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Kommentar

Gefährlicher Körperkult: Fitspo statt Thinspo

Fitspo statt Thinspo

Gehst Du gerne regelmäßig ins Fitnessstudio und lässt Dich durch Fitspiration, kurz Fitspo, motivieren? Falls Du noch nichts von den zahlreichen Fotos und Sprüchen auf Instagram und Pinterest gehört hast, erklären wir Dir hier den Trend noch einmal ganz genau. Ich werde Fitspiration heute einmal kritisch unter die Lupe nehmen. Motivierende Bildchen von muskelbepackten Frauen: Wo ist da das Problem, wirst Du Dich vielleicht nun fragen? Genau das hatte ich mir zunächst auch gedacht. Betrachtet man aber die Botschaften der Fitspo-Posts etwas genauer, erinnern sie sehr stark an die mittlerweile fast gänzlich auf sozialen Netzwerken verbannten Thinspo-Bilder: Motivation für Magersüchtige.

Es ist sicherlich nichts dagegen einzuwenden, wenn Dir ein paar Bilder von muskulösen Körpern aus Instagram dabei helfen, öfter einmal Sport zu treiben. Fitspiration-Posts füllen soziale Netzwerke aber mittlerweile immer mehr mit Sprüchen, die nicht motivieren, sondern vor allem eins bewirken: Bodyshaming, Schuldgefühle, ein negatives Körperbild und Essstörungen. Du denkst, ich übertreibe? Dann lass mich das anhand einiger Beispiele veranschaulichen.

Fitspo statt Thinspo
Von Muskeln gestählte Körper sind das neue Schönheitsideal der Fitspo-Enthusiasten.

Warum ich zunächst nichts gegen #fitspo hatte

Ich erinnere mich daran, dass Fitspiration-Bilder noch vor einigen Jahren ein neues Phänomen waren. Es fiel damals genau in eine Zeit, in der ich Lust hatte, mal ein paar Muskeln mit Krafttraining und HIT-Übungen zu Hause aufzubauen. Die zahlreichen Bilder von muskulösen Frauen fand ich damals begrüßenswert. Schließlich ist das verbreitete anerkannte Schönheitsideal von Frauen noch immer: möglichst dünn und beim Sport tunlichst vermeiden, durch Krafttraining zu viele Muskeln aufzubauen. Die haben schließlich nur Männer. Fitspo-Bilder, die zeigen, wie attraktiv Frauen mit deutlich sichtbaren Muckis sein können: Gerne mehr davon! Aber Moment – irgendwann bekam ich doch ein ungutes Gefühl, weil die mit #fitspo getaggten Posts mich immer mehr an einen ganz anderen Körperkult erinnerten.

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Regeln, keine Entschuldigungen und ein schlechtes Gewissen

Durch soziale Netzwerke und vor allem aufgrund der vermehrten mobilen Nutzung des Internets sind Memes und Foto-Postings mit kurzen Sprüchen darauf immer beliebter geworden. Fitspiration-Posts in ihrer Reinform, also lediglich das Posten von Fotos während des Sports, mögen ja noch unbedenklich sein. Betrachtet man aber einmal die Aussagen, die über #fitspo-Posts geteilt werden, kommt man doch ganz schön ins Grübeln.

In einem Instagram-Posts heißt es übersetzt: „Wir haben alle die gleichen 24 Stunden. Wenn jemand anderes mehr zu schaffen scheint als Du, liegt es daran, dass er mehr Opfer bringt als Du." Harter Tobak. Im Klartext möchte mir dieser „inspirierende" Post also ein schlechtes Gewissen machen, wenn ich aus irgendeinem Grund keinen oder weniger Sport mache als andere. Außerdem: fit zu sein, heißt also sich aufzuopfern. Mir vergeht da ja ehrlich gesagt eher die Lust auf diesen vermeintlich so gesunden Lifestyle. Was, wenn ich mein Leben lieber genießen will, als Opfer zu bringen?

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Darauf würde dieser Instagram-Post wohl antworten: Dann wirst Du nächsten Sommer neidisch auf andere sein! Denn getreu diesem Motto gibt es im Sommer nur zwei Optionen: fit oder neidisch. Auf wen man neidisch sein soll, wird zwar nicht näher erläutert, aber implizit durch die joggende Dame mit ihren gesellschaftlich anerkannten Körpermaßen angedeutet. Wenn ich mich aber recht erinnere, habe ich mich letzten Sommer weder fit, noch neidisch auf irgendjemanden gefühlt, sondern eigentlich ganz zufrieden.

Diesen Fitspiration-Post finde ich besonders schlimm, denn er spinnt das Neid-Motiv noch weiter: Wenn Du vielleicht diejenige mit dem stählernen Körper bist, kannst Du Dich glücklich schätzen: Endlich bist Du auf der anderen Seite! Schließlich geht es als Frau stets darum, besser als andere Frauen um einen herum auszusehen und neidische Blicke auf sich zu ziehen. Das ist nun wirklich ein furchtbares Frauenbild, das hier propagiert wird. Ich kenne genügend Frauen, deren Leben kein großer Schönheitswettbewerb ist und die ihr Selbstbewusstsein auch durch andere Aspekte des Lebens gewinnen.

Bedenkliche Fitness-Tipps

Man muss kein Fitness-Experte sein, um bei manchen Fitspiration-Posts ein ungutes Gefühl zu kriegen. In den folgenden Postings wird klar: Selbstaufopferung ist immer wichtiger als das persönliche Wohlergehen.

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„Das einzige schlechte Workout ist das, was Du nicht absolviert hast.", heißt es hier. Wenn ich es mir aber so recht überlege, fallen mir doch einige Gegenargumente ein: Was ist mit dem Workout, bei dem man sich nachhaltige Verletzungen zuzieht? Oder das Workout, zu dem man vor lauter Fitnesswahn unbedingt gehen musste und stattdessen einen schönen Abend mit Freunden verpasst hat?

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Dieser #fitspo-Spruch verherrlicht den Muskelkater nach dem Sport als den am meisten befriedigenden Schmerz. Es mag ja sein, dass es durchaus unangenehmere Schmerzen gibt, aber außer im sexuellen Sinne habe ich bisher nie Schmerzen in eine Befriedigungsskala eingeordnet.

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Dieser Spruch fordert dazu auf, erst dann mit dem Training aufzuhören, wenn die eingeplante Zeit fertig ist, nicht etwa, wenn man Schmerzen hat. Gerade bei dem abgebildeten Hanteltraining mit schweren Gewichten ist dies aber ein höchst bedenklicher Rat. Ab und an mal versuchen körperlich an seine Grenzen zu gehen, kann für die Steigerung der eigenen sportlichen Leistung schon mal notwendig sein, das Ausmaß dieser völligen Selbstaufgabe erschreckt aber dann doch. Anstatt auf die Signale seines Körpers zu hören, solle man lieber versuchen, diesen mit seinem Geist zu höheren Leistungen zu zwingen.

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Die Parallelen zwischen Fitspo und Thinspo

Viel älter als Fitspo-Posts sind Thinspiration, oder kurz Thinspo-Bilder. Sie waren quasi der Vorreiter dieses Social Media-Trends und sind mittlerweile auf allen größeren Plattformen verboten. Auf Thinspo-Bildern findet man in der Regel Abbildungen von sehr dünnen Körpern mit deutlich sichtbaren Knochen und „motivierende" Sprüche, die zur Ablehnung von Nahrungsaufnahme auffordern oder Anorexie zum bewussten Lifestyle erheben. Durch die Verbannung von #thinspo aus sozialen Netzwerken ist zwar das eigentliche Problem nicht gänzlich behoben, aber zumindest sind die verharmlosenden und triggernden Bilder nicht mehr so einfach zu finden. Doch nicht ganz: Denn manche Fitspo-Bilder haben schlichtweg die gleichen Aussagen wie die alten Thinspiration-Posts.

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Manche Instagram-Posts mögen zwar auf den ersten Blick auch irgendwie witzig sein, aber bedient eigentlich das gleiche Schema wie die Motivationsbilder von Pro-Ana-Webseiten, die Magersucht und den Verzicht auf kalorienreiche Nahrungsmittel zum obersten Ziel erheben.

Fitspiration: Bodyshaming pur

Ein weiteres Problem, das ich mit Fitspiration-Bildern habe: Die abgebildeten muskulösen Körper werden zur Norm und zum Vorbild erhoben, das angeblich jeder erreichen kann. Das Argument, dass dabei auch genetische Faktoren und andere Lebensumstände eine Rolle spielen, wird mit Posts wie diesen einfach geleugnet. Wenn Du also trotz hartem Training weit davon entfernt bist, wie eine dieser kopflosen Frauen auf den #fitspo-Bildern auszusehen, bist Du schlichtweg zu faul!

Zudem geschieht bei vielen Fitspiration-Posts eine Vermischung von Begriffen. Wer muskulös ist, ist gleichzeitig auch fit und demnach gesund. Dies offenbart ein sehr vereinfachtes Verständnis von Gesundheit, die sich direkt an der Körperform einer Person ablesen lässt. Doch nicht nur das: Nicht nur unmuskulöse dicke Körper werden von Fitspiration-Mottos angegriffen, sondern auch dünne Frauen. Wer sehr dünn ist, und das vielleicht einfach ohne eigenes Zutun, läuft auch schon mal Gefahr, das Opfer von Bodyshaming zu werden. Laut diesem Post sehen diese nämlich lediglich gut in Klamotten aus, während fitte Frauen auch nackt noch gut aussehen. Wieder einmal scheint es darum zu gehen, die Konkurrenz auszustechen und bloß besser auszusehen als andere Frauen. Dass gutes Aussehen aber eine ziemlich subjektive Frage ist, erscheint den Verfassern dieser Zeilen nicht in den Sinn gekommen zu sein.

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Wie denkst Du nun über Fitspiration-Posts nach? Natürlich heißt das nicht, dass alle dieser Bilder ein bedenkliches Körperbild propagieren. Jedoch hinterlassen einige davon doch einen sehr negativen Beigeschmack. Ich frage mich ja, warum Sprüche und Fotos, die als Motivation gedacht sind, oftmals einen so drohenden und frauenverachtenden Ton haben müssen. Geht es nicht eigentlich um das Propagieren eines Lifestyles, bei dem man schlussendlich zufrieden mit seinem Körper ist?

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Bildquelle: iStock/Nikolas_jkd, iStock/slavazyryanov