Die Beziehung zu unseren Eltern hinterlässt Spuren – oft ein Leben lang. Während manche in einem emotional sicheren und unterstützenden Umfeld groß werden, wachsen andere mit Elternteilen auf, die psychisch instabil sind. Diese Instabilität kann viele Gesichter haben und unterschiedliche Ursachen – etwa unbehandelte Traumata, Persönlichkeitsstörungen oder Suchterkrankungen. Was dabei besonders wichtig ist: Du warst als Kind nicht verantwortlich für das Verhalten deiner Eltern. Es war niemals deine Aufgabe, sie zu „heilen“ oder zu retten.
Diese Anzeichen können dir helfen, zu verstehen, was in deiner Kindheit passiert ist:
#1
Extreme Stimmungsschwankungen bestimmten den Familienalltag
Ein typisches Zeichen psychischer Instabilität sind unvorhersagbare, extreme Stimmungswechsel. Vielleicht warst du als Kind nie sicher, welche Version deiner Eltern dich zu Hause erwarten würde. An einem Tag liebevoll und aufmerksam, am nächsten wütend oder völlig zurückgezogen, ohne dass du verstehen konntest, was den Wandel ausgelöst hatte. Diese Unberechenbarkeit führt oft dazu, dass Kinder ständig wie „auf Eierschalen laufen“ und versuchen, die Stimmung der Eltern zu erahnen und zu beeinflussen.
#2
Du musstest schon früh Verantwortung für Erwachsenenprobleme übernehmen
Psychisch instabile Eltern neigen dazu, ihre Kinder in unangemessene Rollen zu drängen. Vielleicht musstest du schon als Kind emotionaler Beistand für deine Mutter oder deinen Vater sein und ihre bzw. seine Probleme anhören oder sogar Geheimnisse für sie und ihn bewahren. Oder du warst plötzlich für jüngere Geschwister verantwortlich, weil ein Elternteil nicht funktionsfähig war. Diese „Parentifizierung“ raubt Kindern ihre Unschuld und belastet sie mit Aufgaben, die nicht altersentsprechend sind.
#3
Deine Gefühle wurden nicht ernst genommen oder sogar gegen dich verwendet
Gesunde Eltern validieren die Emotionen ihrer Kinder und helfen ihnen dabei, diese zu verstehen und zu bewältigen. Psychisch instabile Eltern reagieren jedoch oft gegenteilig: Sie ignorieren die Gefühle ihrer Kinder, machen sie lächerlich oder – noch schädlicher – nutzen sie als Waffe. Vielleicht hast du erlebt, dass deine Ängste oder Sorgen gegen dich verwendet wurden, oder dass deine Freude als „unangemessen“ abgetan wurde. Solche Erfahrungen lehren Kinder, dass ihre Emotionen falsch oder gefährlich sind.
#4
Gewalt oder emotionale Manipulation gehörten zum Alltag
Physische Gewalt ist ein offensichtliches Zeichen, aber emotionale Manipulation kann genauso schädlich sein. Dazu gehören Drohungen, Schuldzuweisungen, Erpressung oder das bewusste Ignorieren als Bestrafung. Auch übermäßige Kontrolle, Isolation von Freund*innen oder ständige Kritik fallen in diese Kategorie. Diese Verhaltensweisen prägen das Verständnis von Beziehungen nachhaltig.
#5
Suchtverhalten überschattete das Familienleben
Ob Alkohol, Drogen, Glücksspiel oder andere Süchte: Wenn ein Elternteil abhängig ist, dreht sich das gesamte Familienleben um diese Sucht. Kinder lernen früh, Geheimnisse zu bewahren, Ausreden zu erfinden und die Bedürfnisse des suchtkranken Elternteils über ihre eigenen zu stellen. Sie entwickeln oft ein übermäßiges Verantwortungsgefühl und die Überzeugung, dass sie die Sucht kontrollieren oder heilen können – eine unmögliche und schädliche Bürde für ein Kind.
#6
Isolation von der Außenwelt war die Norm
Psychisch instabile Eltern neigen dazu, ihre Familien zu isolieren. Vielleicht durftest du selten Freund*innen einladen, weil deine Eltern Angst hatten, dass andere die „Wahrheit“ über euer Familienleben erfahren könnten. Oder Besuche bei Verwandten wurden vermieden, Lehrkräfte kritisch beäugt und außerfamiliäre Beziehungen als Bedrohung wahrgenommen. Diese Isolation verhindert, dass Kinder normale Familienstrukturen kennenlernen und Hilfe von außen bekommen können.
#7
Deine Bedürfnisse kamen immer an letzter Stelle
In Familien mit psychisch instabilen Eltern drehen sich die Prioritäten um die Erwachsenen, nicht um die Kinder. Vielleicht musstest du auf Schulaktivitäten verzichten, weil deine Mutter einen „schlechten Tag“ hatte, oder deine Geschwister trösten, während dein Vater in einer depressiven Episode war. Grundlegende Bedürfnisse wie regelmäßige Mahlzeiten, saubere Kleidung oder Hilfe bei den Hausaufgaben kamen zu kurz, weil die Energie der Eltern für ihre eigenen Probleme benötigt wurde.
Dein Weg zur Heilung
Diese Anzeichen zu erkennen, ist der erste Schritt zur Heilung. Es ist wichtig zu verstehen: Du warst nicht schuld an der psychischen Instabilität deiner Eltern und es war nicht deine Aufgabe, sie zu „reparieren“. Als Kind hast du das Beste aus einer schwierigen Situation gemacht und Überlebensstrategien entwickelt, die damals notwendig waren.
Heute, als Erwachsene*r, kannst du lernen, diese Muster zu durchbrechen. Viele Menschen, die in instabilen Familienverhältnissen aufgewachsen sind, profitieren von therapeutischer Unterstützung. Ein Therapeut oder eine Therapeutin kann dir helfen, deine Kindheitserfahrungen zu verarbeiten, gesunde Beziehungsmuster zu entwickeln und dein Selbstwertgefühl zu stärken.
Denk daran: Du verdienst es, gehört, respektiert und geliebt zu werden – bedingungslos und ohne dafür etwas leisten zu müssen. Die Erfahrungen deiner Kindheit definieren nicht, wer du heute bist, aber sie zu verstehen kann dir helfen, bewusste Entscheidungen für dein weiteres Leben zu treffen.