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Mythos umgekehrte Psychologie: Funktioniert das wirklich?

umgekehrte psychologie
© iStock/Charday Penn

„Mach jetzt bloß nicht den Abwasch, die spaßigste Aufgabe im Haushalt würde ich lieber selber machen.“ Ach, wie schön wäre es, wenn Menschen so einfach zu beeinflussen wären. Das Prinzip hinter solchen Manipulationstechniken nennt sich im Volksmund „umgekehrte Psychologie“. Aber wie gut funktioniert die wirklich und welches psychologische Konzept steckt dahinter?

Darüber haben wir Sabine Prohaska gesprochen. Sie ist Wirtschaftspsychologin und systemischer Coach und beschäftigt sich in ihrer Arbeit viel damit, wie man Menschen motivieren kann.

Sabine Prohaska
Sabine Prohaska ist Wirtschaftspsychologin und systemischer Coach. (© Seminar Consult Prohaska)
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Gibt es sowas wie umgekehrte Psychologie überhaupt?

Dazu hat Sabine Prohaska eine klare Antwort: „Ja, umgekehrte Psychologie gibt es, und sie funktioniert oft erstaunlich gut. Dabei handelt es sich um eine Technik, bei der man eine Person dazu bringt, das Gegenteil von dem zu tun, was man ihr gesagt hat. Dies funktioniert vor allem bei Menschen, die einen starken Drang nach Autonomie haben oder gerne widersprechen.“

Im Alltag verwenden wir umgekehrter Psychologie häufiger, als wir denken. Dafür nennt die Expertin zwei typische Beispiele, die wohl den meisten schon mal begegnet sind:

Kindererziehung

In der Kindererziehung wird umgekehrte Psychologie oft ganz bewusst eingesetzt, da gerade Kinder die Mechanismen dahinter oft noch nicht sofort verstehen. „Zum Beispiel, wenn man einem Kind sagt: ‚Du wirst es wahrscheinlich nicht schaffen, dein Zimmer heute aufzuräumen‘, in der Hoffnung, dass es genau das Gegenteil tut, nämlich das Zimmer aufzuräumen“, erklärt Sabine Prohaska, „Oder ein schreiendes, wütendes Kind aufzufordern, doch noch lauter und zorniger zu schreien. Und dann zu bemerken, dass das Kind umgehend mit diesem Verhalten aufhört.“

Dating

Ein anderes Beispiel kennen wir vom Dating, dass auch hier umgekehrte Psychologie im Spiel ist, ist vielen auf den ersten Blick vielleicht gar nicht bewusst. „Jeder hat schon mal gehört, dass man zu Beginn einer Kennenlernphase nicht zu viel Interesse zeigen sollte, um für potenzielle Partner*innen attraktiver zu wirken“, erklärt Sabine Prohaska, „dieses Verhalten kann als eine Form der umgekehrten Psychologie gesehen werden: Wenn man den Eindruck vermittelt, schwer zu bekommen zu sein, weckt man oft mehr Interesse. Einige Menschen, die zunächst wenig Interesse zeigen, fühlen sich plötzlich stärker hingezogen, wenn sie merken, dass man nicht sofort verfügbar ist.“

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Umgekehrte Psychologie kann besonders gut dann sinnvoll eingesetzt werden, wenn man die Reaktion der anderen Person gut einschätzen kann, etwa bei Kindern. „Wichtig ist, dass umgekehrte Psychologie keine langfristige Lösung ist – sie sollte mit Fingerspitzengefühl und in den richtigen Situationen eingesetzt werden. Denn unsere Mitmenschen merken schnell, wenn sie manipuliert werden. Dies kann das Vertrauen beeinträchtigen und die Beziehung schwächen“, warnt die Expertin.

Was ist die Reaktanztheorie?

Hinter der umgekehrten Psychologie steht tatsächlich ein gut erforschtes psychologisches Konzept: Die Reaktanztheorie. Sie geht auf den Psychologen Jack W. Brehm zurück, der das Konzept der Reaktanz 1966 erstmals grundlegend erforschte. Reaktanz entsteht immer dann, wenn Menschen sich in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt fühlen. „Wenn jemand das Gefühl hat, dass ihm eine Wahlmöglichkeit genommen wird, entsteht eine innere Spannung oder ein Widerstand“, beschreibt Sabine Prohaska das Phänomen.

Um die eigene Handlungsfreiheit wiederherzustellen, kann das eine Art Trotzreaktion auslösen, bei der Menschen genau das Gegenteil von dem tun, was ihnen vorgeschrieben wird. Ein typisches Beispiel: Steht in einem Haus auf nur einer Tür „Betreten verboten“, kann das bei Menschen den Wunsch wecken, herauszufinden, was sich genau hinter dieser Tür verbirgt, die sie andernfalls vielleicht gar nicht wahrgenommen hätten. „Es ist wichtig zu betonen, dass die Reaktanz besonders stark bei Menschen auftritt, die viel Wert auf Eigenständigkeit legen. Wenn jemand jedoch sehr harmoniebedürftig ist oder keine starke Neigung zur Rebellion hat, funktioniert umgekehrte Psychologie oft weniger gut“, erklärt Sabine Prohaska.

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In welchen Fällen funktioniert umgekehrte Psychologie nicht?

Das lässt sich auch auf die umgekehrte Psychologie übertragen. Sie funktioniert nicht bei allen Menschen gleich gut und vor allem dann nicht, wenn sie zu einfach zu durchschauen ist. Dann kann sie sogar kontraproduktiv sein. „Es gibt Situationen, in denen offene und direkte Kommunikation gefragt ist, zum Beispiel im Berufsleben oder in wichtigen zwischenmenschlichen Beziehungen. Umgekehrte Psychologie kann hier als unehrlich oder manipulativ wahrgenommen werden und das Gegenteil von dem bewirken, was du erreichen möchtest – nämlich Misstrauen und Ablehnung“, warnt Sabine Prohaska. Sie nennt mehrere Situationen, in denen umgekehrte Psychologie alles andere als angebracht ist:

  • Wenn jemand ohnehin schon ein geringes Selbstvertrauen hat, kann eine ironische oder herabsetzende Botschaft ihre Unsicherheiten eher verstärken als motivieren.
  • Wenn Menschen unter starkem Stress oder in einer Notsituation sind, brauchen sie oft eine klare, direkte Unterstützung, keine indirekten Botschaften.
  • Bei wichtigen Lebensentscheidungen, die viele Facetten haben, sind direkte Erklärungen und eine sachliche Abwägung hilfreicher als subtile Andeutungen.
  • Wenn das Vertrauensverhältnis fehlt. Umgekehrte Psychologie funktioniert am besten, wenn schon ein gewisser Grad an Vertrauen und Verständnis zwischen den Personen besteht. Sonst kann es als Manipulation wahrgenommen werden.

Wie kann man die Reaktanztheorie nutzen, um andere zu überzeugen?

Umgekehrte Psychologie ist jedoch nicht die einzige Möglichkeit, sich das Prinzip der Reaktanz zu Nutze zu machen, wenn man andere Menschen überzeugen möchte. Sabine Prohaska nennt weitere Optionen, die oft als weniger manipulativ wahrgenommen werden.

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Alternativen anbieten

„Statt direkt vorzuschreiben, was jemand tun soll, kannst du Alternativen anbieten, die Freiheit vermitteln“, erklärt die Expertin, „Ein Beispiel aus meiner Kindererziehung: Als meine Tochter mit fünf Jahren plötzlich nur noch Röcke tragen wollte, wurde das Anziehen morgens zum Drama. Dann wendete ich mein Wissen über die Reaktanztheorie an: „Willst du heute die blaue oder die grüne Hose anziehen?“ Durch die Wahlmöglichkeit fühlte sie sich in Kontrolle – und von da an lief das Anziehen ruhig ab, auch ohne Röcke.“

Freiraum betonen

„Anstatt Druck auszuüben, solltest du betonen, dass die Entscheidung ganz bei der anderen Person liegt“, erklärt Prohaska. Ein Beispiel: „Du musst natürlich selbst entscheiden, aber ich könnte mir vorstellen, dass du von dieser Option profitierst.“ Hier fühlt sich die Person in ihrer Freiheit bestätigt und ist offener für deine Argumente.

Keine konfrontativen Aussagen

Konfrontative Aussagen wie „Du solltest oder du musst das unbedingt tun“ erzeugen oft Widerstand. „Wenn du stattdessen andeutest, dass die Person möglicherweise eine andere Meinung haben könnte (‚Ich bin mir nicht sicher, ob das für dich interessant ist‘), gibst du Raum für Reaktanz – und die Person könnte das Gegenteil beweisen wollen“, rät Sabine Prohaska.

Fragen stellen

Anstatt eine Person vor vollendete Tatsachen zu stellen, kann es sinnvoll sein, sie mit in die Entscheidung einzubeziehen und dafür zu sorgen, dass sie selbst sich mit dem Thema beschäftigt. „Wecke das Interesse und die Neugierde der anderen Person, anstatt sie zu überzeugen. Stelle Fragen, die sie zum Nachdenken anregen“, rät die Expertin.

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Zum Schluss hat Sabine Prohaska noch einen wichtigen Rat, den du immer beachten solltest, wenn du versuchst, andere von etwas zu überzeugen: „Wichtig ist bei all dem, dass es ein respektvolles Eingehen auf den Wunsch nach Selbstbestimmung verstanden wird. Letztlich geht es darum, die Freiheit des anderen zu respektieren und gleichzeitig durch clevere Kommunikation Überzeugungsarbeit zu leisten.“

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