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Female Empowerment im Tanz

Breakerin Jilou im Interview: „Habt Gespräche, die euch selbst unangenehm sind“

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Sie ist jung, sie ist fit und sie will etwas verändern: Die 28-jährige Jilou zählt zu den besten Breakerinnen der Welt – und das in einer stark männerdominierten Szene. Doch nicht nur im Tanz setzt sich das erfolgreiche B-Girl für Female Empowerment ein. Wofür sie steht und wie auch wir im Alltag ohne viele Follower etwas bewegen können, hat sie uns im desired-Interview verraten. 

desired: Die Definition und auch das Ungleichgewicht der Geschlechterrollen stehen im Moment so stark in der Diskussion, wie vielleicht noch nie zuvor. Wie empfindest du die diesen möglichen Umbruch?

Jilou: Einerseits bin ich für alles, was gerade so passiert im Bereich Rassismus, Empowerment, LGTBQ – in allen Bereichen passiert ja gerade etwas. Ich bin immer für Veränderung. Ich finde es super, wenn sich Leute in eine Situation begeben, in der sie sich vorher vielleicht noch nicht befunden haben und so eine unkomfortable Situation erleben. Weil ich glaube, dass das eine Möglichkeit gibt zu wachsen und etwas ins Bessere umzuwandeln. Deswegen finde ich generell diesen Umbruch gerade sehr gut. Ich habe ein bisschen das Gefühl, dass manche das Ganze sehr persönlich nehmen wollen und es sich sehr zu Herzen nehmen. Und ich habe auch das Gefühl, dass viele darunter leiden, dass sehr viel Druck auf einem lastet.

Inwiefern kann dieser Umbruch Druck aufbauen?

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Man kann nur so viel zulassen, wie man auch lernen kann. Man kann nicht von jetzt auf gleich jedes Verhaltensmuster ändern, man muss ja erst mal sehen, dass es überhaupt Verhaltensmuster waren oder sind und eben kein bewusstes Verhalten. Es geht ja nicht darum, dass wir uns bewusst gegenseitig verletzen wollen, auch wenn es das natürlich auch gibt. Was aber viel wichtiger im Moment ist, sind die Mikro-Aggressionen und das ganze Unbewusste, das abläuft. Auf der einen Seite ist das alles sehr gut, was gerade passiert. Auf der anderen Seite muss man auf sich selbst aufpassen, und sagen: Okay, ich versuche es so gut es geht, mich an alles zu halten und mich zu bessern – aber ich bin auch nur ein Mensch und ich kann Fehler machen. Und wenn mich jemand auf meine Fehler aufmerksam macht, dann nehme ich das als etwas Gutes an.

Wenn du von unbewussten Verhaltensmustern sprichst, denkst du da an ein spezielles Geschlecht?

Ich spreche von beiden Geschlechtern. Nicht nur Männer wachsen im Patriarchat auf, sondern auch wir Frauen. Wir haben auch Verhaltensmuster, die dem Patriarchat helfen, und die das unterstützen. Und ich glaube, da müssen wir alle drauf achten, dass wir uns so verhalten, dass ein Gleichgewicht entstehen kann.

Auf deinem Blog schreibst du, dass es gerade unter Männern mehr unangenehmer Gespräche bedarf. Was genau meinst du damit?

Ich benutze mal sehr triggernde Wörter: Wenn der eine Mann zu seinem Kollegen geht und sagt: ‚Jo, ich habe diese Bitch flachgelegt usw.‘, dann sollte der andere Mann, sofern Mann A sich dessen noch nicht bewusst ist, hingehen und sagen: ‚Cool, dass du 'ne schöne Nacht hattest – aber so redet man nicht über Frauen.‘ Solche Kleinigkeiten können glaube ich ein gewisses Bewusstsein schaffen. Wie man über andere Menschen redet, das gibt eine gewisse Energie ab, auch auf einen selber. Denn Wörter sind mächtig.

Gerade die Breaking-Szene gilt als männerdominiert. Wie ist es für dich als Frau, sich dennoch zu beweisen?

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Genau, die Breaking-Szene ist super männerdominiert, ich würde fast sagen, auf zehn Männer kommt ungefähr eine Frau. Nur wenn es eine Kategorie gibt, die explizit nach Frauen fragt, dann ist der Anteil meistens etwas größer. Als Frau kommt man halt immer als Außenseiter in den Raum. Man ist immer die Person, auf die geguckt wird und die dann mit den anderen aus der gleichen Kategorie verglichen wird. Konkurrenz wird dann angefeuert, es wird gerne gesehen, dass sich Mädels nicht unbedingt gut miteinander verstehen – das ist irgendwie ein ganz komisches Gefühl. Manchmal ist es schwierig, sich unter Mädels zu connecten. Es kann im Wege stehen, dass wir beide Frauen sind, weil die Gesellschaft uns sagt, dass wir in Konkurrenz zueinanderstehen und nicht genug Platz für alle da ist. Und das gilt leider nicht nur für die Breaking-Szene, sondern auch für Frauen beispielsweise in Management-Etagen. Und das ist einfach super schwierig. Da sind wir wieder beim Thema: Es sind auch wir Frauen, die was ändern können. Wir stehen nicht in Konkurrenz zueinander, das ist ein ganz wichtiges Thema. Vielleicht stehen wir manchmal mit allen Menschen in Konkurrenz, aber wir stehen nicht als Frauen gegeneinander, ganz nach dem Motto „raise each other to rise together“.

Wenn eine Frau auf zehn Männer kommt, kann es ja durchaus vorkommen, dass du die einzige Frau auf einem Breaking-Event bist. Wie ist das dann für dich?

Als Teenager bin ich sehr naiv an die Sache rangegangen, da war mir das auch einfach ein bisschen egal. Heute muss ich sagen: Ich habe Freundschaften geschlossen, die über Geschlechterdefinitionen hinausgehen und deswegen ist es heute für mich in Ordnung, in einem Raum zu sein, in dem sehr viel Testosteron anwesend ist. Ich habe mich daran gewöhnt und habe gewisse Verteidigungsmechanismen aufgebaut. Und das ist ein Punkt, der vielen nicht bewusst ist: Wenn man als Frau einen Raum betritt, in dem nur Männer sind, dann hast du eben gewisse Verteidigungsmechanismen.

Wie sehen solche Verteidigungsmechanismen aus?

Du guckst direkt: Wie bin ich angezogen heute? Habe ich jemanden da, der mich beschützen kann? Ist mein Handy aufgeladen? Habe ich Geld dabei, um mir ein Taxi zu rufen? Das sind alles Kleinigkeiten, auf die wir achten müssen. Weil wir nicht darauf vertrauen können, dass irgendein Dude uns nach Hause fährt; Weil wir immer darauf gefasst sein müssen, dass jemand hinter uns steht und uns von hinten betrachtet. Allein, wenn ich mich aufwärme, und den Herabschauenden Hund mache, dann muss ich mir immer eine Ecke suchen, in der ich das eben machen kann. Inzwischen ist es mir zwar fast schon egal, was die anderen da denken, aber es ist schon so, dass dann da geredet wird und deswegen gibt es diese Mechanismen, die wir Frauen aufgebaut haben. Die aber anstrengend sind. Und ich weiß, dass ich diese Mechanismen in meinem Leben nicht mehr abbauen kann. Aber ich hoffe, dass die Generation, die nach mir kommt, davon profitieren kann, dass wir jetzt darüber reden.

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Um das zu erreichen, setzt du dich ja auch selbst zum Beispiel auf Instagram oder deinem Blog für Female Empowerment ein – wie kann man sich deiner Meinung nach auch ohne viele Follower im Alltag dafür stark machen?

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Ich glaube, was viele unterschätzen, sind die Gespräche mit deiner dir nächsten Person. Denn da kommen wir wieder zu den unkomfortablen Situationen. Habt einfach Gespräche, die euch selbst unangenehm sind und schaut, wie ihr damit umgeht. Wie reagiert ihr darauf? Manchmal ist es einfach schon wichtig zu schauen, wie sich ein Thema für einen anfühlt. Wenn ich eine weiße Person bin und ich höre jemanden, der auf der Straße ruft: ‚Black Lives Matter‘ – was löst das in mir aus? Ist das was, wo ich dahinterstehe, provoziert mich das? Also erst mal schauen, was das für ein Gefühl auslöst und dann kann man sich selbst fragen, wo dieses Gefühl herkommt. Und genau das ist der Punkt, wo wir alle ansetzen können.

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Vielen Dank für das inspirierende Interview, liebe Jilou!

Bildquelle: Little Shao / Red Bull Content Pool

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