In gesunden Beziehungen teilen wir natürlich Freude, Sorgen und alle Emotionen dazwischen. Doch manchmal kann diese emotionale Verbindung kippen: Statt dass ihr euch gegenseitig stärkt, verstärkt ihr unbewusst negative Gefühle und Gedankenmuster – und genau dann wird die sogenannte emotionale Ansteckung zu einem Problem, das eure Beziehung und euer individuelles Wohlbefinden belastet.
Was ist emotionale Ansteckung?
Emotionale Ansteckung beschreibt ein Phänomen, das tief in unserer menschlichen Natur verankert ist: Unser Gehirn ist durch Spiegelneuronen darauf programmiert, die Emotionen anderer Menschen automatisch zu erfassen und zu imitieren. Der Prozess läuft größtenteils unbewusst ab: Schon durch minimale Gesichtsausdrücke, Körperhaltung oder Tonfall nehmen wir die Stimmung einer anderen Person wahr und beginnen, sie körperlich zu spiegeln.
Unser Gehirn interpretiert diese körperlichen Signale dann als eigene Emotion – und schon haben wir die Gefühle unseres Gegenübers „eingefangen“. In Partnerschaften ist dieser Effekt besonders stark, da wir emotional eng verbunden und aufeinander eingestimmt sind. Das Problem dabei: Emotionale Ansteckung kann Beziehungen bereichern, aber auch belasten. Diese Warnsignale zeigen dir, wann emotionale Ansteckung problematisch wird.
#1
Ihr verstärkt euch gegenseitig in schlechter Stimmung
Das deutlichste Warnsignal: Wenn einer von euch schlecht gelaunt ist, dauert es nur Minuten, bis auch der andere gereizt oder niedergeschlagen wird. Anstatt dass die entspanntere Person ausgleichend wirkt, rutscht ihr beide in die negative Stimmung ab. Aus einem schlechten Tag wird schnell ein schlechter Abend für beide – und manchmal sogar ein schlechtes Wochenende.
Diese emotionale Abwärtsspirale entsteht, weil ihr die Gefühle des anderen ungefiltert übernehmt, ohne euch davon abzugrenzen.
#2
Eure Stimmung ist komplett voneinander abhängig
Merkst du, dass dein Wohlbefinden fast ausschließlich davon abhängt, wie es deinem Partner bzw. deiner Partnerin geht? Wenn seine bzw. ihre Laune automatisch deine bestimmt und du dich nur gut fühlst, wenn es ihm bzw. ihr gut geht, ist das ein Zeichen für ungesunde emotionale Abhängigkeit.
Du verlierst dabei den Kontakt zu deinen eigenen Gefühlen und Bedürfnissen. Stattdessen wirst du zum emotionalen Barometer deines Gegenübers – das ist erschöpfend und auf Dauer ungesund für beide.
Wie die Wissenschaft Liebe erklärt
Die spannende Antwort findest du im Video.
#3
Konflikte eskalieren durch emotionale Übertragung
In Streitgesprächen wird emotionale Ansteckung besonders problematisch: Die Wut oder Frustration der einen Person springt sofort auf die andere über, wodurch sich Konflikte unnötig aufschaukeln. Statt sachlich zu diskutieren, verstärkt ihr euch gegenseitig in eurer Aufregung.
Was als kleines Problem beginnt, wird durch emotionale Ansteckung zu einem großen Drama. Ihr könnt euch nicht mehr gegenseitig beruhigen, sondern heizt die Situation immer weiter an.
#4
Stress wird zum Dauerzustand für beide
Wenn einer von euch beruflich oder privat unter Stress steht, leidet automatisch auch der andere mit – soweit normal. Problematisch wird es, wenn dieser Stress chronisch wird und ihr euch nicht mehr davon erholen könnt. Ihr verstärkt euch gegenseitig in Sorgen und Anspannung, ohne dass einer von euch als ruhender Pol fungiert.
Die Folge: Ihr seid beide dauerhaft angespannt, auch wenn der ursprüngliche Stressauslöser nur einen von euch betrifft.
#5
Ihr verliert eure individuelle emotionale Identität
Ein besonders subtiles, aber wichtiges Warnsignal: Ihr könnt eure eigenen Gefühle kaum noch von denen des Partners oder der Partnerin unterscheiden. Wenn du nicht mehr weißt, ob du traurig bist, weil dir etwas passiert ist, oder weil dein*e Partner*in traurig ist, ist die Grenze verschwommen. Diese „emotionale Verschmelzung“ mag romantisch klingen, ist aber ungesund – jeder Mensch braucht seine eigene emotionale Identität und die Fähigkeit, seine Gefühle zu regulieren.
Was tun, wenn die Anzeichen zutreffen?
Emotionale Ansteckung ist an sich nichts Schlechtes, denn sie ermöglicht Empathie und tiefe Verbundenheit. Problematisch wird es erst, wenn destruktive Muster entstehen und ihr euch gegenseitig emotional „herunterzieht“. Die gute Nachricht: Mit Bewusstsein für diese Anzeichen könnt ihr gegensteuern und wieder zu einer gesunden emotionalen Balance finden.
Macht euch bewusst, wann und wie ihr die Emotionen des anderen übernehmt und entwickelt Strategien für emotionale Selbstfürsorge: Lernt, eure eigenen Gefühle wahrzunehmen, bevor ihr die des anderen aufnehmt. Schafft bewusst Räume für emotionale Erholung – das kann ein kurzer Spaziergang allein sein oder zehn Minuten Meditation. Sprecht offen darüber, wenn ihr merkt, dass ihr euch gegenseitig emotional „ansteckt“.
Empathie bedeutet nicht, dass ihr die Gefühle des anderen eins zu eins übernehmen müsst. Ihr könnt verständnisvoll und unterstützend sein, ohne euch selbst emotional zu verlieren. Mit etwas Übung könnt ihr emotionale Ansteckung wieder als Bereicherung statt als Belastung erleben.