Ein Bier am Späti, der Wochenendtrip nach Hamburg, die aufwendige Hochzeitsfeier der besten Freundin – Freundschaften kosten Geld. Besonders kompliziert wird es, wenn die Einkommensunterschiede groß sind. Während die eine locker 100 Euro für den Brunch hinlegt, muss die andere jede Runde durchrechnen. Das Phänomen hat einen Namen: Friend-flation. Und es sorgt dafür, dass wir zwischen Ausreden, Scham und ehrlichen Gesprächen hin- und hergerissen sind.
Freundschaften bereichern unser Leben – keine Frage. Doch sie haben auch ihren Preis, und das nicht nur emotional. Von spontanen Kaffeepausen über gemeinsame Konzertbesuche bis hin zu Geburtstagsgeschenken: Die schönen Momente mit unseren Liebsten können sich zu einem echten Kostenfaktor entwickeln. In Zeiten von Inflation und steigenden Lebenshaltungskosten verschärft sich das Problem noch.
Besonders belastend wird es, wenn die finanzielle Situation in der Freundesgruppe auseinandergeht. Die eine hat gerade ihre erste gut bezahlte Festanstellung, die andere kämpft sich noch durchs Studium oder die Ausbildung. Der eine lebt schulden- und mietfrei bei den Eltern, die andere zahlt horrende Mieten in der Großstadt – und die Liste ließe sich hier endlos fortsetzen. Diese Unterschiede können schnell zum Elefanten im Raum werden, vor allem, weil über Geld immer noch ungern gesprochen wird.
Die Folge? Wir erfinden fadenscheinige Ausreden, sagen Treffen ab, die wir uns nicht leisten können, und fühlen uns dabei miserabel. Oder wir sagen zu, überziehen unser Konto und ärgern uns hinterher über uns selbst. Beides ist keine Lösung. Doch wie geht man mit dieser heiklen Situation um, ohne die Freundschaft zu gefährden oder sein eigenes Selbstwertgefühl zu beschädigen?
Ehrlichkeit – auch, wenn es unangenehm ist
Der wichtigste Tipp, auch wenn er am schwersten umzusetzen ist: Sprich das Thema offen an, bevor die Situation eskaliert. Viele von uns haben eine tiefsitzende Scham, wenn es ums Geld geht. Wir haben das Gefühl, uns rechtfertigen oder erklären zu müssen, warum wir uns etwas nicht leisten können. Doch wahre Freund*innen werden dich nicht verurteilen – im Gegenteil, sie werden froh sein, endlich zu verstehen, warum du in letzter Zeit öfter absagst.
Statt eine Ausrede zu erfinden („Ich bin leider krank“ oder „Ich muss arbeiten“), versuche es mit Ehrlichkeit: „Hey, ich würde super gerne mitkommen, aber das sprengt gerade ehrlich gesagt mein Budget. Können wir vielleicht was anderes machen?“ Dieser Satz kostet Überwindung, aber er öffnet die Tür für ein ehrliches Gespräch und zeigt, dass du die Freundschaft wertschätzt, nur eben nicht um wortwörtlich jeden Preis.
Du musst dich nicht bis ins Detail erklären oder einen finanziellen Striptease hinlegen. Ein einfaches „Das ist gerade finanziell nicht drin für mich“ SOLLTE völlig ausreichen. Freund*innen, die darauf mit Verständnis reagieren, sind die richtigen. Und wer mit Unverständnis oder gar Vorwürfen kommt? Dann ist vielleicht nicht deine finanzielle Situation das Problem, sondern die Qualität der Freundschaft.
Wenn das Geld knapp ist: Schlage Alternativen vor
Nur weil du bei der teuren Bar-Tour nicht dabei sein kannst, heißt das nicht, dass ihr keine gemeinsame Zeit verbringen könnt. Übernimm die Initiative und schlage Alternativen vor, die für dich bezahlbar sind. Ein Picknick im Park statt dem Restaurant, ein Filmabend zu Hause statt Kino, eine Wanderung statt des teuren Wellness-Wochenends.
Formulierungen wie „Ich kann beim (für mich zu) teurem Brunch nicht dabei sein, aber wie wär's, wenn wir uns stattdessen bei mir zum Frühstück treffen? Ich backe Croissants!“ geben dir finanziellen Spielraum und Selbstbestimmung. Denn mal ehrlich, mit den richtigen Leuten sind es doch ohnehin die einfachen, persönlichen Treffen, die uns am Ende am meisten in Erinnerung bleiben – nicht das fancy Restaurant, in dem wir ein Vermögen gelassen haben.
Setze dir ein Budget und kommuniziere deine Grenzen
Mentale Gesundheit und finanzielle Gesundheit hängen eng zusammen. Wer ständig über seine Verhältnisse lebt, um mit Freund*innen mitzuhalten, zahlt einen hohen Preis – nicht nur finanziell, sondern auch emotional. Der Stress, das überzogene Konto im Hinterkopf zu haben, kann die Freude an gemeinsamen Aktivitäten komplett zunichtemachen.
Setze dir deshalb ein klares monatliches Budget für soziale Aktivitäten und halte dich daran. Kommuniziere ruhig auch, dass du ein Budget hast: „Ich habe mir vorgenommen, pro Monat nur X Euro für Ausgehen auszugeben, und das ist schon aufgebraucht. Beim nächsten Mal bin ich wieder dabei!“
Diese Art der Selbstfürsorge ist kein Zeichen von Geiz oder mangelndem Interesse an der Freundschaft. Es ist ein Zeichen von Reife und Verantwortungsbewusstsein. Du kümmerst dich um deine finanzielle Zukunft und setzt gesunde Grenzen – beides wichtige Aspekte erwachsener zwischenmenschlicher Kommunikation.
Nutzt das „Pay what you can“-Prinzip
Wenn du in einer Gruppe unterwegs bist, in der es unterschiedliche finanzielle Situationen gibt, könnt ihr auch das „Pay what you can“-Prinzip einführen. Das bedeutet: Jede*r zahlt das, was er oder sie sich leisten kann oder möchte – ohne Rechtfertigung, ohne Scham.
Das funktioniert besonders gut bei gemeinsamen Abendessen oder Ausflügen, wo ohnehin geteilt wird. Statt strikt die Rechnung zu splitten, zahlt jede*r einen Betrag, der für sie oder ihn stimmig ist. Die einen legen mehr rein, die anderen weniger, so viel, wie man eben kann. Diese Methode nimmt den Druck raus und schafft eine Atmosphäre der Solidarität statt des Vergleichs.
Natürlich erfordert das ein gewisses Maß an Vertrauen und Offenheit in der Gruppe. Aber gerade das kann Freundschaften stärken: Wenn alle ehrlich mit ihrer Situation umgehen und niemand sich verstellen muss, entsteht eine tiefere Verbindung.
Wenn du mehr Geld hast: Zahle unauffällig und ohne großes Tamtam
Jetzt die andere Perspektive: Was, wenn du diejenige bist, die mehr verdient und sich locker die teuren Aktivitäten leisten kann? Wie gehst du damit um, ohne dass sich deine Freund*innen bevormundet oder beschämt fühlen?
Der Schlüssel liegt in der Unauffälligkeit. Wenn du merkst, dass sich jemand etwas nicht leisten kann, kannst du anbieten zu zahlen – aber am besten ohne große Show. Statt „Ach komm, ich zahl’ das für dich, ist kein Problem“ (was je nach Person/Situation schnell herablassend wirken kann), versuche es subtiler: „Ich habe noch einen Gutschein/eine Freikarte/Punkte bei diesem Restaurant – magst du mitkommen?“, oder einfach: „Heute geht das auf mich, beim nächsten Mal auf dich.“ Wenn du eine Freundin hast, die sich ganz vehement weigert, such’ einen Grund zum Feiern à la: „Wir müssen noch auf dein Date von letztens anstoßen!“
Wichtig ist, dass du nicht das Gefühl vermittelst, die andere Person sei auf deine Großzügigkeit angewiesen oder du würdest sie bemitleiden. Es geht darum, gemeinsame Zeit zu ermöglichen, nicht darum, jemanden zu „retten“ oder deine finanzielle Überlegenheit zu demonstrieren.
Schlage von vornherein bezahlbare Aktivitäten vor
Noch besser als unauffällig zu zahlen ist es, von Anfang an Aktivitäten vorzuschlagen, die für alle bezahlbar sind. Wenn du weißt, dass jemand in der Gruppe gerade knapp bei Kasse ist, ist das hilfsbereite Restaurant mit 40-Euro-Hauptgerichten vielleicht nicht die beste Wahl.
Zeige Empathie und Weitblick, indem du Treffen vorschlägst, bei denen nicht automatisch viel Geld fließen muss: Ein Spaziergang, ein Spieleabend, gemeinsames Kochen, ein Flohmarktbesuch, kostenlose Kulturevents in der Stadt. Das zeigt, dass dir die Anwesenheit deiner Freund*innen wichtiger ist als der Prestige-Faktor einer Location.
Diese Art der Rücksichtnahme ist eine Form von emotionaler Intelligenz: Du erkennst die Bedürfnisse und Grenzen anderer, ohne dass sie explizit ausgesprochen werden müssen, und handelst entsprechend. Das schafft einen sicheren Raum, in dem sich alle wohlfühlen können – unabhängig von ihrem Kontostand.
Sprecht über Geld – alle sollen sich wohlfühlen
Friend-Flation ist real, und sie kann Freundschaften belasten – aber nur, wenn wir sie schweigend ertragen, statt aktiv anzugehen. Geld sollte niemals der Grund sein, warum eine wertvolle Freundschaft zerbricht oder warum du dich ausgeschlossen fühlst.
Für diejenigen, die sich nicht alles leisten können: Hab den Mut zur Ehrlichkeit. Deine wahren Freund*innen werden dich nicht nach deinem Kontostand beurteilen, sondern danach, wer du als Mensch bist. Scham ist ein schlechter Ratgeber – Offenheit ist besser. Setze Grenzen, schlage Alternativen vor und erinnere dich daran, dass Freundschaft nicht davon abhängt, wie viel Geld du ausgibst, sondern davon, wie viel Herz du einbringst.
Für diejenigen, die mehr haben: Nutze deine privilegierte Position mit Fingerspitzengefühl. Es geht nicht darum, zum Zahlmeister der Gruppe zu werden oder andere zu bevormunden, sondern darum, einen inklusiven Raum zu schaffen, in dem sich alle willkommen fühlen – unabhängig von ihrer finanziellen Situation. Deine Empathie und Rücksichtnahme können hier viel bewirken!
Am Ende ist es wie mit so vielen Dingen in zwischenmenschlichen Beziehungen: Kommunikation ist der Schlüssel. Sprecht über Geld, nehmt einander die Scham und findet gemeinsam Lösungen, die für alle funktionieren. Denn das ist es, was Freundschaft ausmacht – nicht die teuren Trips oder die fancy Restaurants, sondern die Tatsache, dass ihr füreinander da seid, egal was kommt. Auch wenn das Konto mal leer ist.


