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Ungesunde Muster

Warum halten wir an toxischen Beziehungen fest? Das sagt eine Psychologin

Mann küsst Frau auf den Hals
© Pexels / Seljan Salimova

Toxische Beziehungen fangen oft wunderschön an. Man schwebt auf Wolke 7 und fühlt sich, als hätte man die Liebe seines Lebens getroffen. Und dann fängt es langsam an – dann beginnt die Abwertung, die Kritik, die Manipulation. Trotzdem halten wir oft viel zu lange an toxischen Beziehungen fest. Obwohl wir häufig sogar ganz genau wissen, dass sie uns schaden. Warum das so ist, hat uns eine Psychologin erklärt.

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Katharina Samoylova ist Psychologin und Mentorin für Frauen nach toxischen Beziehungen. Sie hilft Betroffenen mit einer Kombination aus körperorientierten Techniken wie EFT (Emotional Freedom Techniques) und Breathwork dabei, das Erlebte zu verarbeiten, sich selbst wiederzufinden und ungesunde Beziehungsmuster und Glaubenssätze abzulegen. Dass Katharina Samoylova so gut in ihrem Job ist und so vielen Frauen dabei hilft, endlich gesunde Beziehungen auf Augenhöhe zu führen, liegt vor allem daran, dass sie selbst eine Betroffene war.

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Deshalb weiß sie: Toxische Beziehungen können jeden treffen. „Das kommt so schleichend, so langsam, dass du es erstmal gar nicht erkennst. Irgendwann wachst du dann aus deinem Albtraum auf und fragst dich, wann dieser Umbruch passiert ist“, so die Psychologin. Im Interview habe ich mit ihr über toxische Beziehungen gesprochen. Darüber, ab wann uns eine Beziehung schadet und warum wir es oft trotzdem nicht schaffen, sie zu beenden. Und darüber, warum wir häufig immer wieder mit den falschen Personen eine Bindung eingehen.

Ab wann schadet uns eine Beziehung?

„Spätestens, wenn du merkst, dass du dich in dieser Beziehung komplett verloren hast. Dass du ständig deine eigenen Wünsche, Bedürfnisse und Lebensziele hinten anstellst und dein ganzes Leben um deinen Partner und die Beziehung herumbaust“, sagt Katharina Samoylova. Und zwar nicht nur in dem Sinne, dass jeder Schritt und jede Entscheidung abstimmt wird, sondern noch schlimmer: Alles wird so gemacht, wie der Partner oder die Partnerin es wünscht. Laut der Psychologin sind viele Betroffene der Meinung, sie wären dafür da, die Bedürfnisse ihres Gegenübers zu erfüllen, während sie auf ihre eigenen Bedürfnisse verzichten wollen. „Viele haben die Vorstellung, dass sie sich für andere aufopfern und aufgeben müssen. Und dann wird es gefährlich.“

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Eine toxische Beziehung bedeutet übrigens nicht zwangsläufig, dass ein Partner oder eine Partnerin narzisstisch ist. Laut Katharina Samoylova sind die Ursache für toxische Dynamiken manchmal auch einfach verschiedene Persönlichkeiten mit unterschiedlichen Zielen und Werten, die schlichtweg nicht zusammenpassen. Da wäre es natürlich das einfachste, sich das einzugestehen und getrennte Wege zu gehen – wäre da nicht …

Warum halten wir an toxischen Beziehungen fest?

… die emotionale Abhängigkeit. Der Grund, warum wir an toxischen Beziehungen festhalten und alles tun, um sie zu retten, obwohl wir vielleicht sogar wissen, dass sie nicht gut für uns sind. „Eine große Rolle spielt dabei ein geringes Selbstwertgefühl“, erklärt die Psychologin. „Betroffene sind überzeugt, dass sie nichts Besseres verdient haben und niemals jemanden finden werden, der besser zu ihnen passt.“ Hinzu kommt Verlustangst, ausgelöst durch den Glaubenssatz, ohne diesen einen Menschen nicht mehr leben zu können.

Geringes Selbstwertgefühl und Verlustangst – hat das Ganze also auch etwas mit unseren Bindungstypen zu tun? Immerhin sind gerade diese Punkte typisch für den unsicheren Bindungsstil … Tatsächlich ja, wie Katharina Samoylova bestätigt: „Vor allem Menschen mit dem ängstlichen Bindungsstil sind dafür prädestiniert, an toxischen Beziehungen festzuhalten. Weil sie glauben, es gar nicht wert zu sein, gesehen zu werden, geschweige denn, dass ihre Bedürfnisse auch mal erfüllt werden.“

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Das Problem bei ängstlich gebundenen Menschen sei vor allem, dass sie ihr Selbstwertgefühl oft an ihrem Beziehungsstatus messen. „Sie brauchen jemanden, um ihre emotionalen Bedürfnisse zu befriedigen, weil sie in der Kindheit nie gelernt haben, sich selbst zu beruhigen“, erklärt die Psychologin. „Sie brauchen immer jemanden, der für sie da ist. Deshalb heißt es auch emotionale Abhängigkeit: Ich kann meine Emotionen und meine Bedürfnisse nicht alleine stillen, da brauche ich jemand anderen.“

Menschen mit einem sicheren Bindungsstil ist das anders und genau deshalb sind sie weniger anfällig dafür, an ungesunden Beziehungen festzuhalten. Im Gegensatz zum ängstlichen Bindungsstil haben sie nämlich ein normales Selbstwertgefühl und brauchen niemand anderen, um dieses aufrechtzuerhalten. „Natürlich können auch Menschen mit einem sicheren Bindungstyp in eine toxische Beziehung rutschen. Aber sie merken das schnell und ziehen die Reißleine“, sagt Katharina Samoylova.

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Toxische Beziehungen sind wie eine Drogensucht

Ein weiterer Grund, der uns an toxischen Beziehungen festhalten lässt? Die Tatsache, dass sie nicht immer nur schlecht sind. „Es geht die ganze Zeit auf und ab – und das hat sehr, sehr hohes Suchtpotenzial“, sagt die Psychologin und vergleicht die Situation mit Glücksspiel. „Du investierst die ganze Zeit und weiß nicht, wann die Belohnung kommt. Plötzlich gewinnst du 10 Euro, obwohl du vorher 1000 Euro investiert hast.“ Mit der Zeit werden die Phasen der Glückseligkeit immer seltener und kürzer, gleichzeitig aber auch umso intensiver.

„Diese intensiven Versöhnungsmomente spielen bei emotionaler Abhängigkeit eine ganz große Rolle“, erklärt Katharina Samoylova. „Die sind wie eine Dosis für einen Drogensüchtigen. Der versteht auch, dass die Drogen ihm nicht guttun und ihn früher oder später umbringen werden. Und trotzdem tut er alles, um an den nächsten Schuss zu kommen.“ Denn dann folgt der Dopaminschub, die Glücksgefühle. Tatsächlich werden bei toxischen Beziehungen ähnliche Gehirnareale aktiviert wie bei einer Drogensucht. Und je länger man sich dieser Sucht hingibt, je mehr man investiert, desto schwieriger wird es, sich von ihr zu lösen.

„Betroffene verstehen oft, dass sie da raus müssen – aber der Körper will etwas anderes. Es kommt intensive innere Unruhe auf, teilweise sogar Panikattacken, und sie halten es nicht aus und gehen wieder zurück, um sich bei der Versöhnung den nächsten Schub Dopamin zu holen. Und dann drehen sie noch eine Runde oder zwei oder mehr. Deshalb sind toxische Beziehungen auch oft On-off-Beziehungen.“ Am Ende sind es dann meist gravierende Dinge, die zu einer Trennung führen. Eine langjährige Affäre zum Beispiel oder ein Discard – so nennt man es, wenn Narzissten eine Person „leergesaugt“ haben und sie dann – wenn sie nichts mehr geben können – durch eine andere Person ersetzen.

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Wie schafft man es, sich von toxischen Beziehungsmustern zu lösen?

Die gute Nachricht: Es ist möglich, nach einer toxischen Beziehung zu lernen, wie man eine gesunde Beziehung führt. Das sieht Katharina Samoylova nicht nur bei sich selbst, sondern auch bei den Frauen, mit denen sie arbeitet. Es braucht allerdings ein bisschen Arbeit, denn ungesunde Beziehungsmuster entwickeln sich häufig bereits in unserer Kindheit. „Unser Nervensystem sucht unbewusst nicht die Partner aus, die uns guttun, sondern die, die uns vertraut vorkommen“, erklärt die Psychologin. „Wenn zum Beispiel mein Vater immer sehr streng zu mir war, wenn ich immer gute Noten nach Hause bringen musste, fleißig sein und im Haushalt helfen, um Liebe von ihm zu bekommen, dann fühle ich mich bei einem Partner, der genauso fordernd ist und viel von mir verlangt, zu Hause.“

Auch Menschen, in deren Elternhaus viel gestritten wurde, sind häufig so sehr daran gewöhnt, dass sich Streit für sie vertraut anfühlt. Und das macht sich dann auch in ihren späteren Beziehungsmustern bemerkbar: Gesunde Beziehungen empfinden sie oft als langweilig, weil ihnen das Drama fehlt. „Oft wird das mit fehlenden Schmetterlingen im Bauch gedeutet“, so Katharina Samoylova. „Aber die Schmetterlinge im Bauch, die du bei deinem toxischen Ex erlebt hast, war die Angst. Das ist das gleiche Gefühl, wie wenn du vor einem Vortrag aufgeregt bist. Das ist keine Liebe, das ist Angst.“

Die EFT-Methode, mit der die Psychologin arbeitet, setzt genau da an: Sie bringt dem Nervensystem bei, dass Sicherheit nicht Langeweile bedeutet, sondern etwas Gutes ist. „Betroffene müssen sich die Zeit nehmen, ihre ursprünglichen Beziehungsmuster zu verstehen und zu analysieren, um andere Überzeugungen und Sichtweisen auf Beziehungen zu entwickeln“, erklärt Katharina Samoylova. „Es dauert natürlich, bis man sich an diese Sicherheit gewöhnt, aber es ist möglich.“ Und es lohnt sich vor allem. Denn jeder Mensch hat ein Recht darauf, eine respektvolle Beziehung auf Augenhöhe zu führen.

Psychologie: 7 Wahrheiten über Beziehungen, die dir niemand sagt (bis du am Boden bist)

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