Die Erziehungsmethoden haben sich über die Jahre grundlegend gewandelt. Was früher für Eltern und Großeltern ganz normal war, würde heute oft auf scharfe Kritik stoßen. Ein Rückblick macht deutlich, wie stark sich unser Bild von Kindheit, Sicherheit und seelischem Wohlbefinden verändert hat.
#1
Körperliche Strafen als normale Disziplinarmaßnahme
Noch vor wenigen Jahrzehnten war es völlig normal, Kinder zu schlagen, wenn sie sich „daneben benommen“ hatten. Der Rohrstock in der Schule, die Ohrfeige zu Hause oder der berühmte Klaps auf den Po galten als legitime Erziehungsmittel. Viele Eltern und Lehrer*innen waren fest davon überzeugt, dass körperliche Strafen notwendig seien, um Respekt und Gehorsam zu lehren.
Heute wissen wir durch zahlreiche Studien, dass körperliche Gewalt das Vertrauen zwischen Eltern und Kindern zerstört und langfristige psychische Schäden verursachen kann. Seit dem Jahr 2000 haben Kinder in Deutschland das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung.
#2
Kinder schon mit wenigen Jahren allein zu Hause lassen
Es war früher ganz selbstverständlich, dass bereits Grundschulkinder nach der Schule allein zu Hause waren, sich selbst um Geschwister kümmerten oder stundenlang unbeaufsichtigt draußen spielten. Viele Eltern der 70er und 80er Jahre ließen ihre Kinder morgens raus und erwarteten sie erst zum Abendessen wieder.
Heute würde ein solches Verhalten schnell als Vernachlässigung gewertet werden. Unser Bewusstsein für Gefahren ist gestiegen, aber auch die rechtlichen Bestimmungen haben sich geändert. Zum Glück! Aufsichtspflichtverletzung kann heute rechtliche Konsequenzen haben.
#3
Rauchen in Anwesenheit von Kindern
Dass Eltern in der Wohnung, im Auto oder sogar im Kinderzimmer rauchten, war jahrzehntelang völlig normal. Restaurants hatten Raucher- und Nichtraucherbereiche, aber Kinder waren trotzdem dem Passivrauch ausgesetzt. Schwangere Frauen rauchten oft weiter, ohne sich über die Folgen für das ungeborene Kind bewusst zu sein.
Heute wissen wir, wie schädlich Passivrauch für Kinder ist und dass er das Risiko für Atemwegserkrankungen, Allergien und sogar den plötzlichen Kindstod erheblich erhöht. In vielen Bereichen ist das Rauchen in Anwesenheit von Kindern inzwischen gesetzlich verboten.
#4
Babys und Kleinkinder ohne Sicherheitsgurte im Auto
Noch in den 70er-Jahren war es völlig normal, dass Babys auf dem Schoß der Mutter mitfuhren oder Kleinkinder einfach hinten im Auto saßen – ohne jegliche Sicherung. Kindersitze gab es zwar schon, aber sie waren nicht verpflichtend und wurden oft als überflüssig betrachtet. „Früher ist auch nichts passiert“ war ein häufiges Argument.
Heute undenkbar: Kindersitze sind seit 1993 Pflicht, und die Sicherheitsstandards werden kontinuierlich verschärft. Wir wissen heute, dass ungesicherte Kinder bei Unfällen ein dramatisch höheres Verletzungsrisiko haben.
#5
Emotionale Bedürfnisse ignorieren
Wenn Kinder weinten, hörten sie oft Sätze wie „Stell dich nicht so an“, „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“ oder „Jungs weinen nicht“. Emotionale Bedürfnisse wurden häufig als Schwäche interpretiert, und Kinder sollten lernen, ihre Gefühle zu unterdrücken. Trost und emotionale Zuwendung galten teilweise als „Verwöhnung“, die das Kind weich und unselbstständig machen würde.
Die heutige Erziehung setzt dagegen auf emotionale Intelligenz: Wir ermutigen Kinder, ihre Gefühle auszudrücken, nehmen sie ernst und helfen dabei, Emotionen zu verstehen und zu regulieren.
10 Dinge, die alle Eltern kennen
Alle Eltern sind anders! Jede Mutter und jeder Vater ist anders! Und jedes Kind hat unterschiedlich stark ausgeprägte Bedürfnisse. Aber von bestimmten Dingen können einfach alle Eltern ein Lied singen.
#6
Medikamente und Alkohol als Beruhigungsmittel für Kinder
Unglaublich, aber wahr: Noch bis in die 80er-Jahre hinein gaben manche Eltern ihren Kindern Alkohol als „Beruhigungsmittel“. Etwa einen Löffel Schnaps bei Zahnschmerzen oder ein Glas Bier zum Einschlafen. Auch rezeptfreie Medikamente wurden oft großzügig und ohne ärztliche Beratung verabreicht. Hustensaft mit Codein für Kleinkinder oder Schlaftabletten bei unruhigen Nächten galten als praktische Lösungen.
Heute wissen wir um die Gefahren solcher Praktiken: Alkohol und nicht altersgerechte Medikamente können bei Kindern schwere gesundheitliche Schäden verursachen und sind absolut tabu.
#7
Kinder zum Essen zwingen
„Solange noch etwas auf dem Teller ist, stehst du nicht vom Tisch auf“ – dieser Satz war in vielen Familien Gesetz. Kinder mussten alles aufessen, auch wenn sie satt waren oder bestimmte Lebensmittel nicht mochten. Stundenlanges Sitzen vor dem kalten Essen oder Nachsitzen bis zum Abend waren keine Seltenheit. Manche Eltern drohten sogar damit, dass das Kind am nächsten Tag dasselbe Essen wieder vorgesetzt bekommt.
Heute wissen wir, dass solche Praktiken das natürliche Sättigungsgefühl von Kindern stören und zu problematischen Essverhalten führen können. Moderne Erziehung setzt darauf, Kindern zu vertrauen, dass sie selbst spüren, wann sie satt sind.
#8
Kinder öffentlich bloßstellen und demütigen
Früher war es üblich, Kinder vor anderen zu beschämen, wenn sie sich „schlecht benommen“ hatten. In der Schule mussten Kinder manchmal mit einem Schild um den Hals herumlaufen, auf dem ihre „Vergehen“ standen, oder sie wurden vor der ganzen Klasse vorgeführt. Auch zu Hause war es normal, Kinder vor Besuch oder anderen Familienmitgliedern zurechtzuweisen und ihre Fehler öffentlich zu thematisieren. „Schäm dich“ war ein häufig verwendeter Erziehungsspruch.
Heute verstehen wir, dass öffentliche Demütigung das Selbstwertgefühl von Kindern nachhaltig schädigt und ihre soziale Entwicklung beeinträchtigen kann.
#9
Babys schreien lassen
Der Mythos, dass Babys ruhig schreien dürfen, weil das „die Lungen stärkt“ oder sie dadurch lernen, selbstständig zu werden, hielt sich hartnäckig. Viele Eltern ließen ihre Babys bewusst weinen, ohne sie zu trösten, aus Angst, sie zu „verwöhnen“. Starre Fütterungs- und Schlafpläne waren wichtiger als die individuellen Bedürfnisse des Kindes.
Heute wissen wir aus der Bindungsforschung, wie wichtig es ist, auf die Signale von Babys einzugehen. Schreien ist ihre einzige Kommunikationsform, und promptes Reagieren stärkt das Urvertrauen und die emotionale Entwicklung.
#10
Geschlechterklischees als unumstößliche Regeln
„Jungs spielen nicht mit Puppen“ und „Mädchen sind zum Kochen da“ – solche Aussagen prägten die Erziehung vergangener Generationen stark. Mädchen bekamen automatisch rosa Kleidung und wurden zu Hausarbeit angeleitet, während Jungs blaue Sachen trugen und ermutigt wurden, stark und emotionslos zu sein. Abweichungen von diesen Normen wurden oft streng korrigiert oder sogar bestraft.
Heute fördern wir eine offene Erziehung, die Kindern erlaubt, ihre Interessen frei zu entdecken, unabhängig von traditionellen Geschlechterrollen. Wir erkennen, dass solche starren Klischees die Persönlichkeitsentwicklung einschränken können.
Die frühere Generation hat nicht böswillig gehandelt!
Der Wandel in der Erziehung zeigt vor allem eins: Wir lernen ständig dazu und entwickeln unser Verständnis für die Bedürfnisse von Kindern weiter. Gleichzeitig sollten wir nicht in Panik verfallen oder uns ständig selbst hinterfragen. Perfekte Eltern gibt es nicht, und jede Generation macht ihre eigenen Erfahrungen.
Wichtig ist, dass wir offen bleiben für neue Erkenntnisse, gleichzeitig aber auch Vertrauen in unser Bauchgefühl haben. Kinder brauchen vor allem eins: Liebe, Aufmerksamkeit und das Gefühl, angenommen zu werden – das war früher so und ist heute nicht anders.
Daran erkennst du, dass du eine ganz tolle Mama bist – auch wenn Andere das Gegenteil sagen!
Manchmal zweifelst du vielleicht an dir und fragst dich, ob du eine gute Mutter bist. Das ist völlig normal. Aber es gibt viele Zeichen, die zeigen: Du machst das großartig, auch wenn du es selbst nicht immer siehst.