Nett zu sein ist an sich eine wunderbare Eigenschaft. Doch wenn du dabei ständig deine eigenen Bedürfnisse hinten anstellst und immer lieb zu allem „Ja“ sagst, kann das schnell problematisch werden. Hast du die Grenze zur übertriebenen Nettigkeit sogar bereits überschritten?
Hilfsbereitschaft, Empathie und Freundlichkeit sind zweifellos positive Charakterzüge, die zwischenmenschliche Beziehungen bereichern. Doch wie bei vielen Dingen im Leben kann auch hier zu viel des Guten schädlich werden. Menschen, die zu nett sind, vergessen oft sich selbst dabei und stellen die Wünsche und Bedürfnisse anderer konstant über ihre eigenen.
Das Problem: Übertriebene Nettigkeit führt oft dazu, dass du ausgenutzt wirst, dich selbst verlierst und langfristig unglücklich wirst. Dabei merkst du vielleicht gar nicht, wie sehr du bereits in diese Falle getappt bist. Die gute Nachricht ist: Es ist nie zu spät, gesunde Grenzen zu ziehen und trotzdem ein liebenswerter Mensch zu bleiben. Anzeichen, ob du vielleicht einen „Nettigkeits-Gang“ runterschrauben solltest, erkennst du an diesen Merkmalen:
#1
Dieses magische Wort sagst du praktisch nie
Das wohl deutlichste Warnsignal für übertriebene Nettigkeit: Du kannst einfach nicht „Nein“ sagen. Egal, ob Kolleginnen dich bitten, ihre Aufgaben zu übernehmen, Freundinnen spontan Hilfe beim Umzug brauchen oder jemand deine Zeit für etwas beansprucht, worauf du gar keine Lust hast, du stimmst trotzdem zu.
Dahinter steckt oft die Angst, andere zu enttäuschen oder als egoistisch wahrgenommen zu werden. Du denkst vielleicht: „Wenn ich Nein sage, mögen sie mich nicht mehr.“ Doch das Gegenteil ist der Fall: Menschen respektieren dich mehr, wenn du ehrlich bist und deine Grenzen kommunizierst. Wer ständig „Ja“ sagt, wird oft als selbstverständlich hingenommen.
Ein gesundes „Nein“ zeigt, dass du deine Zeit und Energie wertschätzt. Es bedeutet nicht, dass du unfreundlich oder egoistisch bist, sondern dass du ein gesundes Selbstwertgefühl hast.
#2
Du entschuldigst dich für Dinge, die keine Entschuldigung brauchen
„Entschuldigung, dass ich störe“, „Sorry, dass ich nachfrage“, „Tut mir leid, aber könntest du vielleicht ...“ - kommen dir diese Phrasen bekannt vor? Menschen, die zu nett sind, entschuldigen sich ständig für Dinge, die völlig normal sind.
Du entschuldigst dich dafür, dass du existierst, Platz einnimmst oder berechtigte Wünsche äußerst. Das signalisiert unbewusst, dass du dich selbst als weniger wichtig einstufst als andere. Deine Mitmenschen nehmen das wahr und behandeln dich entsprechend.
Besonders problematisch wird es, wenn du dich sogar für die Fehler anderer entschuldigst oder die Schuld für Situationen übernimmst, für die du gar nicht verantwortlich bist. Das ist ein klares Zeichen dafür, dass du deine Grenzen nicht kennst oder nicht respektierst.
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On point erklärt die Autorin und Influcencerin Tara Louise Witter in ihrem Buch „Sorry, aber …“ warum vor allem Frauen sich immer und ständig für alles entschuldigen. Ein echter Eye-Opener, der zum Nachdenken anregt, schmerzhaft und lehrreich zugleich ist und danach das Wörtchen aus deinem Wortschatz quasi auslöscht. Große Empfehlung!
#3
Du saugst die Wünsche anderer wie ein Schwamm auf
Du bist müde, aber hilfst trotzdem beim Umzug. Du hast keine Zeit, übernimmst aber trotzdem die Extraarbeit. Du magst kein Sushi, gehst aber trotzdem ins japanische Restaurant, weil alle anderen Lust darauf haben. Erkennst du dich wieder?
Menschen, die zu nett sind, haben oft verlernt, ihre eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen oder als wichtig zu erachten. Sie funktionieren wie ein emotionaler Schwamm, der die Wünsche anderer aufsaugt, während die eigenen Bedürfnisse verkümmern.
Das führt langfristig zu Frustration, Erschöpfung und dem Gefühl, nicht authentisch zu leben. Du wirst zu einer Version deiner selbst, die hauptsächlich darauf ausgerichtet ist, anderen zu gefallen. Aber wer bist du wirklich, wenn niemand zuschaut?
#4
Du halst dir emotionale Überverantwortung auf
Ist jemand schlecht gelaunt, fühlst du dich sofort verantwortlich, die Stimmung zu verbessern. Ist jemand traurig, denkst du, du müsstest das Problem lösen. Ist jemand wütend, suchst du automatisch die Schuld bei dir. Sound familiar?
Diese emotionale Überverantwortung ist ein typisches Zeichen für Menschen, die zu nett sind. Du denkst, du müsstest alle um dich herum glücklich machen und trägst eine Last, die gar nicht deine ist. Dabei vergisst du eine wichtige Wahrheit: Jede*r ist für die eigenen Emotionen selbst verantwortlich.
Natürlich ist es schön, empathisch zu sein und anderen zu helfen. Aber du kannst nicht die Gefühle aller Menschen um dich herum kontrollieren oder reparieren. Das ist weder deine Aufgabe noch in deiner Macht und der Versuch macht dich nur unglücklich.
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#5
Harmonie ist dir wichtiger als Ehrlichkeit
Meinungsverschiedenheiten? Bloß nicht! Kritik äußern? Viel zu unangenehm! Du schluckst lieber deine Meinung runter, als einen Konflikt zu riskieren. Harmonie ist dir wichtiger als Ehrlichkeit – auch wenn diese vermeintliche Harmonie nur oberflächlich ist.
Diese Konfliktvermeidung führt dazu, dass sich Frustration anstaut und du dich oft unverstanden oder übergangen fühlst. Andere wissen gar nicht, was du wirklich denkst oder brauchst, weil du es nie kommunizierst. Stattdessen hoffst du, dass sie es von selbst merken, was ja bekanntermaßen selten funktioniert.
Gesunde Beziehungen brauchen auch mal Reibung und ehrliche Gespräche. Wer Konflikte um jeden Preis vermeidet, verhindert oft echte Nähe und Verständnis. Manchmal führt gerade das Ansprechen von Problemen zu einer stärkeren Verbindung.
#6
Du fühlst dich oft ausgenutzt – aber bleibst stumm
Deep down spürst du es: Manche Menschen nutzen deine Nettigkeit aus. Sie kommen nur zu dir, wenn sie etwas brauchen. Sie nehmen deine Hilfe als selbstverständlich hin, ohne sich zu revanchieren oder auch nur „Danke“ zu sagen. Du merkst, dass die Beziehung einseitig ist, änderst aber nichts daran.
Stattdessen redest du dir ein, dass es schon okay ist. „Sie haben es schwer“, „Ich mache das gerne“, „So bin ich eben“. Solche Gedanken kennst du sicher. Doch tief in dir wächst das Gefühl, unfair behandelt zu werden. Du fühlst dich wie ein* Geber*in, der oder die nie etwas zurückbekommt.
Dieses Ungleichgewicht ist nicht nur unfair, sondern auch ungesund für dein Selbstwertgefühl. Du lehrst anderen unbewusst, dass deine Zeit und Energie weniger wert sind als ihre.
Bedenke:
Zu nett zu sein, ist kein Charakter-Makel, sondern oft das Ergebnis erlernter Verhaltensmuster. Vielleicht hast du in der Kindheit gelernt, dass du nur geliebt wirst, wenn du brav und hilfsbereit bist. Oder du hast Angst vor Ablehnung und denkst, Nettigkeit sei deine Eintrittskarte zu Zugehörigkeit.
Die Wahrheit ist: Menschen mögen dich nicht wegen deiner grenzenlosen Nettigkeit, sie respektieren dich wegen deiner Authentizität. Du darfst Grenzen haben, „Nein“ sagen und deine eigenen Bedürfnisse ernst nehmen. Das macht dich nicht zu einem schlechten Menschen, sondern zu einem gesunden.
Fang klein an: Übe, nein zu sagen, wenn du wirklich keine Zeit oder Lust hast. Höre auf, dich für normale Dinge zu entschuldigen. Kommuniziere deine Bedürfnisse klar und freundlich. Es wird sich anfangs ungewohnt anfühlen, aber mit der Zeit wirst du merken, wie befreiend es ist, authentisch zu leben. Echte Freund*innen werden deine neuen Grenzen respektieren. Und alle anderen haben vielleicht sowieso nicht in dein Leben gehört …