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Im Interview

Tänzerin Luwam Russom: „Als Frau musst du eben siebenmal mehr arbeiten!“

Red Bull Dance Your Style Tour in Berlin, Germany on 23rd September, 2022.

Nicht nur national, sondern auch international hat sich Luwam Russom im Hip Hop einen Namen gemacht. Mit vier Jahren in einer normalen Tanzschule gestartet, beweist die heute 26-Jährige mittlerweile ihr Können bei internationalen Street-Dance-Events wie Red Bull Dance Your Style 2022. Wir haben sie beim Event in Johannisburg getroffen.

Seit 2000 ist die Tanzfläche der Ort, an dem sich Luwam hundertprozentig wie sie selbst fühlt. Und so battelte sie sich bereits im Alter von 13 Jahren bei Contests gegen doppelt so alte Konkurrent*innen. Ihr Erfolgsrezept: zielbewusstes Handeln und Entschlossenheit. Und genau dieses Mindset will Luwam, die heute als Tänzerin, Choreografin, Content Creatorin, Schauspielerin und Model arbeitet, an Mädchen und Frauen weitergeben.

desired: Hip Hop klingt erstmal recht männlich. Ist das überhaupt noch so?

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Luwam: Hip Hop ist definitiv eine Männerdomäne. Auf zehn Jungs kommen vielleicht zwei Mädchen. Aber es werden mittlerweile auch mehr Mädchen und Frauen, weil es mehr Idole gibt und sich Mädchen dann denken: Wow, wenn sie das schafft, kann ich das auch schaffen. Ich persönlich habe es aber nie auf das Geschlecht bezogen, sondern dachte mir immer: Ich tanze gegen dich, ob du jetzt weiblich, männlich oder divers bist.

Luwam Russom, Halbfinalistin bei Red Bull Dance Your Style 2022

Hat man es als Frau im Hip Hop deswegen auch schwerer?

Ja, es ist immer noch schwerer, sich als Frau im Hip Hop durchzusetzen. Für mich tänzerisch nicht mehr so, weil ich mich mittlerweile bewiesen habe, aber im Business schon. Es wurde schon oft versucht, mich runterzudrücken, obwohl ich eigentlich so viel Potenzial habe. Ich scheine für den einen oder anderen echt gefährlich zu sein, das spüre ich. Dann heißt es bei Business-Entscheidungen: „Oh, sie ist ein Mädchen und sie bekommt zu viel Aufmerksamkeit. Also ich glaube nicht, dass sie dazu passt.“ Und das kommt nicht von Geschäftspartner*innen, sondern tatsächlich von anderen Tänzern. Da wird gerne mal gesagt: Nimm mal lieber ihn als sie. Oder wenn ich an einem Set bin, merkt man, dass der Blick immer auf den Männern liegt. Das ist sehr oft passiert, aber irgendwann habe ich es nicht mehr akzeptiert. Ich habe es also öffentlich angesprochen und gesagt: Hey, was mache ich überhaupt hier? Ich habe gelernt, den Mund aufzumachen. Man muss dreister sein. Man muss mehr an sich denken und ich bin eigentlich nicht der Typ dafür. Ich bin mit so viele Tänzer*innen aufgewachsen und bin ein totaler Teamplayer. Aber ich habe einfach gemerkt, die anderen spielen dieses Spiel nicht mit und jeder denkt so krass an sich, deswegen muss auch ich mein Ego nach vorne stellen und das ist das Einzige, was ich auch den Mädels um mich herum erzähle, wenn es ums Business geht.

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Wir haben es selbst bei den Battles gesehen – es sind deutlich mehr Männer weitergekommen als Frauen. Waren die Männer einfach stärker oder hat man es als Frau auch schwerer in der Branche?

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Ich würde es nie auf das Geschlecht schieben. Ich glaube, das sind einfach die Umstände. Wenn ich von mir allein rede, glaube ich, ich habe nie verloren, weil ich ein Mädchen, weil ich eine Frau bin. Viele, vor allem in Deutschland, meckern mehr, als sie trainieren. „Ich komme nicht durch. Es sind ja nur Männer in der Jury.” Dann musst du eben siebenmal mehr arbeiten. Du musst die Leute so überzeugen, dass sie nichts mehr gegen dich sagen können und begeistert sein müssen. Deswegen trainiere ich auch so. Man muss es so klar und deutlich machen. Natürlich haben wir es ein bisschen schwieriger, zum Teil aber auch irgendwie nicht, weil du als Frau auf die Bühne kommst und alle erstmal überrascht sind und wenn du krass bist, dann haust du alle um, weil sie es nicht erwartet haben.

Du inspirierst andere Tänzer*innen, gibst Tanzstunden und kreierst Choreos – siehst du dich selbst als Vorbild? Was möchtest du vor allem jungen Frauen mit auf den Weg geben?

Ich mag es nicht als Vorbild wahrgenommen zu werden, weil es natürlich auch mit Druck verbunden ist. Außerdem fühle ich mich selbst noch viel zu jung. Ich will noch viel zu viel erreichen, ich bin noch lange nicht da, wo ich sein will. Ich glaube, wenn ich älter bin, so langsam die 30 ankratze, dann werde ich das besser akzeptieren und annehmen können. Aber ich bin wirklich die erste Person, die Mädels extrem pusht. Ich habe auch Schüler, das sind nur Mädels. Meine ganzen Videoprojekte mache ich fast nur mit Frauen, um sie einfach zu pushen. So richtig gespürt habe ich diesen Vorbildcharakter aber erst über Instagram. Weil ich wirklich wöchentlich DMs bekomme und mir Mädels aus der ganzen Welt schreiben. Sie schreiben, dass ich der Grund bin, wieso sie überhaupt ihren Weg in der Hip Hop-Szene durchziehen.

Was ich den jungen Tänzer*innen, vor allem den Mädels mit auf den Weg geben möchte ist: Glaubt an euch selbst. Es wird kein anderer an euch glauben. Und: Nicht meckern. Egal wie hart der Weg ist, zieh einfach durch. Man muss das ausblenden, einfach nur arbeiten. Und dann wirst du dein Ziel erreichen. Zu 100 Prozent und es liegt niemals an deinem Geschlecht. Es wird härter, ja. Aber wenn du wirklich arbeitest und wirklich dranbleibst und konstant bist, wird dich nichts mehr aufhalten.

Im Tanz wird Diversität gelebt, ganz egal ob verschiedene kulturelle Backgrounds oder unterschiedliche Stilrichtungen. Was nimmst du persönlich aus dieser Vielfalt mit? Was hast du durch die Arbeit mit Tänzer*innen aus ganz verschiedenen Kulturen lernen können?

Ich werde von Inspiration überschüttet. Die Tänzer beim Red Bull Dance Your Styles Finale haben so viel Bock und auch die südafrikanischen Zuschauer*innen. Was ist das bitte für eine Energie? Diese Freude, dieses Pure, das werde ich mit nach Hause nehmen, weil ich finde, dass das in Deutschland total fehlt. Dass man es halt einfach genießt, total egal wie du aussiehst. Ich habe gestern bei den Mädels Moves gesehen, wo ich dachte, hätte ich das in Deutschland gemacht, die hätten mich dumm angeschaut. Aber den Mädels hier ist es egal, und das nehme ich auf jeden Fall mit.

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Thema Body Positivity – auch hier zeigt sich echte Diversität, denn nicht alle Tänzer*innen haben die gleiche Statur. Bei Instagram hast du es selbst angesprochen: Du hast Skinny Shaming selbst schon erlebt. Wie reagierst du in solchen Momenten?

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Der Grund, weshalb ich überhaupt tanze, ist, weil es mir einen Ort gibt, an dem ich mich zu hundert Prozent ich fühle. An dem ich mich selbst entfalten kann. Ich war als Kind superdünn. Jeden Tag konnte ich mir anhören: Oh mein Gott, du bist so dünn, zeig mal dein Handgelenk. Irgendwann habe ich totale Komplexe bekommen. Aber sobald ich getanzt habe, war das nicht so. Sobald ich getanzt habe, war es völlig egal, ob ich Schwarz oder Weiß bin. Es war egal, wo ich herkomme oder wie ich heiße. Deswegen hat mich die Hip Hop-Szene so stark und selbstbewusst gemacht und deswegen konnte ich so krass an mich glauben.

Man muss die Menschen einfach sensibilisieren. Wenn ich merke, dass jemand Skinny Shaming betreibt, dann mache ich die Person direkt darauf aufmerksam. Manchmal auch ein bisschen bestimmter. Ich sage direkt das Gegenteil zu ihm oder ihr, nach dem Motto: "Naja, du bist ja auch nicht gerade trainiert. Was ist los mit dir?" Und dann kommst meist, dass es doch gar nicht so gemeint war. Aber ich mache dann klar: Du machst genau das gleiche. Bloß umgekehrt. Dabei kommt es oft von Leuten, die von sich selbst nicht überzeugt sind. Das sind meistens die schlimmsten, ihnen ist es gar nicht bewusst. Ich hatte manchmal wirklich ein falsches Bild von mir selber. Ich bin mittlerweile kurviger geworden, aber ich sehe mich immer noch wie früher mit 15, weil das einfach so in meinem Kopf verankert ist. Ich habe einfach einen Stempel bekommen und wenn du Kommentare bekommst, wie: Du bist magersüchtig, dann ist das belastend. Ich musste mir schon vieles anhören, bis ich gecheckt habe, dass der Fehler bei der anderen Person liegt und nicht bei mir.

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Bildquelle: Red Bull

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