Ich bin sauer. Denn warum wird eigentlich selbst 2025 oft noch mit zweierlei Maß gemessen, wenn es um die Anzahl von Sexpartner*innen geht? Und warum werden Frauen, die sexuell offen sind, direkt in eine Schublade gesteckt, bei Männern wird aber anerkennend auf die Schulter geklopft? Ich habe diese Doppelmoral einfach so satt.
Ich möchte diesen sechsten Spicy Talk by desired gerne mit einer kleinen Anekdote aus meinem Datingleben beginnen. Es geht um einen Kerl, mit dem sich mein Weg vor noch gar nicht allzu langer Zeit kurz mal gekreuzt hat. Ich nenne ihn an dieser Stelle einfach James. James ist Steward und wie es der Zufall so wollte, haben wir uns hoch über den Wolken auf einem Flug von Frankfurt nach Danzig kennengelernt. Es funkte sofort. Und ehe ich mich versah, entwickelte sich in den knapp 1 ½ Stunden Flugzeit ein heißes Tänzchen aus sehr deepen Blicken, vielen Keksen umsonst und neugierigen Gesprächen jedes Mal, wenn er wieder schräg hinter mir Platz nehmen durfte. Nach der Landung kassierte er dann noch meine Handynummer und kaum, dass ich später im Hotelzimmer angekommen war, hatte ich auch schon die erste Nachricht von ihm auf meinem Display.
Der Steward – hoch geflogen, tief gefallen
Und was soll ich sagen: Was folgte, waren Wochen voll mit heißen und definitiv nicht jugendfreien (Sprach)Nachrichten. Solche Nachrichten, bei denen du dich in der Bahn kurz mal unschuldig umschauen musst, weil du sicher bist, dass bei deiner knallroten Birne eh JEDER checkt, was du da gerade liest, beziehungsweise anhörst. Kurze Frage an dieser Stelle: Warum hört sich auf Englisch alles so viel hotter an?!! Anyways, das Ganze ging so weit, dass er irgendwann seine Flugmeilen nutzen und zu mir nach Hamburg fliegen wollte.
SO, und jetzt kommt der Plot Twist: Denn kurz vor unserem Treffen erstalkte ich (zum Glück) seinen Instagram-Account und mit ihm ein paar SEHR fragwürdige Aussagen und Weltansichten. Und nun ja, als ich ihn darauf ansprach und unser Treffen cancelte, entpuppte sich aus meinem heißen Flirt plötzlich ein Mann mit ziemlich kleinem Ego. Denn nach einer kleinen Grundsatzdiskussion bestand seine letzte Nachricht an mich nur noch darin, mir in aller Ausführlichkeit zu erklären, dass er sich ja eh keine Frau an seiner Seite vorstellen könne, die so offen über Sex schreibt oder darüber, wie sie sich mit irgendwelchen Toys vergnügt. Denn das könnten ja andere Männer lesen. Und – Gott bewahre – was sollen irgendwann denn bitte die Kinder denken?! Ja, darüber haben wir wirklich diskutiert.
Mal abgesehen davon, dass ich diesen Typen nicht heiraten wollte, ist er für mich ein Paradebeispiel dafür, wie viele (nicht alle!) Männer heutzutage immer noch ticken. Die wollen nämlich, dass es im Bett richtig abgeht, aber sobald eine Frau auch offen mit ihrer Sexualität umgeht, ist das Geschrei groß. Denn das gehört sich doch nicht. Nach außen soll Frau nämlich weiter als heilige Maria durchgehen. Und es kotzt mich ja einfach nur so an!
Warum reden wir eigentlich immer noch über den Body Count?
Das sind dann nämlich auch die Männer, die bei einem „hohen“ Body Count einer Frau anfangen, laut aufzuschreien. Und damit wären wir jetzt bei einem Thema, das für mich ja sowieso schon lange ein rotes Tuch ist. Denn kurz zur Erklärung: Unter einem Body Count versteht man die Anzahl der Sexualpartner*innen einer Person. Und während ein Mann für einen hohen Body Count gerne mal als toller Hecht mit viel Erfahrung gefeiert wird, bekommt eine Frau, die mit vielen Personen geschlafen hat, sofort den Schl*mpenstempel aufgedrückt. Und das ist auch 2025 noch so. Denn auch wenn ich mal ganz optimistisch behaupten würde, dass es heutzutage durchaus mehr offene Männer gibt, die nicht so ticken, kommt einem eben noch viel zu oft das Gegenteil unter ...
Erst neulich habe ich auf Instagram zum Beispiel wieder ein Reel gesehen, in dem ein Kerl gefragt wurde, welchen Body Count er bei einer Partnerin „okay“ finden würde. Seine Antwort: drei, vier! Sonst würde er sie nicht kennenlernen wollen. Denn wenn sie in seinem Alter (20) schon einen höheren Body Count hätte, dann würde ja etwas „nicht richtig laufen“. Ein weiterer Mann erklärte in den Kommentaren nur zustimmend, dass er eben keinen „Wanderpokal“ haben wolle. Wow, Slutshaming vom Feinsten. Denn hier werden Frauen dafür abgewertet, wenn sie sich sexuell ausleben. Eine Sache, die Männern so sicher nicht passiert. Nein, da wird eher noch applaudiert. Welch Doppelmoral …
Eigentlich hätte an der Stelle nur noch gefehlt, dass jemand mit dem Schlüssel-Schloss-Prinzip um die Ecke kommt. Denn wir wissen ja alle, dass ein Schlüssel, der jedes Schloss öffnen kann, ziemlich nice ist, ein Schloss, in das jeder Schlüssel passt, hingegen nichts wert. Uuuuuund Ironie off!
Fühlen sich Männer vom Body Count einer Frau eingeschüchtert?
Ich frage mich wirklich, was da los ist. Sind Männer heutzutage einfach unsicher und kriegen Panik, dass sie dem Performancedruck nicht standhalten könnten? Denn klar, eine Frau, die sich sexuell ausgelebt hat, weiß natürlich, was sie will und gibt sich nicht mehr mit dem Minimum zufrieden. Jep, das geht an die kleinen Ego-Ficker da draußen, die lange Zeit vielleicht noch damit durchgekommen sind, wenn sie sich im Bett nicht wirklich angestrengt haben. Heute würde mir sowas nicht mehr zwischen die Laken kommen. Und das wissen die Männer auch. Denn Frauen mit einem „hohen“ Body Count können vergleichen – und das schüchtert die Boys vielleicht ein.

Da ist es natürlich leichter, Frauen abzuwerten, als sich vielleicht selbst mal mit den eigenen Unsicherheiten auseinanderzusetzen. Dabei sind wir doch alle mal unsicher. Unsicher, ob wir genug sind und mithalten können.
Aber diese Unsicherheit ist kein Freifahrtschein, Frauen wie ein Stück vom Grabbeltisch zu behandeln, die es sich durch ihren hohen Body Count verspielt haben, von Männern als Wifey Material angesehen zu werden. I mean, hallo?! Da schreit dann wirklich nur noch die Panik aus ihnen. Erst kürzlich hat mir auch ein Typ auf Instagram zu meinem Kolumnentext über offene Beziehungen und Polyamorie geschrieben, mit dem netten Hinweis, dass es in 20 Jahren „so viel geistig kranke, emotional zerstörte Frauen“ geben werde wie noch nie.
Und ich denke mir nur so: Anstatt sich Sorgen um unser Seelenwohl zu machen, sollten einige Männer vielleicht endlich mal anfangen, ihre eingestaubten, sexistischen 50er-Jahre-Ansichten zu überdenken und aufhören, den Wert einer Frau an ihren Sexualpartner*innen zu messen. Oder ihrer generellen Offenheit bei dem Thema (Grüße gehen auch nochmal raus an meinen Steward). Das sagt nämlich nichts aus. Egal, ob nun bei Männern oder Frauen. Leben und leben lassen.
Und deswegen können wir den Begriff „Body Count“ auch gerne einfach aus unserem Wortschatz streichen. Das alles ist nämlich völlig irrelevant. Denn solange jede*r mit Konsens und Rücksicht auf die Gefühle des Gegenübers rumvögelt, spielt die Anzahl dabei wirklich keine Rolle. Und alle Männer, die diese Regel zwar für sich anwenden, aber bei Frauen direkt laut „SCHANDE“ rufen, können sich mal schön verpieseln. Wutrede, Ende!


