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Warum wir so gerne lästern – die Psychologie hinter Klatsch und Tratsch

Lästern
© Getty Images/nicoletaionescu

Ganz ehrlich, wer kennt es nicht? Ein gemütlicher Abend mit Freund*innen, ein kurzer Plausch in der Kaffeepause – und schon dreht sich das Gespräch um Personen, die nicht anwesend sind. Das schlechte Gewissen meldet sich oft kurz danach: War das jetzt wirklich nötig? Obwohl wir Lästern moralisch verurteilen, scheint es tief in unserer menschlichen Natur verwurzelt zu sein. Doch warum können wir nicht aufhören, über andere zu sprechen, und welche psychologischen Bedürfnisse werden dabei eigentlich erfüllt?

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Was bedeutet es zu lästern?

Wir lästern nicht, wir stellen nur fest … Ja, das Lästern hat in unserer Gesellschaft einen negativen Beigeschmack. Wir verbinden es mit fiesen Kommentaren und böswilligem Gerede hinter dem Rücken anderer. Wenn wir davon hören, denken wir an biestige Zeitgenossen, die mit gespaltener Zunge über andere herziehen und den Ruf von Unschuldigen beschmutzen.

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Doch die Wissenschaft sieht das differenzierter. „Lästern bedeutet im Grunde nur, dass Menschen Informationen über eine dritte, nicht anwesende Person austauschen und diese bewerten. Die Bewertung kann sowohl positiv als auch negativ ausfallen“, erklärt die Psychologin Myriam Bechtoldt, Professorin an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Wiesbaden, gegenüber „Psychologie heute“.

Der Duden definiert Lästern übrigens so: „Sich über jemanden, über etwas abfällig, mit kritischen oder ein wenig boshaften Kommentaren äußern“ – doch die moderne Forschung zeigt, dass Lästern weit mehr ist als nur Schlechtmachen. Es ist ein komplexes soziales Verhalten, das verschiedenste Funktionen erfüllt – von der Unterhaltung bis zur sozialen Regulation.

Was gilt als Lästern?

Als Lästern gilt streng genommen jeder Informationsaustausch über Dritte, unabhängig davon, ob die Bewertung positiv oder negativ ausfällt. Der entscheidende Punkt ist, dass die besprochene Person nicht anwesend ist und somit keine Möglichkeit hat, sich zu äußern oder zu verteidigen.

Und ja, wir alle tun es – ständig sogar. Ob beim Abendbrottisch, beim Absacker in der Bar, in der Kaffeeküche oder bei Familienfesten: Zwei Drittel all unserer Unterhaltungen beinhalten Gerede über zwischenmenschliche Belange, wie der Anthropologe und Evolutionspsychologe Robin Dunbar in seinem Buch „Klatsch und Tratsch. Wie der Mensch zur Sprache fand“ festgehalten hat.

„Wir haben ein widersprüchliches Verhältnis zu gossip, wie Lästern im Englischen heißt. Wir unterhalten uns wahnsinnig gern über andere, aber gleichzeitig wollen wir nicht das Image einer Klatschbase haben“, betont Bechtoldt. Besonders interessant: Die Inhalte unserer Lästereien variieren stark – vom harmlosen Austausch über Beziehungsstatus und berufliche Entwicklungen bis hin zu brisanteren Themen wie Fehltritte oder ungewöhnliches Verhalten.

Was macht Lästern mit der Psyche?

Das Teilen von Informationen über andere erfüllt wichtige psychologische Funktionen, die weit über den bloßen Unterhaltungswert hinausgehen. „Wenn wir zusammensitzen und uns über Dritte unterhalten, dann stellt das auch eine Beziehung zwischen uns und dem Zuhörer her. Beide kennen in der Regel die Person, über die sie reden, interessieren sich für sie und tauschen sich über sie aus“, erklärt die Psychologin.

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Diese gemeinsame Aktivität schafft Vertrauen und Nähe – wenn ich mit dir über jemanden spreche, signalisiere ich: Ich vertraue dir genug, um diese Information zu teilen. Gleichzeitig stärkt es das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe. Wer die gleichen Personen kennt und ähnliche „Bewertungen“ teilt, gehört dazu.

Die sozialen Funktionen des Lästerns

Lästern ist wie ein soziales Klebemittel. Es hilft uns zu verstehen, was in unserer Gruppe okay ist und was nicht. Stell dir vor: Wenn alle über Max tuscheln, weil er bei der Weihnachtsfeier zu viel getrunken hat, überlegt man sich zweimal, ob man selbst auf der nächsten Party über die Stränge schlägt. Ohne dass jemand direkt mit erhobenem Zeigefinger dasteht, lernen wir so die ungeschriebenen Regeln kennen. Die Wissenschaft sieht darin sogar einen Grund, warum wir Menschen überhaupt zusammenarbeiten können: Wir benehmen uns oft nur deswegen anständig, weil wir Angst haben, dass sonst schlecht über uns geredet wird. Keiner möchte der Typ sein, über den alle tuscheln.

Außerdem liefert Tratsch wichtige Informationen, die ebenfalls das soziale Gefüge aufrechterhalten. Wir erfahren, wer mit wem, wer gegen wen und wer gerade total im Stress ist – und das alles, ohne peinliche Fragen stellen zu müssen. Diese Infos sind Gold wert, wenn wir wissen wollen, wie wir uns gegenüber bestimmten Menschen verhalten sollen. In Büros, Vereinen oder Schulklassen – überall gibt es diese unsichtbaren Netze aus geteilten Geschichten und Bewertungen. Sie helfen uns, uns zurechtzufinden und dazuzugehören.

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Lästern, um zu überleben

Menschen möchten dazugehören, sich einpassen, nicht aus einer Gruppe ausgestoßen werden. „Es ist extrem wichtig für uns, Informationen über andere zu erhalten, damit wir wissen, wie wir uns der Person gegenüber verhalten sollen. Wir wollen es unbedingt richtig machen“, so Bechtoldt. Denn negative Geschichten, die man sich erzählt, können den eigenen Stand in der Gemeinschaft ins Wanken bringen. Bei unseren Vorfahren aus Urzeiten wäre das dem Tod gleichgekommen. Die Angst vor Ausschluss ist daher noch tief verankert. Dass Menschen miteinander klatschen, macht uns paradoxerweise zu verträglicheren Zeitgenossen – es hilft uns, soziale Normen zu verstehen und einzuhalten.

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Lästern kann auch als Ventil wirken. Frustrationen und Ärger lassen sich in einem geschützten Rahmen ausdrücken, ohne direkte Konflikte mit der betreffenden Person einzugehen. Was kurzfristig guttut, birgt aber natürlich auch die Gefahr, dass Probleme nicht direkt angesprochen und gelöst werden.

Wann ist es Lästern?

Die Grenzen zwischen harmlosem Informationsaustausch und schädlichem Klatsch sind fließend. „In den seltensten Fällen haben die Menschen aber etwas Böses im Sinn, wenn sie miteinander lästern“, betont Bechtoldt. Es geht oft mehr um den sozialen Austausch als um die Absicht, jemandem zu schaden.

Dennoch gibt es natürlich auch die böswillige Variante – Menschen, die Missgeschicke, Fehltritte und Peinlichkeiten anderer ungefiltert weitererzählen, oder die mit Vorliebe abwertend und respektlos über andere reden. Hier wird Lästern zum Instrument der Manipulation und sozialen Kontrolle. Die Motivation kann Rache, Neid oder der Versuch sein, die eigene Position zu stärken, indem man andere herabsetzt.

Interessanterweise räumt die Forschung mit einigen Vorurteilen auf. Die University of California hat in einer Meta-Analyse fünf Studien unter die Lupe genommen und festgestellt: Frauen wird zwar gerne vorgeworfen, die größten Lästertanten zu sein, doch Männer tratschen laut den Forschenden genauso viel. Sie unterscheiden sich lediglich in den Themen und manchmal in der Art und Weise. Zudem beteiligen sich jüngere Menschen öfter am Verbreiten von Gerüchten als ältere, und Extrovertierte sind aktiver beim Gossip als Introvertierte.

Lästern: Alles halb so wild (?)

Statt dich für gelegentliches Lästern zu sehr zu verurteilen, erkenne seine soziale Funktion an. Die Psychologie zeigt: Es ist ein natürliches menschliches Verhalten mit wichtigen sozialen Funktionen. Achte jedoch bewusst auf die Grenze zwischen harmlosem Austausch und verletzender Abwertung.

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Frage dich vor dem Teilen von Informationen: Würde ich das auch sagen, wenn die Person anwesend wäre? Ist meine Motivation, zu verbinden oder zu verletzen? Könnte diese Information der Person schaden, wenn sie weitergetragen wird? Nutze Klatsch und Tratsch bewusst als Möglichkeit, Beziehungen zu stärken und soziale Normen zu verstehen – aber immer mit Respekt für die Würde anderer. Ein gewisses Maß an Austausch über andere ist normal und gesund, aber achte darauf, dass es nicht zur Hauptbeschäftigung wird oder in Boshaftigkeit abgleitet. 

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