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Kommentar

Epilepsie – warum die Krankheit mein Leben trotzdem bereichert

Portrait of an annoyed young blonde girl suffering from a headache isolated over gray background

Epilepsie, eine kurzweilige Funktionsstörung des Gehirns, die jedoch immer wieder auftritt – ohne Vorwarnung, immer und überall. Die Formen können leicht, aber auch mit sehr schwerwiegenden Krampfanfällen einhergehen. Das beeinflusst den Alltag, das beeinflusst das ganze Leben, denn eine Heilung gibt es oftmals nicht. Ich leide unter Epilepsie und nur ganz wenige in meinem Umfeld wissen davon. Das sollte eigentlich so bleiben. Jetzt möchte ich aber darüber sprechen, wie die Krankheit mein Leben beeinflusst und warum sie es teilweise auch bereichert. Auch, um anderen Mut zu machen, denen es vielleicht ähnlich geht.

Was ist Epilepsie?

Epilepsie ist allgemeinhin als eine Nervenkrankheit im Gehirn bekannt. In Deutschland leiden zwischen 400.000 bis 800.000 Menschen daran. Die Krankheit zeigt sich bei den Betroffenen vor allem durch leichte oder starke Krampfanfälle und Aussetzer in der Aufnahme der eigenen Umgebung. Ausgelöst wird das Ganze, wenn die Nervenzellen im Gehirn plötzlich und ohne Kontrolle synchron miteinander viele Impulse auf einmal abgeben. Dabei können diese vielen Impulse und die fehlende Kontrolle darüber unterschiedlich starke Anfälle bei den Erkrankten hervorrufen. Diese können in willkürlich, aber auch regelmäßigen Abständen eintreten. So wie bei mir.

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Meine Form der Epilepsie

Die Epilepsie wurde bei mir in der 5. Klasse diagnostiziert. „Laura hat eine leichte Form davon. Sie muss Tabletten nehmen. Dann geht das bald von alleine weg.“ Der Schock war groß, aber eine Behandlung musste sein. Heute bin ich meiner Mutter sehr dankbar, die mich damals zum Arzt geschleppt hat. „Du guckst manchmal so komisch. Irgendwas stimmt da nicht.“ Tatsächlich zeigt sich meine Epilepsie, durch kurzzeitige Aussetzer, die mich teilweise durch die Menschen hindurchschauen lassen oder meinen Blick auf die Umgebung trüben. So, als wäre ich benommen oder betrunken. Ein Gespräch kann ich dabei oft weiterhin wahrnehmen, denn der Anfall beläuft sich auf eine, höchstens zwei Sekunden. Manchmal zucken meine Muskeln unwillkürlich und auch Lichtempfindlichkeit ist ein großer Punkt. Manche Filme kann ich nicht schauen und im Club muss ich bei schnell wechselnden Lichtern die Augen schließen, denn es tut weh im Kopf.

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Die Behandlung meiner Epilepsie

Damals wurden zunächst Reflexe und die Gehirnaktivität untersucht. Ich bekam Tabletten verschrieben, die ich morgens und abends in unterschiedlicher Dosierung einnehmen musste. Die Nebenwirkungen zeigten sich schnell: starke Müdigkeit und ein vermehrtes Gefühl von Stress. Besonders schwierig wurde es, als ich nach Berlin ging. Ich lebe seit knapp acht Jahren hier und während meines Studiums begann ich, die Tabletten allmählich abzusetzen. Denn ich hatte das Gefühl, es würde besser sein. Und das war es! Lange Zeit hatte ich keine Anfälle und auch mein Freund, mit dem ich seit siebeneinhalb Jahren zusammen bin, bemerkte nie etwas und auch andere nicht. Denn: Wer nicht drauf achtet, merkt es wirklich nicht.

Doch mit den Jahren kam die Krankheit doch wieder zurück und das sogar schlimmer. Leichtes bis mittelstarkes Zucken in Armen und Beinen und auch mein starrer und trüber Blick kamen zurück. Trotzdem fiel es kaum jemandem auf, weil die Anfälle eben nur kurzweilig sind. Nach und nach bekam ich Angst. Denn je älter man wird, desto mehr Fragen stellt man sich. „Wenn ich jetzt Tabletten nehme und die Krankheit für immer habe – kann ich dann überhaupt Kinder bekommen?“ Oder „Was, wenn das alles noch schlimmer wird und ich schlimme Krampfanfälle, auch in der Öffentlichkeit, bekomme?“ „Was, wenn das tödlich enden kann?“

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Vor fast zwei Jahren ging ich dann wieder zum Neurologen. Der diagnostizierte auch eine schwache Form der Epilepsie und wieder hieß es: „Tabletten nehmen!“ Ich war nur froh, dass außer einem stärkeren Zucken in meinen Gliedmaßen nicht noch mehr Symptome aufgetreten waren. Heute schäme ich mich für meinen damaligen Leichtsinn, die Tabletten abzusetzen und nicht mehr zum Arzt zu gehen. Gesundheit ist so wichtig – man sollte sie NIE aus den Augen verlieren.

Wie geht es mir jetzt damit?

Nachdem ich im Laufe der letzten anderthalb Jahre die Tabletten auch mal selbstständig erhöht habe, geht es mir deutlich besser. Mein starrer Blick, den ich selbst jedes Mal spüre und wahrnehme, ist fast völlig weg. Das Zucken ist nur noch leicht und mein Arzt sagt, ich könnte mit Anfang 30 vielleicht wieder gesund sein. Aber eben nur vielleicht. Kinder könne ich, nach Aussage meines Arztes, trotz Einnahme der Tabletten, bekommen und auch für das Kind hätte es keine Folgen, solange mein Partner nicht auch Epilepsie hat. Das ist Gott sei Dank auch nicht der Fall. Und trotzdem bewegt es mich unglaublich, Epilepsie zu haben. Manchmal weine ich deswegen, denn ich habe nun mal eine Krankheit, die manchen Menschen durch ihre Anfälle das Leben gekostet hat. Eine Krankheit, die manche Betroffenen kaum ertragen können.

Wie Epilepsie mein Leben dennoch bereichert

So mancher wird das kaum glauben und jene, bei denen die Krankheit viel schwerer ausgeprägt ist, werden mich vielleicht dafür verurteilen, dass ich überhaupt etwas Positives daraus ziehen kann. Und trotzdem: Meine Epilepsie hat mich vieles hinterfragen und schätzen lernen lassen.

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#1 Dankbarkeit

Dieser Punkt geht vor allem an meine Mutter, die die Krankheit damals als erste bemerkt hat. Ohne sie wäre es im Laufe der Zeit vielleicht viel schlimmer geworden. Und das berührt mich sehr. (Du kannst es nicht sehen, aber da kommen mir wirklich die Tränen.) Und dann bin ich den Menschen dankbar, die von meiner Krankheit wissen und auf mich achten, wenn ich es selbst mal nicht tue. Mein Verlobter, der sich mal im Club mit mir nach draußen gesetzt hat, als er merkte, dass es mir wegen der Lichter nicht gut ging. Er wollte direkt mit mir nach Hause. Am Ende sind wir aber einfach auf einen Floor gegangen, wo das Licht deutlich weniger ausgeprägt war.

Ich bin auch dankbar dafür, dass sich niemand über mich lustig macht, wenn ich mal komisch schaue oder etwas zucke. Es gab tatsächlich in der Schule Fälle, da wurde ich dafür ausgelacht. Die anderen wussten zwar nichts davon, also nehme ich es ihnen nicht übel, aber man schämt sich ja doch dafür.

#2 Gesundheit geht vor

Zugegeben: Wer jung ist, der denkt gar nicht so viel darüber nach, was Krankheiten mit einem machen können und, dass sie jeden treffen und auch erst später auftreten können. Krebs, Schlaganfälle, Herzfehler, ja auch Diabetes, Epilepsie oder rheumatische Erkrankungen – das sind nur wenige von vielen gesundheitlichen Schäden, die im Laufe des Lebens oder bereits von Geburt an auftreten können. Sie alle prägen einen, können in einigen Fällen auch tödlich sein, wenn sie nicht rechtzeitig erkannt und behandelt werden. Darum verstehe ich nun besser, wie wichtig es ist, seinen Körper zu schätzen. Lieber einmal mehr zum Arzt gehen, als einmal zu wenig.

3# Familienplanung

Ich wollte immer Kinder, das stand für mich fest. Gerne zwei oder vielleicht sogar drei. Als ich kurzzeitig dachte, ich könnte keine Kinder bekommen, war mir speiübel. Ich konnte gar nicht glauben, dass mir das jetzt passieren sollte. Keine Kinder ... Würde ich dann adoptieren? Welche anderen Möglichkeiten gäbe es dann noch? Dass ich nun, trotz Tabletten und Krankheit schwanger werden kann und das Kind keine (es kann leider natürlich immer etwas passieren) Schäden davontragen wird, bewegt mich unglaublich und macht mich unendlich dankbar. Ich mag nur erahnen, wie es Menschen geht, die womöglich wirklich nie Kinder bekommen können.

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#4 Freizeitaktivitäten

Durch die Corona-Pandemie sind wir ohnehin alle eingeschränkt, was die Freizeitaktivitäten angeht. Ich bin das aber sonst auch, wie die meisten anderen Epilepsie-Kranken. Schnell wechselnde Lichter – in Freizeitparks, Clubs, aber auch bei Filmen im Kino oder Zuhause, beim Fotos schießen mit Blitzlicht, tatsächlich sogar die Blitze bei Gewittern sind für mich manchmal schwer auszuhalten. Schwimmen ist ein großes Problem, falls doch ein Krampfanfall auftreten sollte. Auch Motorsport, Ballsportarten und einige andere Hobbys kann ich, sollte ich jedoch um meiner Gesundheit willen nicht ausführen. Manche Betroffenen dürfen auch niemals Autofahren. Auf Alkohol sollte ich grundsätzlich verzichten und das tue ich seit Jahren auch, trinke höchstens einmal alle 3 bis 4 Monate an einem Abend etwas. Auch wenn ich mich etwas einschränken muss, hat es doch etwas Gutes, denn automatisch achte ich mehr auf meinen Körper und meine Gesundheit.

Laura-Jaen Kästner

Gesundheit geht vor, deine Lebensfreude auch!

Für so manchen mag es dreist, anmaßend und frech klingen, dass ich das überhaupt schreibe, denn Krankheiten zeigen so viele schlimme Seiten, enden sogar tödlich. Ich jedoch sage: Wo Schatten ist, ist oft auch Licht. Eine Krankheit hat nicht nur Einfluss auf unsere Gegenwart und Zukunft, sondern auch auf unsere Einstellung zum Leben. Was will ich noch erreichen? Welche Länder will ich noch bereisen und will ich Kinder? So mancher schließt direkt mit diesen Fragen ab, verliert die Hoffnung und auch sich selbst. Tu das nicht. Eine Krankheit kann so vieles zerstören, doch bitte nicht auch die Lebensfreude, die Liebe zu denen um euch herum und eure Hoffnung auf bessere Zeiten. Ich für meinen Teil, bin zwar nicht glücklich mit meiner Krankheit. Ich weiß aber, dass ich viel Glück hatte, dass sie bei mir nur leicht verläuft. Möglicherweise geht sie weg, vielleicht aber auch nicht. Wer kann das jetzt schon mit Sicherheit sagen? Aber Krankheiten beeinflussen zumindest unsere Psyche nur so stark, wie wir sie lassen. Verliere nicht die Lebensfreude, sondern lerne das zu schätzen, was du hast!

Laura-Jaen Kästner

Bildquelle: imago images/agefotostock