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Wer verdient was?

Bringt Frauen das Lohntransparenz­gesetz etwas?

Lohntransparenzgesetz

Seit Anfang Januar ist das umstrittene Lohntransparenzgesetz in Kraft, das für eine gerechtere Entlohnung von Frauen sorgen soll. Von nun an ist es möglich, bei seinem Arbeitgeber zu erfragen, wie viel die männlichen Kollegen verdienen. Auf diese Weise sollen eventuelle Ungerechtigkeiten aufgedeckt werden. Doch werden Frauen wirklich vom Lohntransparenzgesetz profitieren und höhere Gehälter einfordern können?

Dann weiß ich bald, was mein Kollege verdient!?

Frauen sind in Deutschland in den meisten Bereichen gleichberechtigt. Eine Umfrage des Bundesministeriums hat jedoch ergeben, dass die unterschiedliche Bezahlung von Männern und Frauen für gleiche Tätigkeiten als größte Hürde zur wirklichen Gleichstellung angesehen wird. Das lang diskutierte Lohntransparenzgesetz soll dies nun ändern. Bisher konnten Frauen nämlich nur darüber spekulieren, ob ihre männlichen Kollegen wirklich mehr für vergleichbare Tätigkeiten verdienen.

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Das neue Gesetz erlaubt es Frauen (und übrigens auch Männern) ihren Arbeitgeber nach dem durchschnittlichen Bruttogehalt einer Vergleichsgruppe des anderen Geschlechts zu fragen. Konkret heißt das also: Ich kann nach wie vor meinen Chef nicht fragen, was Stefan oder Dennis, sondern in meinem Fall nur, was eine Gruppe männlicher Redakteure im Schnitt verdienen.

Bekomme ich dann mehr Gehalt?

Käme dann heraus, dass ich wesentlich schlechter bezahlt werde, würde ich mich vielleicht mit dieser Info bei der nächsten Gehaltsverhandlung nicht unter Wert verkaufen. Die Bundesfrauenministerin Katarina Barley weist im Tagespiegel außerdem auf das Gleichbehandlungsgesetz hin: „Weiß eine Frau sicher, dass sie im Vergleich zu einem Mann schlechter bezahlt wird, kann sie ihren Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche und gleichwertige Arbeit gerichtlich einklagen.“ Das bedeutet allerdings nicht automatisch, dass Frauen, die weniger verdienen, als ihre männlichen Kollegen automatisch mit mehr Gehalt rechnen können, da der Arbeitgeber nicht dazu verpflichtet ist.

Klingt in der Theorie super, aber...

Das Lohntransparenzgesetz klingt zunächst nach einem guten Weg, um unfaire Bezahlung aufzudecken. Die Realität sieht leider etwas komplizierter aus:

... das Gesetz greift nicht in jedem Betrieb.

Wenn du in einem Betrieb mit 50 Mitarbeitern arbeitest, wirst du leider nach wie vor nicht erfahren, was deine männlichen Kollegen verdienen. Das Lohntransparenzgesetz verpflichtet nämlich bisher nur Firmen mit über 200 Angestellten. Hinzu kommt, dass es mindestens sechs männliche Kollegen geben muss, die eine ähnliche Position haben wie du.

... es dauert!

Um die Auskunft zu erhalten, kannst du nicht mal eben deinen Chef in der Kaffeepause fragen. Stattdessen muss eine Anfrage in Brief- oder E-Mail-Form erfolgen, für die du am besten dieses offizielle Musterformular verwendest. Danach hat dein Arbeitgeber ganze drei Monate Zeit, um dir Auskunft zu erteilen. Wenn du diese Information also rechtzeitig vor einer Gehaltsverhandlung benötigst, solltest du nicht zu lange trödeln.

... Anonymität ist nicht immer gewährleistet.

Wenn du in einer Firma mit Betriebsrat arbeitest, hast du Glück: Dieser kann deine Anfrage anonym an die Personalabteilung weiterleiten. Dein Chef wird dann nicht erfahren, dass du ihm indirekt unterstellst, Frauen womöglich schlechter zu bezahlen. Gibt es jedoch keinen Betriebsrat, musst du dein Schreiben selbst bei deiner Personalabteilung einreichen und bleibst nicht anonym.

... viele Positionen sind schwer zu vergleichen.

Das Lohntransparenzgesetz ist noch jung und es wird sich erst zeigen, wie kooperativ Arbeitgeber sein werden. Eines der größten Probleme ist wohl, dass sich viele Positionen nicht eins zu eins vergleichen lassen und dein Chef dir die Information deswegen verweigern kann. Ich bin mir zum Beispiel nicht sicher, ob bei meinem Arbeitgeber mindestens sechs männliche Kollegen angestellt sind, die die exakt gleiche Berufsbezeichnung in ihrem Arbeitsvertrag haben.

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Glaubst du, du würdest nicht nur mehr Gehalt, sondern auch eine Führungsposition verdienen? Unser Test verrät dir, ob du das Zeug dazu hast:

Wärst du eine bessere Führungskraft als dein Chef oder deine Chefin?

Werden Frauen wirklich schlechter bezahlt?

Das Lohntransparenzgesetz ist nicht nur wegen der aufgeführten Hindernisse umstritten. Nicht jede Partei im deutschen Bundestag hält die Auskunftserteilung für sinnvoll. Während Die Linke kritisiert, dass das Gesetz zu kurz greift und auch Firmen mit weniger als 200 Mitarbeitern von sich aus Auskunft erteilen sollten, stellt sich die FDP komplett dagegen. Die Liberalen setzen sich zwar auch für die gleiche Entlohnung von Männern und Frauen bei gleicher Leistung ein, sehen aber keine Notwendigkeit zu handeln.

Die Linke verweist bei ihrer Argumentation auf den klassischen Gender Pay Gap, also einer Lohndifferenz, von derzeit 22 Prozent, die FDP hingegen auf den sogenannten bereinigten Gender Pay Gap. Zur Berechnung des bereinigten Gender Pay Gaps werden weitere Faktoren wie die Berufswahl oder Teilzeitbeschäftigung hinzugezogen. Das Statistische Bundesamt kommt dabei lediglich auf eine Lohndifferenz von 6 Prozent zwischen Männern und Frauen, das Institut für Deutsche Wirtschaft sogar nur auf 2 Prozent. Wie du siehst, ist die Sache mit der Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen doch etwas komplizierter, als sie eindeutig auf eine Prozentzahl herunterzubrechen. Da der Gender Pay Gap aber als Rechtfertigung für das Lohntransparenzgesetz aufgeführt wird, lohnt es sich, sich eingehender damit zu beschäftigen.

Ob schlechter bezahlt oder nicht, viele Frauen müssen sich im Berufsalltag viele dumme Sprüche von ihren Kollegen anhören:

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Nina Everwin

Warum ist Gehalt überhaupt ein Geheimnis?

Die Sache mit dem Gender Pay Gap ist wirklich eine Wissenschaft für sich, mit der ich mich selbst noch intensiver beschäftigen will, um mir eine endgültige Meinung zu bilden. Ich bin jedoch skeptisch, ob das Lohntransparenzgesetz wirklich unfaire Bezahlung aufdecken wird, da sich viele Positionen eben nur schwer vergleichen lassen und bestimmt immer Gründe für eine geringere Bezahlung genannt werden können.

Anstatt das Gesetz aber abzuschaffen, fände ich eine noch radikalere Lösung interessant: Legen wir doch einfach alle Gehälter offen! Genau das ist in Schweden möglich, wo man nicht nur erfahren kann, was die Kollegen verdienen, sondern auch jeder andere schwedische Bürger. Ich habe nie wirklich verstanden, warum man aus Gehalt ein Geheimnis machen muss. Wenn ich wissen wollte, was meine Kollegen verdienen, habe ich sie einfach persönlich gefragt und hatte selbst auch nie ein Problem damit offen zu sagen, was ich verdiene. Auf diese Weise könnte man sich bestimmt ein besseres Bild davon machen, ob tatsächliche Ungleichheiten vorliegen, als wenn nur kleine Vergleichsgruppen abgefragt werden würden.

Bist du neugierig darauf, zu erfahren, was deine männlichen Kollegen verdienen oder zweifelst du gar nicht daran, dass du fair bezahlt wirst? 

Nina Everwin
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Bildquelle: iStock/TarikVision