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Tupoka Ogette im Interview

„Wir müssen lernen, dass wir alle rassistisch geprägt sind.“

Tupoka Ogette

Spätestens seit dem tragischen Tod von George Floyd 2020 sprechen wir endlich auch in Deutschland offener über das Thema „Rassismus“. Viele Menschen haben einen neuen Blick auf rassistische Strukturen und Alltagsrassismus gewonnen. Häufig ist es aber noch immer schwer, das Thema anzusprechen. In ihrem neuen Buch gibt die Aktivistin Tupoka Ogette hierfür wichtige Tipps. Im Podcast haben wir mit ihr darüber gesprochen, warum das Thema so emotional aufgeladen ist und wie wir einen besseren Umgang damit finden können.

Dies ist eine gekürzte Form des Interviews. Das komplette Interview kannst du dir in unserer Podcast-Folge anhören.

desired: Dein Buch „Exit Racism: Rassismuskritisch denken“ ist bereits eines der wichtigsten Aufklärungsbücher im Bereich Anti-Rassimus. Gerade ist dein neues Buch „Und jetzt du: Rassimuskritisch leben“ erschienen. Worum geht es da?

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Tupoka Ogette: Ich mache bereits seit 10 Jahren rassismuskritische Arbeit. „Exit Racism“ sollte dabei eine Art Workshop für rassimuskritisches Denken sein und eine Basis legen. Ich habe es bereits 2016 geschrieben und seitdem ist viel passiert, gesellschaftlich, aber auch bei mir. Ich habe festgestellt, dass die Menschen, mit denen wir arbeiten dürfen, einfach wahnsinnig viele Fragen haben, die sich auch auf den Alltag beziehen. Was bedeutet es, da rassismuskritisch zu leben? Wie kann ich im Kampf gegen Rassismus als weiße Person eine gute Verbündete sein? Diese vielen Fragen habe ich zum Anlass genommen, meine Antworten darauf aufzuschreiben. Daraus ist das neue Buch geworden. Ich würde es als ein Angebot und eine Einladung verstehen, sich auf einen weiteren, rassismuskritischen Prozess zu begeben.

Hier bekommst du Tupoka Ogettes neues Buch „Und jetzt du: Rassimuskritisch leben“:

Und jetzt du.: Rassismuskritisch leben - Das neue Buch von SPIEGEL-Bestsellerautorin Tupoka Ogette –

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Preis kann jetzt höher sein. Preis vom 28.04.2024 10:59 Uhr

In dem Buch gibt es auch konkrete Anleitungen, wie man es in bestimmten Situationen ansprechen kann, wenn man etwas Rassistisches beobachtet. Oftmals ist das schließlich gar nicht so leicht. Anstatt Einsicht folgt oft eine Rechtfertigung, warum das eigene Verhalten gar nicht rassistisch war. Damit umzugehen ist schwierig. Haben deshalb viele Leute nach so konkreten Beispielen gefragt?

Für mich ist wichtig, dass es da kein starres Regelwerk gibt. Das halte ich für falsch, aber das Buch gibt auf jeden Fall Impulse und Anregungen. Sowohl Menschen, die selbst von Rassismus betroffen sind, als auch weiße Menschen, die als Verbündete auftreten wollen, sind stark gefordert, wenn es darum geht, Rassismus anzusprechen. Das ist in unserer Gesellschaft noch immer schwierig. Niemand sagt: „Oh, vielen Dank, dass du mich auf diese Äußerung hingewiesen hast, ich mach das ab sofort anders!“ Stattdessen trifft man meist auf Abwehr. Dazu kommt noch, dass das Thema sehr emotional aufgeladen ist. Deshalb ist es meine Erfahrung, dass Menschen sich Unterstützung dabei wünschen, wie sie Rassismus überhaupt erkennen und was sie dagegen tun können.

Ein großes Problem liegt vermutlich auch darin, dass viele Menschen unter Rassismus nur rassistische Beleidigungen verstehen, aber sich nie mit strukturellem Rassismus oder Alltagsrassismus auseinandergesetzt haben. Dadurch glauben sie, direkt als Rassist bezeichnet zu werden, nur weil eine rassistische Handlung kritisiert wurde. Bräuchte es da vielleicht klarere begriffliche Unterscheidungen oder ist viel eher die Aufklärung wichtig?

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Ich befürchte, dass die Abwehrmechanismen bleiben würden, wenn man nur das Wort ändert. Wir alle haben gelernt, dass Rassismus etwas Schlechtes ist, das aber eigentlich nur in der rechten Ecke vorkommt oder nur dann, wenn ich auch rassistisch sein will. Es gibt also gewissermaßen eine Koppelung: Wenn ich etwas Rassistisches tue oder sage, bin ich ein schlechter Mensch. Gleichzeitig gibt es wenig Wissen darüber, dass wir eigentlich alle rassistisch sozialisiert sind. Wir alle haben Rassismus quasi eingeatmet und das vielfach unbewusst. Ich denke, es ist wichtig, dass es darüber eine Aufklärung gibt. Wir müssen lernen, dass wir alle rassistisch geprägt sind, das macht uns nicht per se zu schlechten Menschen, aber es bringt eine Verantwortung mit sich. Wir müssen unsere Literatur, unsere Strukturen, unsere Denkmuster hinterfragen und beginnen, den Rassismus dahinter zu erkennen und im nächsten Schritt dann zu bekämpfen.

Dafür setzt du dich schon seit mehr als 10 Jahren ein. Hast du das Gefühl, in dieser Zeit hat sich bereits spürbar etwas getan?

Auf diese Frage muss ich immer mit einem überzeugten „Jain“ antworten. Ich beobachte beides. Natürlich bewegt sich die Gesellschaft immer. Gerade nach dem Mord an George Floyd ist sehr viel passiert. Die Fragen, die mir in Interviews gestellt werden, ändern sich, ich beobachte viele große Unternehmen, die sich mit dem Thema auseinandersetzen und an ihren Strukturen arbeiten wollen. Viel mehr schwarze Menschen und People of Colour vernetzen sich und schaffen es, gemeinsam etwas zu verändern. Parallel gibt es aber auch immer wieder einen Backlash. Das sieht man zum Beispiel weltpolitisch. Erst wurde in den USA Obama als erster schwarzer Präsident gewählt, danach kam Trump. Viele Menschen sind es leid, immer wieder über dieses Thema zu sprechen und das sorgt dafür, dass man in der rassismuskritischen Arbeit häufig immer wieder bei 0 anfangen muss.

Diskriminierung und Rassismus sind in unserer Gesellschaft noch immer große Probleme. Im Video erklären wir, für welche Formen der Diskriminierung wir besonders sensibilisiert sein sollten:

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Du sprichst den Tod von George Floyd an. Ich habe auch das Gefühl, dass das Thema seitdem viel mehr ins Bewusstsein der Menschen gerückt ist. Früher hat man noch viel öfter so getan, als gäbe es keinen Rassismus in Deutschland. Man konnte eine Diskussion leicht damit beenden, dass man sagt: „Für mich sind alle Menschen gleich.“

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Nur gehen diese großen gesellschaftlichen Machtschieflagen nicht dadurch weg, wenn man einfach nicht mehr über sie spricht. Hier kann man auch den Vergleich zum Klimawandel oder Welthunger ziehen. Niemand glaubt, dass die Probleme einfach weggehen, nur weil wir nicht mehr darüber reden und sie nicht mehr bewusst auf der Agenda haben. Bei Rassismus ist das hingegen häufig so. Dabei ist es super wichtig, darüber reden zu lernen. Nur das wird dazu führen, dass Rassismus in unserer Gesellschaft irgendwann weniger wird.

Das gesamte Interview kannst du dir hier im Podcast anhören:

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Bildquelle: Laura Hoffmann / www.junala.de

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