Viele kennen diese Situation: Du erzählst von einer Herausforderung in deinem Leben oder von deinem Beruf – sei es die durchwachte Nacht mit einem kranken Kind, deine Arbeit als Pfleger*in oder Erzieher*in, oder einer schwierigen familiären Situation – und bekommst als Antwort zu hören: „Ich könnte das ja niemals.“ Was zunächst wie Bewunderung klingt, kann sich schnell wie eine versteckte Kritik anfühlen. Wie gehst du am besten mit diesem ambivalenten Satz um?
Was macht diesen Satz so problematisch?
„Ich könnte das ja niemals“ wird nicht nur bei außergewöhnlichen Herausforderungen geäußert, sondern auch regelmäßig bei ganz normalen Lebenssituationen. Erzählst du von deinem Job in der Altenpflege, im Kindergarten oder im Krankenhaus, hörst du diesen Satz wahrscheinlich ständig. Das Problem: Während oberflächlich deine Leistung gewürdigt wird, schwingt unterschwellig eine Distanzierung mit. Als wäre das, was du tust, irgendwie ungewöhnlich oder als hättest du eine besondere „Gabe“, die andere nicht haben. Oder noch schlimmer: Als würdest du die unangenehmen Aufgaben übernehmen, die sonst niemand machen will. Das kann schnell das Gefühl vermitteln, als hättest du dich falsch entschieden oder als würde es bei dir nicht für mehr reichen.
Meistens will dein Gegenüber dir das überhaupt nicht suggerieren. Doch dieser Satz bringt dich automatisch in eine Rechtfertigungsposition. Plötzlich fühlst du dich gedrängt, zu erklären, warum du das machst oder wie du damit klarkommst – obwohl du dich für deine Lebensentscheidungen oder deine Umstände überhaupt nicht rechtfertigen musst. Was antwortet man also am besten darauf? Wir haben sieben Antworten, die je nach Situation absolut passend sein können.
#1 Entspannt kontern
Entspannt kontern: „Musst du ja auch nicht.“
Eine der effektivsten Reaktionen ist es, den Druck aus der Situation zu nehmen: „Musst du ja auch nicht“ oder „Das verlangt ja auch niemand von dir.“ Diese entspannte Antwort macht deutlich, dass nicht jeder alles können muss und nimmt dem Kommentar seine dramatisierende Wirkung. Du zeigst damit, dass du deine Situation als normal betrachtest, nicht als Heldentat. Sie führt deinem Gegenüber außerdem subtil vor Augen, dass ihr Kommentar unnötig war.
#2 Bewusste Entscheidung betonen
Bewusste Entscheidung betonen: „Ich habe mich dafür entschieden.“
Besonders bei beruflichen Themen kannst du klarstellen: „Ich mache das gerne.“ oder „Ich habe mich bewusst dafür entschieden, weil die positiven Seiten für mich überwiegen.“ Diese Antwort verschiebt den Fokus von „Du bist so stark.“ zu „Du hast eine bewusste Wahl getroffen.“ und zeigt, dass du nicht Opfer deiner Umstände bist, sondern aktiv gehandelt hast.
#3 Den Spieß umdrehen
Den Spieß umdrehen: „Dafür könnte ich nie...“
Eine besonders effektive Strategie ist es, zu zeigen, dass jeder seine eigenen Herausforderungen hat: „Dafür könnte ich nie 8 Stunden am Computer sitzen.“ oder „Ich könnte nie den ganzen Tag in Meetings verbringen.“ Diese Antwort macht deutlich, dass alle Lebensbereiche ihre Schwierigkeiten haben und niemand über- oder unterlegen ist.
#4 Ehrlich ansprechen
Ehrlich ansprechen: „Das höre ich häufig, aber...“
Wenn du den Satz regelmäßig hörst, kannst du das auch direkt thematisieren: „Das höre ich häufig, aber es ist einfach mein Job/mein Leben.“ oder „Ehrlich gesagt, höre ich das so oft, dass es mittlerweile eher nervt, als dass es hilft.“ Diese Reaktion kann ein Augenöffner sein und zeigt, dass der vermeintlich positive Kommentar tatsächlich belastend sein kann.
#5 Die Realität entmystifizieren
Die Realität entmystifizieren: „Ich dachte das auch mal“
Manchmal hilft es, die Illusion der „besonderen Fähigkeit“ zu durchbrechen: „Ich dachte auch, ich könnte das nicht, bis ich in die Situation gekommen bin.“ oder „Als ich angefangen habe, dachte ich das auch – aber man lernt schnell dazu.“ Diese Antwort zeigt, dass es keine angeborene Superkraft braucht. Sie eignet sich besonders dann, wenn der Satz „Ich könnte das ja nicht.“ aus ehrlicher Unsicherheit gesagt wird.
#6 Die positiven Aspekte hervorheben
Die positiven Aspekte hervorheben: „Es hat auch schöne Seiten.“
Oft überschätzen Außenstehende die negativen Aspekte einer Situation. Du kannst das Bild geraderücken: „Es ist nicht nur anstrengend – es gibt auch wirklich erfüllende Momente.“ oder „Ich lerne jeden Tag dazu und das macht mich stolz.“ Diese Reaktion zeigt eine differenzierte Betrachtung deiner Situation.
Je nach Kontext und deiner aktuellen Verfassung kannst du zwischen diesen Reaktionen wählen. Wenn du entspannt bist, reicht oft ein lockeres „Musst du ja auch nicht.“ Wenn dich der Kommentar ärgert, kannst du das auch ehrlich ansprechen. Und wenn du merkst, dass dein Gegenüber wirklich interessiert ist, kannst du die Gelegenheit nutzen, um Verständnis für deine Situation zu schaffen.
Was wir stattdessen sagen können
Seien wir ehrlich: Wir alle haben diesen Satz schon mal verwendet. Oft stecken dahinter unsere eigenen Unsicherheiten und Ängste. Statt „Ich könnte das ja niemals.“ gibt es viele konstruktivere Reaktionen: “Das muss wirklich anstrengend für dich sein“ zeigt echte Empathie. „Ich bewundere, wie du das alles schaffst.“ ist Wertschätzung ohne problematische Abgrenzung. Oder ganz praktisch: „Kann ich dir irgendwie helfen?“ und „Wie geht es dir damit?“ zeigen echtes Interesse an der Person und ihrer Erfahrung.