Die Tage werden wieder kürzer, das Wetter grauer und die Stimmung sinkt kontinuierlich. Was viele als harmlosen „Herbstblues“ abtun, kann mehr sein als nur saisonale Verstimmung. Wir zeigen dir, worauf du achten solltest und warum es wichtig ist, deine Gefühle ernst zu nehmen. Denn wenn die bunten Blätter fallen und die ersten kalten Nächte kommen, kennen viele das Gefühl: Die Motivation schwindet, man fühlt sich müde und irgendwie niedergeschlagen. „Das ist nur der Herbstblues“, sagen wir uns dann oft und hoffen, dass es von allein wieder vorbeigeht. Aber manchmal steckt mehr dahinter – eine saisonale affektive Störung oder sogar eine beginnende Depression.
Das Problem: Die Übergänge sind fließend und die Symptome können sich leider sehr stark ähneln. Während ein leichter Herbstblues völlig normal ist, sollten anhaltende und intensivere Beschwerden nicht einfach ignoriert werden. Es ist wichtig zu verstehen, wann aus einer harmlosen saisonalen Verstimmung etwas wird, das professionelle Aufmerksamkeit verdient und nicht einfach totgeschwiegen werden sollte.
#1
Dauer und Intensität – Wenn die Stimmung nicht mehr wechselt
Ein normaler Herbstblues kommt und geht, hat gute und schlechte Tage. Doch wenn die niedergedrückte Stimmung länger als zwei Wochen anhält, ohne dass es zwischendurch „gute Tage“ gibt, solltest du aufmerksam werden. Besonders bedenklich wird es, wenn Aktivitäten, die dir normalerweise Freude bereiten, sich plötzlich anstrengend oder völlig sinnlos anfühlen. Du merkst vielleicht, dass du keine Motivation mehr für Hobbys hast, die dir früher wichtig waren, oder dass selbst kleine Vergnügungen wie ein gutes Essen oder ein Film keine positiven Gefühle mehr in dir auslösen.
Um wieder Kontrolle über deine Stimmung zu gewinnen, kann es hilfreich sein, ein Stimmungstagebuch zu führen und täglich deine Gefühlslage auf einer Skala von 1 bis 10 zu notieren. Setze dir kleine, erreichbare Tagesziele, auch wenn es nur das Duschen oder ein kurzer Spaziergang ist. Plane bewusst Aktivitäten ein, die dir früher Spaß gemacht haben, auch wenn die Motivation fehlt. Achte besonders auf deine Grundbedürfnisse wie regelmäßige Mahlzeiten, ausreichend Schlaf und Tageslicht. Und versuche, andere Menschen in deine Bemühungen zu involvieren, sie können dir stärkend zur Seite stehen.
#2
Sozialer Rückzug – Wenn Gesellschaft zur Belastung wird
Wenn du merkst, dass du Kontakte zu Freund*innen und deiner Familie immer häufiger meidest, Verabredungen absagst oder dich zunehmend isolierst, kann das ein Warnsignal sein. Normale saisonale Verstimmung macht uns vielleicht ab und zu etwas zurückhaltender, aber wenn sich soziale Situationen plötzlich sogar überfordernd anfühlen, und das selbst mit Menschen, mit denen du dich normalerweise sehr wohlfühlst, deutet das auf mehr als nur Herbstblues hin. Du könntest zum Beispiel bemerken, dass schon der Gedanke an ein Treffen mit Freund*innen oder einen Familienbesuch Stress auslöst, obwohl du diese Menschen liebst und ihre Gesellschaft normalerweise schätzt.
Der erste Schritt ist oft, deine Situation mit einer vertrauten Person zu teilen, denn häufig hilft schon das Aussprechen. Vereinbare feste, regelmäßige Termine mit Freunden und Freundinnen, auch wenn es nur ein kurzer Anruf ist. Wähle zunächst weniger anstrengende soziale Aktivitäten wie gemeinsam spazieren gehen statt große Feiern. Informiere dein Umfeld über deine Situation, damit sie Verständnis zeigen können und dich nicht unter Druck setzen.
#3
Körperliche Symptome – Wenn der Körper belastet wird
Der Herbstblues zeigt sich nicht nur emotional, sondern kann auch körperliche Spuren hinterlassen. Wenn du trotz ausreichend Schlaf unter extremer Müdigkeit leidest, die auch durch Ruhe nicht verschwindet, solltest du das ernst nehmen. Auch deutliche Veränderungen im Essverhalten können ein Warnhinweis sein. Häufige Kopfschmerzen, anhaltende Konzentrationsprobleme oder ein geschwächtes Immunsystem, das sich durch ständige Erkältungen bemerkbar macht, sind weitere körperliche Anzeichen dafür, dass aus dem harmlosen Herbstblues etwas Ernsteres geworden sein könnte.
Eine gute Grundlage schaffst du, indem du auf regelmäßige Schlafzeiten und eine entspannende Abendroutine achtest. Nutze eine Tageslichtlampe für 30 Minuten am Morgen, um den Lichtmangel auszugleichen, der typisch für die dunkle Jahreszeit ist. Bewege dich täglich mindestens 20 Minuten an der frischen Luft, auch bei schlechtem Wetter. Ergänze deine Ernährung mit Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren nach Rücksprache mit deinem Arzt oder deiner Ärztin.
#4
Negative Gedankenmuster – Wenn die Selbstkritik überhandnimmt
Ein besonders tückisches Zeichen sind negative Gedankenmuster, die sich wie ein dunkler Filter über alles legen. Wenn du verstärkt unter Selbstzweifeln leidest, dich für Dinge schuldig fühlst, für die es keinen konkreten Anlass gibt, oder ein Gefühl von Hoffnungslosigkeit verspürst, geht das über normalen Herbstblues hinaus. Wiederkehrende Gedanken daran, dass alles sinnlos ist, oder die Tendenz, hauptsächlich die negativen Aspekte in jeder Situation zu sehen, sind ernstzunehmende Warnsignale. Diese Art von Denkmustern kann sich schnell selbst verstärken und dich in eine Abwärtsspirale ziehen.
Eine wirksame Strategie ist es, eine Dankbarkeitsliste zu führen und täglich drei Dinge aufzuschreiben, für die du dankbar bist. Hinterfrage negative Gedanken bewusst: Ist das wirklich so? Welche Beweise habe ich dafür? Praktiziere Achtsamkeitsübungen oder Meditation für 10 Minuten täglich, um wieder mehr in den gegenwärtigen Moment zu finden und dich zu erden. Stelle deine innere Kritikerstimme bewusst infrage und formuliere konstruktivere Alternativen zu den negativen Gedanken.
#5
Leistungseinbußen – Wenn Alltag und Beruf leiden
Wenn sich die Herbstverstimmung auf deine Arbeitsleistung oder dein Studium auswirkt, ist das ein klares Zeichen, dass es sich nicht mehr um harmlosen Saisonblues handelt. Du bemerkst vielleicht, dass du vergesslicher wirst, dir selbst einfache Entscheidungen schwerfallen oder du das Gefühl hast, alltägliche Aufgaben nicht mehr bewältigen zu können. Die Routinen, die normalerweise automatisch ablaufen, funktionieren plötzlich nicht mehr, und du brauchst deutlich mehr Energie für Dinge, die dir früher leichtfielen. Diese Einschränkungen im Alltag sind ein wichtiger Hinweis darauf, dass professionelle Unterstützung hilfreich sein könnte.
Um wieder handlungsfähiger zu werden, teile große Aufgaben in kleinere, machbare Schritte auf. Nutze To-do-Listen und Erinnerungen, um dich zu entlasten und nicht alles im Kopf behalten zu müssen. Sprich offen mit Vorgesetzten oder Lehrenden über mögliche Anpassungen oder Unterstützung – die meisten zeigen Verständnis für gesundheitliche Herausforderungen. Gönn dir bewusst Pausen und plane weniger in deinen Tag als sonst, um Überforderung zu vermeiden.
Sei aufmerksam – auch bei Menschen, die dir nahestehen
Der Übergang zwischen einem harmlosen Herbstblues und einer behandlungsbedürftigen Depression ist fließend und das macht es so wichtig, auf die Warnsignale zu hören. Wenn mehrere der beschriebenen Merkmale länger als zwei Wochen anhalten und deinen Alltag beeinträchtigen, solltest du professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Eine saisonale affektive Störung oder Depression ist keine Schwäche, sondern eine Erkrankung, die gut behandelbar ist. Hausärzte und Hausärztinnen, Psycholog*innen oder Therapeut*innen können dir helfen, die richtige Diagnose zu stellen und passende Behandlungsmöglichkeiten zu finden. Von Lichttherapie über Gesprächstherapie bis hin zu medikamentöser Unterstützung gibt es viele Möglichkeiten, die dir helfen können.
Wichtig ist: Du musst nicht allein durch die dunkle Jahreszeit gehen. Nimm deine Gefühle ernst, höre auf deinen Körper und scheue dich nicht davor, Hilfe anzunehmen. Jeder Schritt, den du für deine mentale Gesundheit unternimmst, ist ein wichtiger Schritt in Richtung Wohlbefinden. Und wenn es nicht um dich selbst geht und du all diese oder nur ein paar dieser Symptome bei jemandem bemerkst, den du liebst, solltest du ebenfalls aufmerksam sein.







