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„ES REICHT“-KOLUMNE VON SILVI CARLSSON

Du hast die Wahl - bist du der Trostpreis oder Treffer?

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Es ist soweit. Das hier ist der 3. Teil der Kolumne „es reicht“ und wir rücken dem Finale nächste Woche immer näher. Bevor wir zum heutigen Thema kommen, habe ich einen Plottwist für euch im Gepäck: Die Titel der Kolumne sind nicht zufällig gewählt. Sie sind die Textzeilen aus meiner neuen Single „es reicht“, die nächste Woche am 30. April 2021 erscheinen wird. Ich freu mich drauf!

„Du bist nicht so wie die anderen Frauen.“ Oh wow, danke! Da hab ich ja nochmal Glück gehabt.

Als ich 16 war, wollte ich kein Rosa mehr tragen, weil das ja ganz klar eine Tussifarbe ist. Und Tussis aka Mädchen sind einfach anstrengend und zickig. Dazu wollte ich nicht gehören. Passend dazu hatte ich in meiner Laufbahn etliche Freundinnen, die mir erklärten, dass sie mit Mädchen nicht so gern befreundet seien und ich die Ausnahme sei, „weil Jungs sind einfach entspannter und Mädchen so hinterhältig“. Da hatte ich ja nochmal Schwein gehabt, aus dem Raster zu fallen. Denn es fühlt sich so gut an, ein cooles Mädchen zu sein. Eins, das validiert wird durch Jungs oder durch andere Cool Girls. Es ist wie ein Stein der Erleichterung, der dir vom Herzen fällt, denn ohh Baby, it’s a men’s world we are living in.

Frauen sind anstrengend!

Nicht mal in der Forschung werden Frauen ausreichend berücksichtigt. Der weibliche Körper per se ist schon anstrengend auf Grund des monatlichen Zyklus. Deswegen werden Medikamente meistens nur an Männern getestet und Nebenwirkungen für Frauen erst gar nicht erfasst. Dieser instabile Hormonhaushalt aber auch. Wäre ja nicht auszudenken, welcher Aufwand das wäre, auch den weiblichen Körper mitzudenken.

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Es gibt viele Frauen, die nicht so sein wollen wie andere Frauen, weil der Glaubenssatz der „anstrengenden Frau“ so tief sitzt. Dahinter steckt der Wunsch nach Abgrenzung und eben auch verinnerlichte Misogynie. Misogynie bedeutet Frauenhass, allerdings in diesem Sinne eher abstrakt zu verstehen, da er verinnerlicht ist und wir ihn erst mal gar nicht so richtig merken. Wir Frauen sind dramatisch, zu sensibel, mögen Make-up und Shopping und interessieren uns natürlich nur für Männer und Drama. Das sind stereotypische Erwartungshaltungen, die sich durch Erziehung, Medien und schlichtweg unsere Gesellschaft in unsere Köpfe einnisten. Auch an Männer gibt es solche stereotypischen Erwartungshaltungen. Sie sollen gefälligst stark sein, keine Schwäche zeigen und über Gefühle sollte Mann auch nicht reden. Bemerkungen wie „Sei mal kein Mädchen!“ zeigen ebenfalls, wie abwertend die gesellschaftliche Perspektive für Frauen ausfällt. Die Folgen für Männer sind z.B. unter anderem eine erhöhte Suizidrate. Das ist mir so wichtig anzumerken, weil ich verständlich machen will, dass die männliche Brille, durch die wir die Welt betrachten, nicht nur Frauen schadet.

Was ist eigentlich typisch Frau?

Das Pick Me Girl

Um in diese Welt als Frau reinzupassen und nicht anzuecken, gibt es verschiedene Methoden. Eine davon ist das Pick-Me-Girl-Dasein. Es gibt sie überall und vielleicht steckt sie auch in der ein oder anderen von uns. Um sich von negativen Gefühlen gegenüber dem Frau-Sein abzugrenzen, ist die Strategie - sich als ganz anders zu fühlen und darzustellen als die anderen Frauen - sehr hilfreich. Denn damit erfährt man in der Regel männliche Validierung. Pick Me Girls machen z.B. sexistische Witze wie „Frauen gehören in die Küche“ mit Leichtigkeit und lassen sich über andere Frauen aus, die „zu“ viel Make-up tragen. Immerhin imponiert man damit Männern oder wird zumindest nicht belächelt. Die ganzen doofen Frauen, die sich schminken und hübsch machen für die Aufmerksamkeit von Männern! Frauen sind so lästig. Ganz unbewusst ist einem der verinnerlichte Frauenhass dann doch bewusst. Verstärkt wird das z.B. auch durch viele Filme und Serien. Dort ist die Protagonistin oftmals das „Cool Girl“, das nicht zu den anderen Mädchen passt. Am Ende bekommt sie den Traumtypen, eben weil sie nicht so ist wie die anderen. Im Idealfall sagt er ihr das auch noch. Sicherlich haben das „Kompliment“ auch ein paar von euch schon mal gehört. „Du bist nicht so wie die anderen Frauen“ impliziert leider, dass andere Frauen scheiße sind. Und zwar auf Grund ihres Geschlechts. Liebe Männers, macht doch einfach ein schönes Kompliment, ohne die anderen dabei schlecht zu machen. Ganz easy eigentlich.

Aber auch wir Frauen sind da nicht sparsam mit Bemerkungen. „Ich bin nicht so das girly Girl“ wurde schon so häufig in meinem Umfeld gesagt, dass ich aufgehört habe zu zählen. Die Intention ist im ersten Moment keine böse, aber es gibt sie: Die 2 Schubladen. Entweder du bist eben ein typisches Mädchen - eins, das perfekte Haare hat und perfektes Make-up trägt , oberflächlich ist und immer nach Aufmerksamkeit von Männern strebt. Oder du bist einfach anders. Nicht perfekt rasiert, entscheidest dich für den Burger und nicht den Salat, ein bisschen crazy, eben nicht so wie die anderen. Paradoxerweise sind wir das ja eigentlich fast alle.

Aber was steckt dahinter? Ich glaube, wir alle möchten einzigartig sein. Deswegen fällt es auch so leicht, sich damit zu identifizieren. Nur: Wenn wir alle besonders sind, sind wir auch alle besonders gleich. Und da es so viele vermeintlich weibliche Attribute gibt, die negativ konnotiert sind, ist diese Abgrenzung fast schon verständlich. Es ist schlichtweg eine relativ einfache Bewältigungsstrategie.

Eine Entschuldigung an meine Youtube-Kolleginnen

Ich selbst habe solche Pick-Me-Momente zu genüge gehabt. Unangenehm berührt erinnere ich mich an die Zeit zurück, als ich mich ganz provokant von den Make-up-Gurus auf Youtube abgrenzen wollte. „Surprise, ich mache kein Make-up.“ Ich wollte die stereotypische Erwartungshaltung nicht erfüllen. Youtuberinnen präsentieren nur Make-up, Fashion oder reden über Dating. Vielleicht kochen sie noch. Aber ich, ich andere Frau, mache Comedy. Frauen können lustig sein? Verrückt. Dahinter steckte die berechtigte Angst, nicht ernst genommen zu werden und aufs Frau-Sein reduziert zu werden. Beziehungsweise auf die negative Erwartungshaltung der stereotypischen Frau. Anstatt also einfach mein Ding durchzuziehen, hatte ich das Gefühl, ich müsste betonen und beweisen, dass Frauen so viel mehr sind, als Aussehen und Make-up. Das sind sie, keine Frage. Aber eine Leidenschaft für Make-up bedeutet noch lange nicht, dass eine
Person nicht tiefgründig oder ungebildet ist. In Wahrheit habe ich den größten Respekt vor jeder Person, die authentisch ihr Ding durchzieht. Das Pick-Me-Syndrom ist meiner Meinung die einfachste Methode, um mit der gesellschaftlichen Erwartungshaltung klar zu kommen und kompensiert auch ein bisschen die eigene Unsicherheit. Und ehrlich, ich hab Verständnis dafür.

Wenn wir alle besonders sind, sind wir alle besonders gleich.

Sisterhood und Frieden

Diese Sichtweise hat mir auf eine sehr empathische Weise ein wenig Frieden mit uns Frauen geschenkt. Ich kann Make-up mögen und trotzdem auf Gaming und Poesie stehen. Ich kann sensibel und empfindsam sein und trotzdem ein Team leiten. Wir sind alle facettenreich und ein Geschlecht bestimmt nicht unsere Fähigkeiten. Unser Aufwachsen aber den Blick auf die Welt schon. Wenn du die Perspektive wechselst und sich damit deine Sicht aufklärt, prallen dir an jeder Ecke Pick-Me-Moments und Sexismus entgegen. Die waren zwar auch schon vorher da, aber eben unbemerkt. Und irgendwie wissen wir das ja auch fast alle. Aber es ständig zu leben fühlt sich oft einfach widerspenstig und ermüdend an. Deswegen ist Sisterhood auch so unglaublich wichtig. Es ist sehr heilsam, sich gegenseitig zu unterstützen und empathisch zu sehen, anstatt sich durch Ellenbogen selber schützen zu wollen.

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Und damit wir uns nicht falsch verstehen: Sisterhood bedeutet nicht, dass du andere Frauen nicht mehr kritisieren darfst. Aber ich hinterfrage immer einmal mehr, ob es sich bei einer Abneigung nicht doch um verinnerlichte Misogynie handelt. Denn oft bemerken wir es nicht und nicht die Frauen sind auf Grund ihres Geschlechts anstrengend, sondern der Akt, sich selbst die ganze Zeit mit den Haaren aus dem Sumpf zu ziehen, um sich einen Überblick zu verschaffen und die Perspektive zu ändern. Denn wir stecken selber drin in dieser Welt und um sie zu verändern, müssen wir genau diesen Kraftakt immer wieder auf uns nehmen. Zwischendurch aber Pause machen nicht vergessen, ok?

P.S.: Ich liebe rosa.

Hat dir dieser Beitrag gefallen? Dann haben wir gute Nachrichten! Bereits nächsten Sonntag folgt die vierte Kolumne aus der Reihe „Es reicht" von Silvi Carlsson! Falls du die letzte Kolumne verpasst hast, kannst du sie hier noch mal nachlesen:

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Bildquelle: Silvi Carlsson

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