Eine Studie zur mentalen Gesundheit in Deutschland, die im Auftrag der Online-Therapieplattform HelloBetter durchgeführt wurde, beweist, dass der Anspruch an uns selbst immer problematischer wird. Warum? 26 Prozent der 2.000 befragten Männer und Frauen nannten ihn als größten Grund für ihren Mental Load – innerhalb der Gen Z (Jahrgang 1995 bis 2010) lag der Wert sogar bei 42 Prozent. „Das ist kaum verwunderlich“, sagt Dr. Hanne Horvath, Psychologin und Mitgründerin von HelloBetter. „Wir wachsen in einer Welt auf, die uns von allen Seiten sagt: Du kannst alles sein – aber bitte alles gleichzeitig, perfekt und mit Leichtigkeit.“
Touché – erschreckend ist es dennoch, wenn wir bedenken, dass eine solche mentale Überlastung auf Dauer zu ernsthaften gesundheitlichen Probleme führen kann. Wie schaffen wir es also, diese hohen Selbstansprüche und den damit einhergehenden Dauer-Druck zu verkleinern, um unsere mentale Gesundheit zu schützen? Wir haben bei Dr. Hanne Horvath nachgefragt und sie hat uns sechs hilfreiche Tipps verraten.
#1
Ehrliche Reflexion
Als ersten Schritt empfiehlt Dr. Hanne Horvath, dich einmal zu fragen, woher die hohen Ansprüche an dich selbst überhaupt kommen: „Sind das wirklich deine Werte und Ziele – oder eher Erwartungen, die du übernommen hast? Von Eltern, Social Media, Kolleg*innen oder aus gesellschaftlichen Rollenbildern? Sich diese Frage aufrichtig zu beantworten, kann sehr befreiend sein und einiges an Druck rausnehmen, den man sich selbst auferlegt.“
#2
„Gut genug“ ist gut genug!
Sich mit diesem Gedanken anzufreunden, sei ebenfalls hilfreiche gegen den Dauer-Druck. „Nicht jede Aufgabe muss perfekt sein. Nicht jeder Tag muss effizient, produktiv und durchgeplant verlaufen“, so Dr. Hanne Horvath. Statt immer alles perfekt machen zu wollen, solltest du dich regelmäßig fragen, was eigentlich passiert, wenn du diese Aufgabe nicht perfekt machst. „Das bringt fast immer dieselbe beruhigende Antwort: Gar nichts“, sagt die Psychologin.
#3
Realistische Ziele setzen
„Druck entsteht auch dann, wenn Ziele zu hoch gesteckt sind – aus einem guten, aber oft gnadenlosen Wunsch, ‚alles richtig‘ zu machen“, sagt Dr. Hanne Horvath. Erkennst du dich darin vielleicht wieder? Die Psychologin betont, wie wichtig es deshalb sei, sich realistische, erreichbare Ziele zu setzen. „Nicht, um sich kleiner zu machen, sondern um sich echte Erfolgserlebnisse zu ermöglichen. Und ja, auch kleine Fortschritte zählen.“
Auch Journaling kann gegen Druck helfen!
Manchmal tut es richtig gut, sich alles von der Seele zu schreiben – nicht in Form einer To-do-Liste, sondern eines Tagebuchs. Im Video erfährst du mehr zu Journaling. Ein passendes Tagebuch findest du zum Beispiel bei Amazon.
#4
Anerkennung zeigen – und zwar dir selbst gegenüber
„Wir vergessen oft, wie viel wir tatsächlich schaffen – weil wir so darauf fokussiert sind, was noch fehlt“, so die Psychologin. Dabei kann man Wertschätzung nicht nur anderen gegenüber zeigen, sondern auch sich selbst – du kannst dir also ruhig mal selbst auf die Schulter klopfen, selbst wenn nicht alles perfekt läuft! „Sich selbst Anerkennung zu schenken, zwischendurch innezuhalten und zu sagen: ‚Ich hab mein Bestes gegeben, und das reicht‘ – das ist keine Schwäche, sondern gesunde Selbstführung“, findet auch Dr. Hanne Horvath.
#5
Grenzen setzen und „Nein“ sagen lernen
Die Fähigkeit, sich selbst abzugrenzen, ist laut der Psychologin ebenfalls ein wichtiger Schritt, um den hohen Selbstanspruch in Schach zu halten. Was sie damit meint? „‚Nein‘ sagen können, ohne sich schuldig zu fühlen. Eigene Kapazitätsgrenzen kommunizieren – im Job, im Freundeskreis, in der Familie. Und: Verantwortung abgeben. Anderen Menschen zutrauen, Dinge selbst zu übernehmen – auch wenn sie es anders machen als wir. Kontrolle loszulassen heißt nicht, sich rauszuziehen. Es heißt, sich selbst Raum zu geben.“
#6
Bewusste Auszeiten einplanen
„Pausen sind kein ‚Belohnungssystem für Fleiß‘, sondern Voraussetzung dafür, dass wir überhaupt funktionieren können“, betont Dr. Hanne Horvath. Genau deshalb sei es in ihren Augen so wichtig, sich bewusst Auszeiten zu nehmen – und zwar solche „in denen man nicht leistet, sondern einfach nur ist – das ist nicht egoistisch, sondern klug“, so die Expertin.