Es ist die Frage, die vielen Paaren auf Familienfeiern, bei Klassentreffen oder nach dem dritten Glas Wein gestellt wird: „Wann bekommt ihr endlich Kinder?“ Eine Frage, die so harmlos daherkommt und doch so viele Emotionen auslösen kann. Hier sind sechs ehrliche Antworten, die nicht nur die Frage umgehen, sondern dem Gegenüber deutlich machen, wie unangebracht sie eigentlich ist.
#1
„Wenn mein Boss mein Gehalt verdoppelt.“
Was wie ein Scherz klingt, ist eine bittere Realität: Die wirtschaftliche Situation ist für viele junge Paare ein Grund, Elternschaft aufzuschieben. Während die Generation unserer Eltern oft mit einem Gehalt ein Haus bauen und eine Familie ernähren konnte, jonglieren wir heute mit explodierenden Mieten, befristeten Arbeitsverträgen und unbezahlter Care-Arbeit. Diese Antwort entlarvt das gesellschaftliche Paradoxon: Einerseits sollen wir Kinder bekommen, andererseits schaffen wir keine wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die das ermöglichen.
#2
„Nach der nächsten Klimakonferenz – vielleicht.“
Mit diesem Satz wird die Frage elegant zurück in den größeren Kontext gerückt, in den sie gehört. Ein Kind in eine Welt zu setzen, deren Zukunftsaussichten düster erscheinen, ist ein moralisches Dilemma, das keine flapsige Familienfeier-Frage auflösen kann. Diese Antwort konfrontiert den Fragenden mit der Verantwortung, die mit Elternschaft einhergeht: Nicht nur für das Kind selbst, sondern auch für die Welt, die wir ihm überlassen. Die nächste Klimakonferenz steht dabei symbolisch für all die großen Probleme, die wir als Gesellschaft lösen müssten, bevor wir die individuelle Fortpflanzung glorifizieren.
#3
„Wir sind bereits Eltern – nur nicht so, wie du es meinst.“
Diese Antwort sprengt das enge Verständnis von Familie und Elternschaft, das der Frage zugrunde liegt. Sie verdeutlicht, dass Fürsorge und Verantwortung für die nächste Generation viele Gesichter haben: die Patenschaft für Kinder im globalen Süden, die intensive Beziehung zu Nichten und Neffen, die Rolle als Mentor*in für junge Menschen oder als Pflegeeltern. Die Antwort entlarvt die Eindimensionalität der Vorstellung, dass nur biologische Elternschaft „zählt“, und öffnet den Blick für die vielfältigen Wege, auf denen Menschen Verantwortung für kommende Generationen übernehmen.
#4
„Sobald wir unsere Identitätskrise überwunden haben.“
Mit einem Augenzwinkern verweist diese Antwort auf die existenzielle Dimension der Elternschaftsentscheidung. Sie macht deutlich, dass die Frage nach dem „Wann“ völlig an der tiefgreifenden Veränderung vorbeigeht, die mit der Elternrolle einhergeht. Wer fragen kann „Wann bekommst du endlich Kinder?“, hat entweder nie darüber nachgedacht, welche enormen persönlichen Veränderungen diese Entscheidung mit sich bringt, oder verdrängt diese Dimension bewusst.
#5
„Gar nicht – und das ist in Ordnung.“
Diese direkte Antwort bricht mit dem in der Frage implizierten Grundkonsens, dass Kinder selbstverständlich zum Lebensplan gehören. Sie stellt klar: Es gibt kein „Wann“, sondern ein bewusstes „Nein“. Die Ergänzung „und das ist in Ordnung“ nimmt dem Gegenüber gleich die Möglichkeit, mit Mitleid, Besorgnis oder Unverständnis zu reagieren. Sie behauptet selbstbewusst den Raum für eine Lebensentscheidung, die noch immer gegen gesellschaftliche Erwartungen verstößt, aber deswegen nicht weniger legitim ist.
Hier geht's zum Sachbuch „Die K-Frage: Was es heute bedeutet, (k)ein Kind zu wollen“:
Meine Meinung:
Mit Anfang 30 und nach 14 Jahren Beziehung kenne ich diese Frage nur zu gut. Sie kommt immer mal wieder auf, besonders von Menschen, die meinen, mir sagen zu müssen, was ich im Leben verpasse. Im engen Familien- oder Freundeskreis finde ich Gespräche über dieses Thema völlig in Ordnung – solange sie ohne Wertung stattfinden. Aber am Tisch mit kaum bekannten Menschen? Nein, danke. Ich liebe meine Neffen, ich erfreue mich an den Kindern meiner Freundinnen. Aber mir und vor allem uns als Paar fehlt nichts in unserem Leben. Diese Entscheidung verdient Respekt, keine gutgemeinten Bekehrungsversuche.
#6
„Das geht dich eigentlich nichts an.“
Die vielleicht ehrlichste Antwort auf die Kinderfrage markiert eine klare Grenze. Sie benennt das Problem direkt: Die Frage überschreitet die Grenzen der Privatsphäre und des Respekts. Reproduktive Entscheidungen, mögliche Fruchtbarkeitsprobleme, Beziehungsdynamiken – all das sind zutiefst persönliche Themen, die nicht zum Small Talk taugen. Diese Antwort lädt den Fragenden ein, über seine eigene Grenzüberschreitung nachzudenken und vielleicht zu verstehen, warum manche Fragen – so gut sie auch gemeint sein mögen – besser ungestellt bleiben.
Die Frage nach dem Kinderkriegen ist keine Small-Talk-Frage
Sie berührt existenzielle Themen wie Identität, Partnerschaft, finanzielle Sicherheit und Zukunftsängste. Diese sechs Antworten sind mehr als Ausweichmanöver – sie sind kleine Revolutionen gegen überholte gesellschaftliche Erwartungen. Sie laden dazu ein, über die wirklich wichtigen Fragen nachzudenken: Nicht „Wann bekommt ihr Kinder?“, sondern „Wie schaffen wir eine Gesellschaft, in der alle Lebensentwürfe respektiert werden und jedes Kind willkommen ist, das geboren wird?“