Ich lese und höre irgendwie ständig davon, dass Leute es problematisch finden, wenn der Partner oder die Partnerin auch innerhalb der Beziehung Pornos schaut. Und mehr noch: Viele empfinden so ein Verhalten offensichtlich sogar als Fremdgehen. Ich kann an dieser Stelle gar nicht laut genug widersprechen und frage mich gleichzeitig, warum Pornos in einer Partnerschaft so ein krass rotes Tuch sind. Um der Sache auf den Grund zu gehen, habe ich mit einer Sexualforscherin gesprochen, die ein ganzes Buch über das Thema geschrieben hat. Also, let’s get spicy!
Pornos gehören für mich zur Selbstbefriedigung dazu!
Jetzt mal Tacheles hier: Wie oft masturbierst du so im Durchschnitt? Also ich würde mal überschlagen, dass ich es mir mindestens einmal die Woche selbst mache – wenn nicht sogar öfter. Und das, obwohl ich einen Freund habe. Jetzt könnte man natürlich argumentieren, dass wir noch nicht zusammenwohnen und ich irgendwo halt meine Höhepunkte herkriegen muss, wenn wir uns mal länger nicht sehen … klar, das spielt da sicher mit rein. ABER: Masturbieren ist für mich eben auch noch so viel mehr. Es ist irgendwie ein Akt der Selbstliebe. Ein Moment nur für mich! Und seien wir mal ehrlich: Es ist auch der perfekte Weg, um nach einem stressigen Tag einfach mal kurz Druck abzulassen und zu entspannen. Jep, diesen herrlichen Hormon-Cocktail nehme ich gerne mit.
Doch genau dafür brauche ich eben manchmal Pornos. Nicht immer, aber es kommt durchaus vor. Denn so gerne ich es auch hätte, dass mich meine bloße Fantasie auf Hochtouren bringt, manchmal reicht das allein nicht aus. Da brauche ich die visuellen Reize direkt vor meiner Nase. Und so geht es safe 99 Prozent der Leute, die solche Sexfilmchen anmachen, auch. Die wollen onanieren und brauchen geilen Stoff, um auf Hochtouren zu kommen. Oder kennst du auch nur eine Person, die Pornos schaut, ohne parallel Hand anzulegen? Nein, dahinter steckt immer auch eine Mission. ;-)
Man kann Pornokonsum also fast wie einen nützlichen Support beim Masturbieren sehen – ähnlich wie Vibratoren auch. Doch da scheinen viele Leute nicht mitzuziehen.
Wie wenig, ist mir neulich erst wieder bei einer Folge „Sommerhaus der Stars“ klargeworden. Dort wurde nämlich in einer Szene ganz beiläufig in die Runde gefragt, wer denn hier was dagegen hätte, wenn der Partner oder die Partnerin Pornos schauen würde. Und eine Lady (ich spar mir jetzt mal den Namen) antwortete darauf nur, dass sie doch lieber selbst einen Porno mit ihrem Boyfriend drehen würde, den er sich dann immer anschauen könnte, als also quasi die Tatsache in Erwägung zu ziehen, dass er sich seinen Stoff woanders holt. Übersetzt heißt das für mich nur so viel: Ich will nicht, dass du anderen nackten Frauen beim Bumsen zuschaust.
Und ich finde diese Aussage irgendwie ziemlich bezeichnend. Denn bei mir kamen bisher nicht mal ansatzweise eifersüchtige Gedanken auf, wenn mir ein Partner von seinem Pornokonsum erzählt hat. Und ich ziehe mir die Dinger ja auch nicht rein, weil ich unzufrieden mit meinem Sexleben bin und nach mehr Wumms suche. Nö, ich will beim Masturbieren einfach schneller in Stimmung kommen. Doch warum schaffen viele Leute es nicht, diese Grenze auch zu ziehen? Oder direkter formuliert:
Warum sind Pornos in vielen Paarbeziehungen immer noch so tabuisiert?
Das habe ich die klinische Sexologin und Paartherapeutin Ursina Donatsch gefragt, die sich in ihrem Buch „Pornos und Partnerschaft – Lust oder Last?“ unter anderem genau damit beschäftigt hat.
Ihre Antwort: „Pornos sind gesellschaftlich nach wie vor mit Schuld- und Schamgefühlen belegt. Menschen konsumieren sie oft heimlich und erleben deshalb ein Spannungsfeld zwischen Lust und Schuld. Dieses Spannungsfeld überträgt sich in die Beziehung. Und weiter zeigen Pornos unrealistische Körper, Szenarien und Sexualpraktiken. Viele Partner*innen fürchten, an diesen Bildern gemessen zu werden, oder ,nicht zu genügen‘. Das erzeugt Unsicherheit und Schweigen statt offener Kommunikation.“
Gerade den letzten Punkt kann ich durchaus nachvollziehen. Frauen vergleichen sich eh ständig und glauben in ihrem Konkurrenzdenken so sicher auch schnell mal, nicht hot, wild und crazy genug zu sein ... obwohl mir dieser Gedanke bei Pornos trotzdem nicht kommt. Klar, in vielen dieser Filmchen geht’s krass ab und sowas wie Cellulite muss man bei den meisten Darstellerinnen vergeblich suchen, aber ich weiß ja trotzdem, was mein Freund und ich im Bett haben. Da würde es mich schon eher „stören“, wenn mein Boyfriend an irgendwelche Frauen aus seinem Umfeld denken würde, während er sich einen runterholt, als irgendeiner x-beliebigen Pornodarstellerin beim Stöhnen zuzuschauen.
Nicht Pornos sind das Problem, sondern das Schweigen darüber!
Doch ich glaube, das eigentliche Problem beim Pornokonsum entsteht durch eine ganz andere Sache, und zwar die fehlende Offenheit darüber! Das sagt auch die Expertin: „Wenn ein*e Partner*in Pornos konsumiert, aber nicht darüber spricht, entsteht oft das Gefühl von Heimlichkeit oder Betrug – obwohl Pornokonsum nicht automatisch Untreue bedeutet. Diese Dynamik verstärkt das Tabu. Aus sexualtherapeutischer Sicht ist Pornografie also nicht per se schädlich, aber das Schweigen darüber ist problematisch.“ Genau DAS! Denn wenn man gar nicht erst versucht, irgendwas zu verheimlichen und offen darüber spricht, gibt es auch nichts, von dem man sich irgendwie „bedroht“ oder ersetzt fühlen müsste.
Und ich bin tatsächlich froh, dass ich bisher meistens an Kerle geraten bin, mit denen da ein offener Austausch stattfinden konnte. Das heißt natürlich trotzdem nicht, dass ich meinem Freund jetzt jedes Mal 'ne Memo schicke, wenn ich mal wieder einen Porno schaue, aber ich verheimliche es auch nicht, wenn er mich nach meinem gestrigen Abendprogramm fragt. Und manchmal entsteht daraus sogar ein witziger … oder ziemlich sexy After-Talk. ;-)

„Wenn Paare lernen, offen und ohne Wertung über ihre Fantasien und ihren Konsum zu sprechen, kann das entlastend und sogar bereichernd sein“, erklärt Ursina Donatsch. Heißt im Detail: Pornos können auch „ein Türöffner sein, um überhaupt über Wünsche, Grenzen und Fantasien ins Gespräch zu kommen“, so die Sexologin. „Paare, die darüber reden, lernen sich oft besser kennen. Pornos können Anregungen geben und neue Ideen ins gemeinsame Sexualleben bringen – ohne dass man alles umsetzen muss.“ Gleichzeitig könne individueller Pornokonsum im Zusammenhang mit Solosexualität aber natürlich auch den Druck rausnehmen, wenn die sexuellen Frequenzen oder Vorlieben innerhalb der Beziehung variieren – und zwar „ohne dass jemand das Gefühl hat, ,zu kurz zu kommen‘“. Das ist also quasi eine Win-win-Situation.
Kommunikation ist das A und O – auch beim Pornokonsum
Und an dieser Stelle sagt Ursina Donatsch auch noch etwas ganz Wichtiges: „Jede*r behält auch in einer Partnerschaft seine/ihre eigene Sexualität.“ Das habe ich oben ja ebenfalls schon angeschnitten: Denn auch wenn ich mich mit meinem Freund sexuell erfüllt fühle, will ich meine Solosexualität ja nicht aufgeben. Und da gehören Pornos für mich nun mal auch dazu. „Für manche ist Pornokonsum Teil ihrer Selbstbefriedigung, Stressabbau oder einfach eine Form von Lust, die nichts mit der gemeinsamen Sexualität zu tun hat“, meint auch die Expertin.
„Jeder Mensch darf und soll – auch in einer sehr innigen Partnerschaft – eine eigene Sexualität haben und sie auch leben (in Form von Solosexualität). Pornokonsum kann ein Teil dieser eigenen Sexualität sein, ohne dass er der Beziehung schadet. Entscheidend ist weniger der Konsum an sich, sondern der Umgang damit: Offenheit, Kommunikation und gegenseitiger Respekt. Wenn beide Partner*innen wissen, dass Pornos kein Ersatz oder Konkurrenz, sondern eine Ergänzung oder ein individueller Ausdruck von Sexualität sind, kann das sogar das Vertrauen stärken.“
Ich finde, dem ist eigentlich nicht mehr viel hinzuzufügen. Also lasst uns alle endlich mal die Pornos aus der roten Tabuzone holen und sie als das sehen, was sie sind: ein nettes Add-on beim Masturbieren, das bei gesundem Konsum und der nötigen Offenheit für keine Beziehung eine Bedrohung darstellen sollte.


