Ich habe vor kurzem Traumforscher Michael Schredl zum Interview getroffen und mit ihm unter anderem über einen meiner schlimmsten Albträume gesprochen. Warum mich seine Deutung sauer macht und wir (Frauen) gleichzeitig trotzdem etwas Wichtiges daraus mitnehmen können, verrate ich dir jetzt.
Wenn du dich für Träume interessierst und regelmäßig unsere Artikel zu dem Thema im Auge hast, bist du ja vielleicht auch über meinen Beitrag gestoßen, in dem ich darüber berichtet habe, dass ich im Traum meinen Ex-Freund gekillt habe. Ja, klingt krass, allerdings hat mich meine damalige Analyse des Traumes ziemlich schnell wieder besänftigen können. Nach ausführlicher Recherche kam ich nämlich zu dem Schluss, dass mein Traum mir eigentlich nur sagen möchte, dass ich losgelassen und mit meinem ehemaligen Boyfriend abgeschlossen habe. Dass ich meinen Ex am Ende des Traumes wieder „zum Leben erweckt“ habe, war meiner damaligen Interpretation nach lediglich ein Zeichen dafür, dass ich mit meinem Loslassen-Prozess vielleicht doch noch nicht ganz so weit war, wie vielleicht angenommen.
Was es bedeutet, wenn man im Traum (fast) seinen Ex-Freund killt
Fehlanzeige, sage ich da nur! Als ich nämlich vor kurzem Traumforscher Michael Schredl zum Interview getroffen habe, musste ich ihn natürlich auch danach fragen, ob er meine Traumdeutung so unterschreiben würde. Seine Antwort? Nun ja, die fiel definitiv anders aus als erwartet. Nur in einer Sache waren wir uns quasi einig: Eine Psychopatin bin ich auf jeden Fall nicht! :-D Denn es ist ganz normal, dass Themen, die uns im Wachleben beschäftigen, in unseren Träumen völlig übertrieben dargestellt werden. Heißt: Nur, weil wir zum Beispiel von einem Mord träumen, bedeutet das nicht, dass wir auch in der Realität gerne jemanden umbringen wollen. Es ist vielmehr eine „emotionale Intensivierung des Themas“, wie mir der Experte und wissenschaftliche Leiter des Schlaflabors am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim erklärt.
Wenn wir das nun auf einen Mord im Traum übertragen, kann das also durchaus bedeuten, dass wir die betroffene Person losgelassen haben, um Platz für etwas Neues zu schaffen. Dann wäre meine Deutung theoretisch richtig. Doch jetzt kommt das Aber: „Die Frage ist natürlich, ob man mit dem Mord im Traum zufrieden war und sagt: ,Das war jetzt toll, jetzt bin ich ihn los‘, dann könnte man in die Richtung denken. Die meisten, die im Traum morden, haben dann aber doch irgendwelche Gewissensbisse. Dann passt das mit dem Loslassen nicht so ganz“, sagt Michael Schredl.
Und da mein Ex im Traum am Ende tatsächlich wieder quietschfidel war, scheint die Loslassen-Metapher wohl nicht ganz hinzuhauen. Aber was dann? Die Antwort des Traumforschers macht mich – wie schon angekündigt – tatsächlich traurig und wütend zugleich. Denn sie zeigt, dass wir Frauen offensichtlich so sehr verinnerlicht haben, dass wir unsere Wut lieber runterschlucken sollen, dass wir sie nicht mal in unseren Träumen richtig rauslassen. „Die schlimmste Sache, die man in Wut machen könnte, wäre, den anderen umzubringen. Das ist die Traum-Überspitzung“, erklärt mir der Traumforscher.
Weibliche Wut? Bitte nicht!
Nur habe ich diese Überspitzung in meinem Traum ja offensichtlich wieder zurückgenommen, womit laut des Experten letztendlich gesagt wird: „Wütend sein ist nicht erlaubt, weil das könnte ja so schlimme Folgen haben, wie etwas ganz Furchtbares zu tun. Aber die Grundidee ist natürlich: Wut ist ein ganz normales Gefühl. Man fragt sich nur, was macht man damit? Lässt man es raus oder nimmt man es nicht wahr? Das ist immer noch ein starker Geschlechtsunterschied. Bei Frauen ist Wut noch weniger akzeptiert als bei Männern“, so Michael Schredl weiter.
Und damit spricht er etwas an, das wohl kaum wahrer sein könnte. Denn auch heute wird weibliche Wut immer noch nicht gerne gesehen. Nein, Frauen sollen lieb und freundlich sein und nicht laut und aufbrausend. Ein Mann, der seine Wut zum Ausdruck bringt? Ein Zeichen von Stärke. Eine Frau, die wütend ist? Einfach nur hysterisch! Also wird die Wut eben runtergeschluckt ... Dabei gibt es aus weiblicher Sicht so viele Gründe, um wütend zu sein. I mean, das Patriarchat sorgt auch heute noch dafür, dass Frauen systematisch unterdrückt werden und wir nicht ansatzweise von Gleichberechtigung sprechen können. Also JA, wir SIND wütend – zeigen es aus besagten Gründen nur einfach viel weniger. „Bei Frauen gibt es tatsächlich, stärker ausgeprägt als bei Männern, das Gefühl: ,So richtig wütend darf man eigentlich nicht sein‘“, ergänzt auch Michael Schredl ganz richtig.
Dabei kann Wut sogar etwas verdammt Positives sein, das zeigen Studien immer wieder. Denn Wut ist eine Antriebskraft. Sie bringt Menschen dazu, aktiv zu werden und ins Handeln zu kommen, um Ziele zu erreichen. Wenn ich das nun auf mich und meine Ex-Situation übertrage, kann ich nur sagen: Ja, ich hätte meine Wut schon viel früher rauslassen sollen, um mich aus einer Beziehung zu „befreien“, die mich einfach nicht mehr glücklich gemacht hat. Und bitte versteh mich nicht falsch: Dieser Artikel soll in keiner Weise dazu dienen, meinen Ex-Freund an den Pranger zu stellen (wir sind total fein miteinander und können uns immer noch respektvoll begegnen), sondern vielmehr ein Reminder an uns Frauen sein, unsere Wut rauszulassen.
Denn ja, wir dürfen wütend sein, laut werden und für unsere Bedürfnisse einstehen. Das ist wichtig, um weiterzukommen. Natürlich bedeutet das nicht, dass wir alles kurz und klein schlagen oder unserem Ex wie ich im Traum auch in real life 'ne Tür vor den Kopf hauen sollen (Nein, das überlassen wir schön unseren Träumen!), sondern dass wir unsere Wut anerkennen und sie für uns nutzen. So wie Männer das auch machen.