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Interview

„Ich bin kein Mann, der sich als Frau fühlt“

transgender

Weiblichkeit ist vielfältig und für jede Frau individuell. Besonders Frauen, die transgeschlechtlich sind, leiden unter der Annahme, dass Weiblichkeit sich durch Merkmale, wie Vagina, Brüste und zwei X-Chromosomen definiert. Das wollen wir am Weltfrauentag deutlich machen und haben mit einer dieser Frauen über ihre Erfahrungen und Wünsche gesprochen.

Felicia gehört zu den Frauen, die sich nicht anhand ihrer ursprünglichen Intimorgane charakterisieren lassen will. Sie sagt über sich, dass sie trans Frau ist. Sie benutzt „trans“ dabei als Adjektiv, wie „groß“ oder „dunkelhaarig“. Den meisten Menschen wird das Wort „trans“ in diesem Zusammenhang noch ein Begriff sein: Es sagt aus, dass ein Mensch sich nicht dem Geschlecht zuordnet, das nach der Geburt aufgrund der Intimorgane festgelegt wird. Schwieriger wird es bei der Bedeutung von „Cis“:  Wenn du mit einer Vagina geboren wurdest und in der Geburtsurkunde weiblich steht und du dich damit identifizieren kannst, bist du „Cis“. Wie sie ihren Alltag erlebt, hat sie uns im Interview verraten:

Als Redhidinghood erzählt Felicia auf Twitter vom Alltag mit transphoben Aussagen.

desired: Felicia, in welchem Alter hast du dich gegenüber deinem sozialem Umfeld geoutet?

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Mit 27, mit 28 und mit 29 Jahren. Denn es gibt nicht das eine Outing, es ist ein Prozess. Du triffst immer wieder auf weitere Personen aus deinem Bekanntenkreis oder lernst neue Menschen kennen, bei denen du dich, sofern du ihnen vertrauen kannst, möglicherweise outest.

Hast du als Kind deine Weiblichkeit als unangenehm empfunden oder darunter gelitten?

Ich hatte gelegentlich ein diffuses Gefühl. Da ich damals nicht die Begriffe zur Verfügung hatte wie heute, sagte ich nur einmal zu meiner Mutter, dass ich glaube „vom Kopf her“ eine Frau zu sein. Anders konnte ich das nicht ausdrücken. Ich litt nicht unter meiner Weiblichkeit. Es gab aber keine Anlaufstelle oder gar eine Aufklärung über Transgeschlechtlichkeit in der Schule. Jetzt würde ich mir eine frühzeitige Aufklärung über geschlechtliche Vielfalt wünschen. Diese muss in einem Lehrplan vorkommen.

Was ist Alltags-Transfeindlichkeit speziell für dich, worüber ein Cis (nicht transgeschlechtlicher Mensch) vielleicht nicht nachdenkt?

Witzig, dass du hier, bewusst oder unbewusst, meine konfrontative Bezeichnung „ein Cis” übernimmst. Das finde ich gut, denn ein Transsexueller oder ein Transgender sind für uns keine unkritisch zu akzeptierende Bezeichnungen. Ich persönlich erlebe in meinem Alltag selten offene Transfeindlichkeit. Das liegt allerdings immer am Umfeld und auch an der Tatsache, dass mein Auftreten stabil als die Frau, die ich bin, wahrgenommen wird.

Wie reagieren die Menschen, wenn sie erfahren, dass du trans bist?

Was häufiger passiert, ist, dass Personen, die wissen, dass ich trans bin, mitunter in einem Gespräch übers Wetter nahtlos zum Zustand meiner Intimorgane übergehen. Als wäre es das Normalste der Welt. Es wird oftmals erwartet, mich selbst als „Mann, der sich als Frau fühlt“ zu bezeichnen. Das entspricht nur überhaupt nicht der Wahrheit und ich spreche dann eben vom trans sein oder der falschen, geschlechtlichen Zuweisung bei der Geburt.

Was ist das Schlimmste, was dir in Form von Transfeindlichkeit gesagt wurde?

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„Du geisteskranke Transennutte solltest dich aufhängen.“ Das war schlimm. Viel schlimmer sind aber die ruhigen und sachlichen Versuche mir mein trans- und mein Frausein abzusprechen. Hier nehmen die Leute sich Zeit und stecken viel Arbeit in die Argumentation, weshalb trans Menschen keinerlei Respekt und Anerkennung erfahren sollten.

Du bist aktiv auf Twitter, wetterst auch gegen den Cis-Sexismus, der Transfeindlichkeit, in der feministischen Bewegung. Dort hast du auch einen sehr provokanten Weg der Auseinandersetzung gewählt. Warum?

Ich bin eine Frau. Ich bin nicht hier, um nett um etwaige Unterstützung zu bitten und darauf zu hoffen, dass sich vielleicht irgendwer bequemt mir zuzuhören und mich vielleicht zu erdulden. Ich muss mir diese Aufmerksamkeit verschaffen. Ich habe keine andere Wahl. Die Provokation löst unweigerlich eine Reaktion aus. Vielleicht wird den Leuten dann ja klar, dass trans Menschen ständig mit eben solchen Aussagen konfrontiert werden.

Glaubst du, dass der deutsche Staat dich als Frau vollwertig anerkennt?

Nein, das tut er nicht. In meiner Geburtsurkunde wird, bei gleichbleibender Gesetzgebung immer männlich eingetragen bleiben. Mein tatsächliches Geschlecht wird dem beigeschrieben. Und ich setze hier schon den monatelangen, manchmal sogar noch längeren, Weg der Personenstandsänderung voraus. Das bezeichnet die rechtliche Möglichkeit, das eigene Geschlecht anerkennen zu lassen. Dafür müssen zwei Gutachterinnen oder Gutachter bezeugen, dass du wirklich trans bist. In meinem Fall dauerte der Prozess acht Monate und kostete mich etwa 1150 Euro.

Was muss sich an der feministischen Bewegung ändern?

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Es passieren schon viel. Viele cisgeschlechtliche Feministen und Feministinnen werden grundsätzlich inklusiver. Sie erkennen an, dass Feminismus mehr als „die Frauenfrage“ ist, sondern, dass es um eine grundsätzliche Hinterfragung der Kategorie Geschlecht gehen muss. Allerdings gehe ich eher davon aus, dass sich einfach mehr trans Personen trauen, beispielsweise bei Twitter offen aufzutreten. Wir brauchen die Unterstützung und das wirkliche Verständnis von cisgeschlechtliche Feministinnen, sonst können wir nichts verändern.

Was müsste sich in unserer Gesellschaft ändern, damit sich trans Menschen wohler fühlen?

Wir wollen nicht mehr als Fehler oder als Abweichung begriffen werden. Wir brauchen Repräsentation durch tatsächliche trans Personen, die Kritik an grundlegenden Verhältnissen üben. Repräsentation ist wichtig. Mir fällt dies besonders in der Uni auf, weil wir momentan noch immer als zu erforschendes Objekt betrachtet werden und nicht als Wissenschaftlerinnen oder Sachverständige.

Was möchtest du der Gesellschaft vermitteln?

Ich möchte, dass die Menschen sich klarmachen, welche Biologismen sie verinnerlicht haben. Welche Bedingungen sie an trans Personen stellen, was sie wie, wann und warum mit ihren Körpern zu tun haben, damit sie durch euch vermeintlichen Respekt erfahren. Wir wollen euch nichts wegnehmen, wir möchten trotz unseres trans Sein akzeptiert werden. Wir sind vieles, aber wir sind nicht eigentlich Mann oder Frau.

Und zum Schluss möchte ich meinen trans Geschwistern sagen: Ihr seid real, ihr seid echt, ihr seid wirklich wundervoll, auch wenn ihr nicht die Möglichkeit habt, euch sicher zu outen oder vielleicht noch gar nicht so genau sagen könnt, wer ihr eigentlich wirklich seid. Es braucht Zeit, zu sich selbst zu finden.

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Vielen Dank für deine Offenheit.

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Helena Serbent

Mehr Unterstützung für trans Frauen

Bei der Vorbereitung auf das Interview habe ich mich selbst mit Transrechten in Deutschland und weltweit beschäftigt. Immer wieder ist mir aufgefallen, wie viele Privilegien ich als Cis-Person doch genieße. Während ich meine Fragen formuliert habe, war ich andauert damit beschäftigt, mich selbst zu korrigieren. Schließlich würde ich nicht mal engste Freundinnen fragen, wie es gerade um ihre Intimorgane steht. Am wichtigsten ist, dass wir lernen, allen Menschen ihr Anrecht auf sensiblen Umgang und Deutungshoheit über ihren Körper zu lassen. Ich hoffe, dass dies auch eines Tages in den Gesetzen des deutschen Staates festgehalten wird.

Helena Serbent

Bildquelle: iStock/Getty Images Plus/dashk, privat, Giphy