Wenn wir an weibliche Hormone denken, kommt uns meist zuerst Östrogen in den Sinn. Doch unser Hormonsystem ist weit komplexer: Progesteron, Testosteron, Cortisol, Schilddrüsenhormone und viele weitere Botenstoffe arbeiten in einem fein abgestimmten Zusammenspiel, um unseren Körper zu steuern. Gerät dieses Gleichgewicht durcheinander, kann sich das auf überraschende Weise zeigen. Manchmal sind es nicht die offensichtlichen Symptome wie Zyklusstörungen, Pickel oder Hitzewallungen, sondern viel subtilere Signale, die uns unser Körper sendet. Wir stellen dir sechs weniger bekannte Anzeichen vor, die auf ein hormonelles Ungleichgewicht hindeuten können, und erklären dir, welche Hormone dahinterstecken.
#1 Schwächere Orgasmen
Anzeichen für: Testosteronmangel
Testosteron wird oft ausschließlich als männliches Sexualhormon wahrgenommen, spielt aber auch im weiblichen Körper eine wichtige Rolle, insbesondere für die sexuelle Lust und die Intensität von Orgasmen. Wenn der Testosteronspiegel zu niedrig ist, kann dies die Durchblutung im Genitalbereich beeinträchtigen und die Sensibilität verringern, was zu weniger intensiven oder schwerer zu erreichenden Orgasmen führen kann. Testosteron unterstützt zudem die Produktion von Neurotransmittern, die für die sexuelle Erregung wichtig sind. In den USA wird daher vornehmlich Frauen in den Wechseljahren immer häufiger eine Testosterontherapie bei Libidoverlust verschrieben. Hierzulande ist man damit oft noch zurückhaltender, aber laut der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie erkennen auch in Deutschland immer mehr Ärzt*innen fehlende sexuelle Lust bei Frauen als behandlungswürdiges Symptom an.
Mögliche andere Ursachen: Stress, bestimmte Medikamente wie Antidepressiva, psychische Belastungen, Beziehungsprobleme oder auch ein niedriger Östrogenspiegel können ebenfalls die Orgasmusfähigkeit beeinflussen. Auch eine eingeschränkte Durchblutung durch andere Faktoren oder muskuläre Verspannungen im Beckenbodenbereich können eine Rolle spielen.
#2 Aufwachen um 3–4 Uhr nachts
Anzeichen für: Erhöhtes Cortisol
Cortisol, unser Stresshormon, folgt normalerweise einem natürlichen Tagesrhythmus: Es steigt morgens an, um uns wach zu machen, und sinkt nachts ab, damit wir durchschlafen können. Wenn du regelmäßig zwischen 2 und 4 Uhr nachts aufwachst und nicht wieder einschlafen kannst, kann dies auf einen erhöhten Cortisolspiegel hindeuten. Chronischer Stress, Sorgen oder eine überlastete Nebenniere können dazu führen, dass der Cortisolspiegel auch nachts erhöht bleibt und den Schlaf stört.
Mögliche andere Ursachen: Schlafapnoe, Blutzuckerschwankungen mit nächtlicher Unterzuckerung, Alkoholkonsum am Abend, eine volle Blase, Umgebungsfaktoren wie Lärm oder Licht, oder auch Angststörungen können zu nächtlichem Erwachen führen.
#3 Lange Aufwachzeit am Morgen
Anzeichen für: Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose)
Die Schilddrüse reguliert unseren Stoffwechsel und damit auch unser Energieniveau. Bei einer Unterfunktion produziert die Schilddrüse zu wenig Hormone (T3 und T4), was den gesamten Stoffwechsel verlangsamt. Die Folge: Du fühlst dich morgens extrem erschöpft und antriebslos, selbst nach ausreichend Schlaf. Weitere typische Begleitsymptome können Gewichtszunahme, trockene Haut, Kälteempfindlichkeit und Konzentrationsschwierigkeiten sein.
Mögliche andere Ursachen: Schlafmangel, schlechte Schlafqualität, Eisenmangel, Vitamin-D-Mangel, Depression, chronisches Erschöpfungssyndrom oder auch einfach ein natürlicher Eulentyp als Chronotyp können ebenfalls dazu führen, dass das Aufstehen am Morgen besonders schwerfällt. Auch eine zu geringe Proteinzufuhr am Vortag kann die morgendliche Energie beeinflussen.
#4 Plötzliche Fettansammlung nur am Bauch
Anzeichen für: Erhöhtes Cortisol und/oder Östrogendominanz
Bauchfett, besonders das sogenannte viszerale Fett, das die inneren Organe umgibt, wird stark von Stresshormonen beeinflusst. Chronisch erhöhtes Cortisol fördert die Einlagerung von Fett im Bauchbereich und kann gleichzeitig den Abbau von Muskelmasse begünstigen. Zusätzlich kann ein Ungleichgewicht zwischen Östrogen und Progesteron, eine sogenannte Östrogendominanz, die Fetteinlagerung im Bauch- und Hüftbereich verstärken, da Östrogen die Fettspeicherung in diesen Bereichen beeinflusst. Die ganzheitliche Gynäkologin und Autorin zahlreichen Hormon-Ratgeber Aviva Romm erklärt auf ihrer Homepage einen möglichen Hauptverursacher für zu hohes Östrogen:
„Wahrscheinlich der größte beitragende Faktor für hohe Östrogenspiegel ist die Belastung durch endokrin wirkende Chemikalien (endocrine disrupting chemicals: EDCs). (…) Diese Chemikalien sind dafür bekannt, das Hormonsystem des Körpers zu stören, weil sie die Hormone, die wir natürlicherweise produzieren, nachahmen können. Es gibt sogar eine Gruppe dieser Chemikalien, die ‚Xenoöstrogene‘ genannt wird und speziell Östrogen imitiert.“
Mögliche andere Ursachen: Eine kalorienreiche Ernährung, Bewegungsmangel, genetische Veranlagung, zunehmendes Alter (besonders in den Wechseljahren), Insulinresistenz oder auch ein erhöhter Alkoholkonsum können zur Fettansammlung am Bauch führen. Auch bestimmte Medikamente wie Kortison können diesen Effekt verstärken.
#5 Geschwollenes Gesicht am Morgen
Anzeichen für: Erhöhtes Östrogen
Ein erhöhter Östrogenspiegel kann dazu führen, dass der Körper mehr Wasser einlagert. Diese Wassereinlagerungen zeigen sich besonders morgens im Gesicht, da Flüssigkeit sich während der Nacht im Gewebe sammelt. Auch eine gestörte Lymphdrainage oder eine beeinträchtigte Nierenfunktion können durch hormonelle Einflüsse verstärkt werden.
Mögliche andere Ursachen: Zu viel Salz am Abend, Alkoholkonsum, zu wenig Schlaf, allergische Reaktionen, Nieren- oder Herzprobleme, bestimmte Medikamente oder auch einfach die Schlafposition mit Schlafen auf dem Bauch können zu einem geschwollenen Gesicht am Morgen führen. Auch Dehydrierung kann paradoxerweise zu Wassereinlagerungen führen, da der Körper versucht, Flüssigkeit zu speichern.
#6 Einschlafstörungen vor der Periode
Anzeichen für: Progesteronmangel
Progesteron hat eine beruhigende Wirkung auf das Nervensystem und fördert den Schlaf. In der zweiten Zyklushälfte steigt der Progesteronspiegel normalerweise an. Wenn jedoch zu wenig Progesteron produziert wird, kann dies in den Tagen vor der Menstruation zu Einschlafproblemen oder Durchschlafstörungen führen. Der Mangel an diesem beruhigenden Hormon kann auch mit verstärkter Reizbarkeit, Angstzuständen und anderen prämenstruellen Beschwerden einhergehen.
Mögliche andere Ursachen: Stress, Koffeinkonsum am Nachmittag oder auch eine generell unregelmäßige Schlafroutine können die Schlafqualität vor der Periode beeinträchtigen.
So kannst du deine Hormone checken lassen
Wenn du mehrere dieser Signale bei dir bemerkst, kann es sinnvoll sein, deine Hormone überprüfen zu lassen. Der erste Anlaufpunkt ist deine Frauenärztin bzw. dein Frauenarzt oder deine Hausärztin bzw. dein Hausarzt, die eine umfassende Blutuntersuchung veranlassen können. Dabei werden die wichtigsten Hormone wie Östrogen, Progesteron, Testosteron, Schilddrüsenhormone und Cortisol gemessen.
Mittlerweile gibt es auch Hormon-Selbsttests für zu Hause, bei denen du Blut oder Speichel einsendest und die Ergebnisse online erhältst.
Allerdings solltest du diese Ergebnisse immer mit einer medizinischen Fachperson besprechen, da die Interpretation komplex sein kann und die Werte im Kontext deines gesamten Gesundheitszustands betrachtet werden müssen. Beachte auch, dass Hormonspiegel im Laufe des Zyklus schwanken, weshalb der Zeitpunkt der Messung entscheidend ist. Eine professionelle Beratung hilft dir, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen, sei es durch Lebensstiländerungen, Ernährungsanpassungen oder gegebenenfalls eine medizinische Behandlung.








