auf der Fashion Week schießen. Und ich kann Euch sagen, eigentlich ist mit dieser Sorte Mensch nicht gut Kirschen essen.
Doch irgend etwas scheint auf der aktuellen Fashion Week anders zu sein. Jedenfalls berichtet Franzi neuerdings von merkwürdigen Dingen, die sich am Rande des Catwalks zutragen. Fotografen bieten ihr freiwillig ihre Getränkekiste an, damit sie höher stehen kann. Fotografen schrauben ihr ungefragt ein Riesenobjektiv auf die Kamera, damit sie näher ranzoomen kann. Fotografen, die für eine große Zeitschrift mit vier Buchstaben arbeiten, bringen es nicht übers Herz, sie von ihrem Platz zu verscheuchen, weil „man das mit einer Dame nicht macht“. Also, mal ganz ehrlich: Hääää?
In meiner einschlägigen Erinnerung sind Fotografen rücksichtlose Kreaturen, die einen zur Not auch fressen oder in den Boden stampfen würden, wenn ihnen das eine bessere Sicht verschafft. Wenn ich da an New York zurückdenke, wo sich an die 500 Fotografen um den besten Schuss prügelten und Höflichkeit nicht nur ein Fremdwort, sondern praktisch inexistent war, kann nur zu dem Schluss kommen, dass das alles hier nur einen Namen haben kann: verkehrte Welt. Schöne verkehrte Welt.
An die neue Berliner Höflichkeit könnte ich mich jedenfalls definitiv gewöhnen - und wer weiß, vielleicht nehmen sich die New Yorker Fotografen ja schon bald ein Beispiel daran...