Jeder kennt das Gefühl: Du stehst vor einer Entscheidung und weißt einfach nicht weiter. Das kann bei der Berufswahl passieren, in Beziehungen oder sogar beim Restaurantbesuch. Ambivalenz entsteht, wenn wir gleichzeitig positive und negative Gefühle zu einer Sache empfinden. Wir sind buchstäblich hin- und hergerissen zwischen zwei Polen. Der Begriff stammt aus der Psychologie und beschreibt einen Zustand emotionaler Zerrissenheit, bei dem wir uns weder für noch gegen etwas entscheiden können.
Während gelegentliche Unentschlossenheit völlig normal und sogar gesund ist – immerhin zeigt sie, dass wir durchdachte Entscheidungen treffen wollen – gibt es Menschen, die dauerhaft in diesem Zustand gefangen sind. Sie leben in einem ständigen inneren Konflikt, der alle Lebensbereiche betrifft. Von der Wahl des Outfits am Morgen bis hin zu wichtigen Lebensentscheidungen wird alles zum Problem. Diese chronische Ambivalenz kann nicht nur belastend für die Betroffenen selbst sein, sondern auch ihre Beziehungen und ihr berufliches Fortkommen beeinträchtigen. Diese Anzeichen deuten darauf hin, dass Ambivalenz dein Leben bestimmt.
#1
Du änderst ständig deine Meinung
Menschen mit ausgeprägter Ambivalenz wechseln ihre Standpunkte wie andere ihre Kleidung. Heute findest du deinen Job großartig und erzählst allen davon, wie erfüllend deine Tätigkeit ist. Morgen zweifelst du an allem und googelst heimlich nach neuen Stellenausschreibungen. Erst schwärmst du von deinem Partner bzw. deiner Partnerin und planst eine gemeinsame Zukunft, dann wieder stellst du die ganze Beziehung infrage und überlegst, ob ihr wirklich zusammenpasst.
Diese Meinungswechsel entstehen, weil ambivalente Personen gleichzeitig die positiven und negativen Aspekte einer Situation wahrnehmen – und zwar mit derselben Intensität. Sie können sich nicht für eine Sichtweise entscheiden und springen deshalb zwischen den Extremen hin und her, je nachdem, welcher Aspekt gerade stärker im Fokus steht. Das macht es nicht nur für dich selbst schwer, eine konsistente Lebenslinie zu verfolgen, sondern auch für dein Umfeld, dich einzuschätzen. Freund*innen und Familie wissen nie, welche Version von dir sie heute antreffen werden, die euphorische oder die zweifelnde.
#2
Entscheidungen werden zur Qual
Was anderen leicht fällt, wird für dich zum Drama: Entscheidungen treffen. Ob beim Einkaufen im Supermarkt, wo du zwanzig Minuten vor dem Joghurtregal stehst, bei der Urlaubsplanung, die sich über Monate hinzieht, oder bei wichtigen Lebensentscheidungen wie einem Jobwechsel oder Umzug. Du wägst endlos ab und kommst trotzdem zu keinem wirklich klaren Ergebnis.
Das liegt daran, dass ambivalente Menschen beide Seiten einer Medaille sehen und bewerten. Sie erkennen sowohl die Chancen als auch die Risiken jeder Option mit schonungsloser Klarheit. Du siehst beispielsweise bei einem Jobwechsel gleichzeitig die Möglichkeit zur persönlichen Weiterentwicklung und das Risiko des Scheiterns. Beide Aspekte fühlen sich gleich real und wichtig an. Während das grundsätzlich eine wertvolle Fähigkeit ist, immerhin zeugt es von differenziertem Denken, kann sie auch völlig lähmen. Du bleibst in der endlosen Analyse stecken, statt ins Handeln zu kommen. Manchmal verpasst du sogar Gelegenheiten, weil du zu lange gebraucht hast, um dich zu entscheiden.
#3
Du sendest widersprüchliche Signale
Deine Mitmenschen sind oft verwirrt von dir, weil deine Worte und Taten nicht immer zusammenpassen. Du sagst begeistert „ja“ zu einem gemeinsamen Plan, aber deine Körpersprache (verschränkte Arme, vermeidender Blickkontakt) drückt Zweifel aus. Du betonst in Gesprächen, wie sehr du jemanden schätzt und respektierst, verhältst dich aber gleichzeitig distanziert oder kritisch. Oder du hilfst gerne anderen, beschwerst dich aber hinterher, dass immer alle nur etwas von dir wollen.
Diese Widersprüchlichkeit entsteht, weil in dir verschiedene Gefühle gleichzeitig existieren und kämpfen. Ein Teil von dir freut sich wirklich über den gemeinsamen Plan, ein anderer Teil hat Bedenken oder möchte lieber etwas anderes machen. Du meinst es nicht böse und willst niemanden verwirren – du bist schlichtweg innerlich gespalten und sendest deshalb gemischte Signale. Für andere kann das verwirrend oder sogar verletzend sein, weil sie nie wissen, woran sie bei dir sind. Sie fragen sich: „Ist das jetzt ernst gemeint oder nicht?“ Das kann langfristig Vertrauen und Beziehungen belasten.
Im Video: So positiv wirkt sich Journaling auf die Psyche aus
Fühlst du dich jetzt bereits „ertappt“? Keine Sorge, du bist definitiv nicht allein mit deinen gemischten Gefühlen … Was vielen Menschen helfen kann, wenn sie sich partout nicht entscheiden können, ist es, einmal alles aufzuschreiben. Warum sich Journaling so positiv auf die Psyche auswirken kann, siehst du im Video.
#4
Du fühlst dich oft innerlich zerrissen
Ambivalente Menschen erleben häufig einen intensiven inneren Konflikt, der sich wie ein ständiger Kampf anfühlt. Du willst gleichzeitig Nähe und Distanz zu Menschen, Sicherheit und Abenteuer im Leben, Veränderung und Beständigkeit in deiner Routine. Diese widersprüchlichen Bedürfnisse existieren nicht nur nebeneinander, sondern kämpfen aktiv gegeneinander um deine Aufmerksamkeit und Energie.
Zum Beispiel sehnst du dich nach einer festen Partnerschaft und gleichzeitig nach Freiheit und Unabhängigkeit. Du möchtest beruflich erfolgreich sein, aber auch Zeit für dich und deine Hobbys haben. Du wünschst dir Stabilität, aber langweilst dich schnell in routinierten Abläufen. Diese widersprüchlichen Bedürfnisse können emotional sehr belastend sein. Du fühlst dich wie zwischen zwei Stühlen und findest keine Position, die sich wirklich richtig anfühlt. Oft führt das zu chronischem Stress, anhaltender Unzufriedenheit und dem nagenden Gefühl, nie das zu bekommen, was du wirklich willst – weil du selbst nicht eindeutig weißt, was das ist.
#5
Du prokrastinierst häufig
Aufschieberitis und Ambivalenz gehen oft Hand in Hand. Wenn du nicht weißt, ob du etwas wirklich willst oder richtig findest, fällt es extrem schwer, aktiv zu werden. Du schiebst wichtige Entscheidungen und Handlungen vor dir her, in der stillen Hoffnung, dass sich die Dinge von selbst klären oder eine eindeutige Antwort irgendwie vom Himmel fällt.
Vielleicht liegt da schon seit Wochen die Bewerbung für deinen Traumjob auf dem Schreibtisch, aber du traust dich nicht, sie abzuschicken, weil du dir nicht sicher bist, ob du den Job wirklich willst. Oder du weißt, dass du ein schwieriges Gespräch mit jemandem führen solltest, aber zögerst es immer wieder hinaus, weil du dich nicht zwischen Konfrontation und Harmonie entscheiden kannst. Leider lösen sich diese Situationen selten von selbst. Stattdessen sammeln sich unerledigte Aufgaben und ungetroffene Entscheidungen wie ein Berg vor dir an, was zusätzlichen Stress und Schuldgefühle verursacht. Du befindest dich in einem Teufelskreis aus Unentschlossenheit, Prokrastination und wachsendem Druck.
Denk dran:
Ambivalenz ist nicht grundsätzlich schlecht. Sie zeigt, dass du differenziert denkst und verschiedene Perspektiven wahrnimmst. Das ist eine wertvolle Fähigkeit in unserer komplexen Welt. Problematisch wird es erst, wenn sie dich dauerhaft lähmt und daran hindert, ein zufriedenes Leben zu führen.
Wenn du dich in den beschriebenen Punkten wiedererkennst, kann es helfen, bewusst Entscheidungsstrategien zu entwickeln. Setze dir klare Deadlines für Entscheidungen und halte sie ein, auch wenn es sich unbequem anfühlt. Akzeptiere, dass keine Wahl perfekt ist und jede Entscheidung sowohl positive als auch negative Konsequenzen haben kann. Manchmal ist eine „gut genuge“ Entscheidung besser als gar keine.
Sprich auch mit vertrauten Personen über deine Zweifel und inneren Konflikte. Oft hilft ein Außenblick, um Klarheit zu gewinnen und die eigenen Gedankenspiralen zu durchbrechen. Führe ein Entscheidungstagebuch, in dem du Pro- und Contra-Listen erstellst, aber auch deine Gefühle zu verschiedenen Optionen notierst. Und vergiss nicht: Du bist nicht für immer an eine Entscheidung gebunden. Die meisten Entscheidungen lassen sich revidieren oder anpassen, wenn sich die Umstände ändern. Diese Erkenntnis kann schon viel Druck herausnehmen. Meistens merkst du aber hinterher, dass es eh die richtige Entscheidung war!