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Kommentar

Warum man Ted Bundy nicht als „heiß“ bezeichnen sollte

Ted Bundy Netflix

Man könnte meinen, dass es eine Selbstverständlichkeit ist, einen Mörder nicht sympathisch oder gar attraktiv zu finden. Im Fall von Ted Bundy scheint es anders zu sein: Dank einer neuen Netflix-Doku und des kommenden Films mit Zac Efron in der Hauptrolle, steigt gerade nicht nur die Faszination für diesen Fall aufs Neue, sondern auch die überschwängliche Sympathie für den Serienmörder. Dass diese in sozialen Netzwerken ganz nonchalant kundgetan wird, schockiert mich zutiefst.

Ted Bundy – ein wandelnder Charmebolzen

Liest man sich mal durch aktuelle Twitter-Kommentare, könnte man meinen, man befände sich in den frühen 70er Jahren, als Ted Bundy noch ein unschuldiger, netter Jurastudent war und keiner wusste, was sich hinter dem schönen Schein verbirgt.

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Mein Eindruck, nachdem ich die Netflix-Doku durchgeschaut habe, ist nämlich, dass man ihn durchaus „heiß” und sympathisch finden konnte (Präteritum). Nämlich damals, als noch niemand etwas vom Serienmörder Ted Bundy gehört hatte und der scheinbar freundliche, adrett gekleidete, wortgewandte Mann ahnungslose Frauen ansprach und diese um Hilfe bat. Genau dieser Eindruck hat jedoch 36 Frauen (diese Zahl nannte er selbst in einem späten Geständnis) ihr Leben gekostet. Lynda Ann Healy war am 1. Februar 1974 sein erstes Opfer, viele weitere folgten.

Warum aber sind gerade Frauen noch heute so fasziniert von seiner Person, dass alles, was er getan zu haben scheint – und wir wissen es in zutiefst erschreckender Ausführlichkeit! – komplett in den Hintergrund rückt?

Es sind glücklicherweise nicht sehr viele Kommentare, in denen er (vorrangig von Frauen) als „heiß" und „sexy" bezeichnet wird. Doch sie sind da. Keine geheimen Gedanken, sondern ganz öffentlich zur Schau gestellt. Und sogar, als ich mich hier unter Kollegen einmal umgehört habe, gibt es Stimmen, die ihn irgendwie attraktiv finden oder sein Auftreten, wie es in der Netflix-Doku gezeigt wird, zumindest als sympathisch bewerten.

Ted Bundy
So schöne blaue Augen? Sie waren das Letzte, was viele seiner Opfer wahrscheinlich gesehen haben.

Die gefährliche, öffentliche Glorifizierung eines Mörders

Während ich mit die Dokumentation angeschaut habe, war er in meinen Augen jedoch an keiner Stelle auch nur ansatzweise ein Mensch, mit dem ich sympathisieren konnte und wollte. Viel zu sehr ging mir seine egozentrische, arrogante Art, wie er mit anderen umging und sich von der Presse feiern ließ, auf die Nerven. Doch mal abgesehen von meinem Eindruck seiner Person finde ich es absolut unangebracht, einen verurteilten Mörder, der so viele junge Frauen auf bestialische Weise misshandelt, vergewaltigt und brutal getötet hat, als den ultimativen Bad Boy mit positiver Konnotation öffentlich zu glorifizieren. Den sexy, verwegenen Mann, den man zu bändigen versuchen wollen würde – und der einen gern ein bisschen würgen dürfte, wie eine der oben erwähnten Userinnen auf Twitter schreibt. Bitte was?! Bei solchen Kommentaren hört der Spaß für mich auf.

Sogar Netflix höchstpersönlich setzte schon vor einiger Zeit einen besorgten Tweet ab, um die Glorifizierung Ted Bundys anzuprangern:

„Ich habe Gespräche über Ted Bundys angeblichen Sexappeal mitbekommen und möchte gern daran erinnern, dass es in unserem Angebot wirklich tausende von heißen Männern gibt – fast alle von ihnen sind keine verurteilten Serienmörder”, schreibt ein Mitarbeiter im Namen des Streaming-Dienstes.

Und das ist genau das Problem der Sache: Man mag Ted Bundy ja insgeheim gutaussehend finden (das kann man ja nicht wirklich steuern), das jedoch lautstark kundzutun, und nichts anderes ist ein öffentlicher Tweet, empfinde ich als töricht, als Bagatellisierung seiner Taten und Beleidigung der Opfer und ihrer Familien, die heute wahrscheinlich sowieso schon damit zu kämpfen haben, dass der Fall popkulturell wieder aufgegriffen wird.

Ted Bundy
Ted Bundy liebte die mediale Aufmerksamkeit und wäre wahrscheinlich ganz entzückt davon, dass er jetzt wieder in aller Munde ist.

Zac Efron als Ted Bundy: Macht das Problem nicht besser, oder?

Damit der Fall nicht mystifiziert und Ted Bundy weiter glorifiziert wird (wie so viele Serienkiller, für die manche eine kranke Faszination entwickeln, man denke nur an Charles Manson oder Jeffrey Dahmer), ist es wichtig, sich mit dem Fall in all seiner Abscheulichkeit vertraut zu machen.

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Eine gewisse Herausforderung stellt sicher der kommende Ted-Bundy-Film „Extremely Wicked, Shockingly Evil and Vile” dar. Ausgerechnet Hollywood-Beau Zac Efron verkörpert hier Ted Bundy. Eine gewagte Besetzung, schließlich ist Efron äußerst attraktiv und ein absoluter Frauenschwarm. Doch genau das macht die Besetzung doch auch perfekt: Sie stellt den Zuschauer einmal mehr vor die schockierende Wahrheit, dass ein Mörder eben kein Mensch sein muss, der schon fies und schmierig aussieht, es kann auch der charmante, unauffällige Mann sein, der einen komplett verblendet. Leider kommt das im Trailer meiner Meinung nach noch nicht gut genug rüber – hier wird das coole Bad-Boy-Image dank rockiger Hintergrundmusik, Sexszene gleich zu Beginn und plakativer Namenseinblendung, als würde es sich um einen Rockstar handeln, noch geschürt.

Ich kann nur hoffen, dass es der Film schafft, die Zuschauer schockiert zurückzulassen und den Serienmörder nicht noch mehr zum gefeierten Star in den sozialen Netzwerken werden zu lassen. Ob das einer solchen Hollywood-Nacherzählung besser gelingt als einer Doku, ist für mich jedoch fraglich.

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Susanne Faller

Kein Platz für Hotness-Bekundungen

Der Mörder-Hype um Ted Bundy ist kein Einzelfall, immer wieder faszinieren uns rätselhafte Mordfälle und die Motive der Personen, die zu einer solchen Gewalt bereit sind. Die Behandlung und öffentliche Diskussion hat durchaus ihre Daseinsberechtigung, schließlich hilft sie, zu verstehen, zu was der Mensch fähig ist. Dabei die Objektivität zu bewahren und keine wohlwollende Empathie mit den Tätern zu zeigen, ist jedoch essenziell. Und scheinbar bedarf es hier selbst nach einer recht objektiven Dokumentation noch Nachhilfe. Vielleicht sollte Hollywood deshalb mal die andere Seite aufgreifen und aus Sicht der Opfer erzählen. Oder zumindest dafür sorgen, dass der Sexappeal-Faktor nicht so offensichtlich in den Vordergrund gerückt wird wie im obigen Trailer. Denn vorrangig ist und bleibt Ted Bundy ein Vergewaltiger und Mörder.

Wie siehst du das? Welche Gefühle haben die Doku und der Trailer zum Film über Ted Bundy bei dir geweckt? Erzähle es mir gern in den Kommentaren.

Susanne Faller

Bildquelle: Netflix