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Kommentar

Glitzerndes Pfefferspray: Warum die harsche Kritik?

safaya pfefferspray

Es gibt kaum eine Frau, die nicht ab und zu Angst hat, nachts alleine nach Hause zu laufen, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen oder beim Joggen belästigt zu werden. Das Düsseldorfer Start-up Safaya, das gerade bei „Die Höhle der Löwen“ einen Deal an Land ziehen konnte, bietet Pfeffersprays in glitzernden Hüllen an und erntet dafür auch nach der Sendung harsche Kritik: Solche Mittel zur Selbstverteidigung in stylische Accessoires zu verwandeln verharmlose Übergriffe an Frauen. Doch was ist eigentlich so schlimm daran, wenn mein Pfefferspray glitzert?

Der Markt für Schutzmaßnahmen wächst stetig: Selbst dm verkauft Pfefferspray und es gibt Safe Shorts, die beim Sport wie ein Keuschheitsgürtel gegen Vergewaltigungen schützen sollen. Weil Pfeffersprays offiziell nur als Tierabwehrmittel verkauft werden dürfen, fand man sie lange Zeit nur in Baumärkten oder zwielichtigen Waffengeschäften. Das hat sich zwar inzwischen geändert, aber sonderlich schick und handlich sind die meisten dennoch nicht. Der Hersteller Safaya möchte das mit seinen Abwehrsprays ändern: Durch ihre geringe Größe und eine spezielle Hülle lassen sie sich ganz einfach am Schlüsselbund oder an der Handtasche befestigen. Das mag sich für viele Frauen nach einer guten Idee anhören, Silvia Follmann, Redaktionsleiterin bei Edition F, findet sie hingegen zynisch: Unter dem Titel „Unsere Angst ist kein verdammter Lifestyle!“ kritisiert sie das Verkaufsmodell von Safaya aus mehreren Gründen.

Ich steh zwar nicht auf Glitzer, aber...

Safaya hat es sich zur Aufgabe gemacht, Pfeffersprays in optisch ansprechende Accessoires zu verwandeln. Auf der Homepage heißt es: „Wir haben neben wichtigen Sicherheitsaspekten darauf geachtet, dass die Hüllen nicht nur funktional sind, sondern nebenbei auch optisch zu Euren Outfits oder Handtaschen passen.“ Außerdem wurden die Abwehrsprays in „Lipstick Size“ designt:

Silvia Follmann stört sich an diesem Makeover und fragt sich: „(...) welche Frau kümmert sich ernsthaft um das Design eines solchen Produkts oder macht sich Gedanken darüber, ob es zu ihrem Stil passt – es geht um Selbstschutz!“ Ich gebe zu, dass ich auch mit Augenrollen auf Produkte reagiere, denen etwas Glitzer oder pinke Farbe verpasst wird, um sie dann an Frauen zu vermarkten. Mich persönlich spricht das nicht wirklich an, da sie nicht meinem Stil entsprechen und ich noch dazu noch nicht mal eine Handtasche besitze, an die ich ein Glitzer-Pfefferspray hängen könnte. Jedoch will ich nicht von mir auf andere Frauen schließen, denn ich habe viele Frauen in meinem Umfeld, die anders als ich, durchaus auf alles stehen, was glitzert.

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Viel interessanter finde ich jedoch die Bemerkung, dass sich Frauen in Sachen Selbstschutz wohl kaum über den Stil Gedanken machen würden. Das sehe ich nämlich wesentlich lockerer. Auf die Gefahr hin, dass ich mich als oberflächliche Tussi oute: Hätte ich die Wahl zwischen einem Pfefferspray im herkömmlichen Stil oder in schwarzer Lack-Optik (wenn nicht sogar mit König-der-Löwen-Aufdruck), würde ich mich für Letzteres entscheiden. Bisher habe ich mir darüber zugegebenermaßen zwar keine Gedanken gemacht, aber bei einem schick aussehenden und handlichen Pfefferspray würde ich wohl eher mal daran denken, es tatsächlich bei mir zu führen.

Fördern diese Lifestyle-Produkte Rape Culture?

Silvia Follmann stört sich allerdings nicht alleine am Aussehen des Pfeffersprays, sondern an der Tatsache, dass Safaya Pfefferspray überhaupt als Lifestyle-Produkt vermarktet. Ihrer Einschätzung nach wachsen Mädchen und Frauen hierzulande in einer Rape Culture auf, also einem gesellschaftlichen Klima, das die Täter sexueller Übergriffe schützt und Frauen die Verantwortung für ihren Selbstschutz überträgt. Anstatt also neue Abwehrsprays zu promoten, sollten wir laut Follmann darüber reden, „dass es nicht Konsens sein darf, dass sich potenzielle Opfer schützen müssen, sondern wir diese Straftaten gegen Frauen endlich verhindern!“ Glitzernde Pfeffersprays würden Gefahrensituationen, denen Frauen alltäglich ausgesetzt sind, bagatellisieren.

Im Vergleich zum Pfefferspray von Dm sind die Modelle von Safaya handlicher und stoßen anstelle eines Sprühnebels einen gezielten Strahl aus. Dafür ist das Pfefferspray von Safaya auch teurer. Inklusive der günstigsten Glitzerhülle zahlst du im Onlineshop 14,99 Euro, während dich das Drogerieprodukt von Dm nur 5,95 Euro kostet:

Diese Argumentation mag zunächst schlüssig klingen, ich verstehe jedoch nicht, warum nicht auch beides möglich sein kann: Schicke Pfeffersprays vermarkten und gleichzeitig sexuelle Übergriffe an Frauen thematisieren. Denn genau das möchte Safaya laut eigener Aussage leisten: „Wir möchten Frauen schützen und ein Ort sein, an dem sich diese austauschen und informieren können.“ In einem Blog veröffentlicht Safaya daher auch Erfahrungsberichte von Frauen, die bereits in Bedrohungssituationen waren. Man kann dies natürlich als reine Marketingstrategie abtun, jedoch kann man Safaya nicht vorwerfen, dass sie Gefahrensituationen bagatellisieren, wenn sie Frauen genau dafür eine Plattform bieten.

Sich damit auseinanderzusetzen, dass man als Frau in unserer Gesellschaft häufig Bedrohungssituationen ausgesetzt ist, ist kein positiv stimmender Gedanke. Es ist durchaus lästig, dass wir uns überhaupt mit Schutzmaßnahmen beschäftigen müssen. Doch kann man das nicht trotzdem so angenehm wie möglich gestalten? Im Umkehrschluss dürfte man doch sonst auch nicht für Selbstverteidigungskurse für Frauen werben, die neben dem nützlichen Aspekt auch Spaß machen können.

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Auch wenn die folgenden Schlag- und Tritttechniken dich auf eine ernste Notsituation vorbereiten sollen, wurde beim Dreh unseres Tutorial-Videos mit unserer Krav Maga-Expertin Anett auf jeden Fall auch gelacht:

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Nina Everwin

Selbstverteidigung darf ruhig gut aussehen

Ich habe einen ganz pragmatischen Blick auf Pfeffersprays, die als Lifestyle-Produkte vermarktet werden: Solche Schutzmaßnahmen helfen in unvorhersehbaren Notsituationen nur dann, wenn ich sie auch immer bei mir trage. Mein olles Pfefferspray aus dem Baumarkt liegt jedoch schon seit Jahren ungenutzt in einer Schublade, weil es viel zu klobig ist, um es immer dabei zu haben. Noch dazu schreckt es mich mit den vielen aufgedruckten Warnhinweisen selbst ab. Hätte ich hingegen ein handliches Abwehrspray, das nicht auf den ersten Blick als solches erkennbar ist, würde ich es bestimmt eher verwenden. Und ist es nicht das, was eigentlich zählt? Wenn ich mal in eine bedrohliche Situation geraten würde, würde ich mich im Nachhinein ärgern, kein Pfefferspray dabei gehabt zu haben.

Es mag zwar pathetisch klingen, aber selbst wenn sich nur eine einzige Frau durch das Mitführen eines Pfeffersprays im Lipstick-Format vor einem sexuellen Übergriff schützen konnte, hat das Geschäftsmodell von Safaya in meinen Augen seine Berechtigung bereits erfüllt. Man kann zwar noch so viel fordern, dass wir mehr über die Täter reden müssen, an der Realität wird dies vorerst so schnell leider aber nichts ändern. Solange dies der Fall ist, werde ich mich mal auf die Suche nach einem gutaussehenden Pfefferspray machen.

Nina Everwin

Bildquelle: iStock/innovatedcaptures