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TikTok-Frage, die aufwühlt

Würdest du allein im Wald lieber einem Mann oder einem Bären begegnen?

Baer
© Getty Images/Alberto Gonzalez

Es ist eine rein hypothetische Frage, die auf den ersten Blick viel zu unrealistisch erscheint. Auf den zweiten zum Nachdenken anregt und auf den dritten wütend macht. Oder einen fast zum Heulen bringt. Die Frage, die an Frauen gerichtet ist, lautet: Würdest du, wenn du allein im Wald bist, lieber einem Mann oder einem Bären begegnen? Spoiler: Die Antwort der meisten Frauen könnt ihr euch jetzt wahrscheinlich schon denken …

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Ein Mann oder gefährliches, potenziell Menschen-tötendes Raubtier? Nun, für Frauen scheint die Antwort tatsächlich recht eindeutig. Statt auf ein menschliches Wesen würden sie, wären sie allein im Wald, lieber auf einen Bären treffen. Wie kommt es aber, dass genau diese absurde Frage auf Social Media gerade die Runde macht? (Vermutlich) wegen einer Straßenumfrage in London. So ganz lässt sich der Ursprung der Frage in der schnellen TikTok-Welt nicht mehr nachvollziehen, was der Debatte aber an dieser Stelle keinen Abbruch tut.

Im April postete der TikTok-Account „Screenshot HQ“ ein Video, in dem acht Frauen die „Man or Bear“-Frage gestellt wurde. Also: „Would you rather be stuck in a forest with a man or a bear?“ Manche Frauen zögerten kurz, mussten kichern, waren verwundert … Doch am Ende sagte nur eine einzige Frau „Mann“ – sieben Frauen antworteten: „Bär.“

Je öfter man sich das Video anschaut, desto mehr schaudert es einen. Denn auf die Frage, warum sie lieber einem Bären statt Mann begegnen würde, lauten die Antworten der befragten Frauen folgendermaßen:

„[Ein] Mann ist unheimlich.“

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„Bären greifen einen nicht immer an. Nur wenn man sie abf***t.“

„Kommt auf den Mann an. Aber wahrscheinlich einem Bären“.

„100-prozentig einem Bären – auch wenn es schlimm ist, das zu sagen.“

„Auf jeden Fall einem Bären, manche Männer da draußen sind echt angsteinflößend.“

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Was Bären mit Glaubwürdigkeit zu tun haben

Dass Frauen heutzutage eher darauf vertrauen, dass ein wilder Bär sie in Ruhe lässt, statt einem Mann allein über den Weg zu laufen, zeigt auf bedrückende Art und Weise, dass wir noch eine Heidenarbeit vor uns haben. Sie nimmt vielleicht auch ein wenig Hoffnung. Denn wieder einmal zeigen sich die Verhaltensmuster, die etliche Frauen von klein auf eintrichtert bekommen haben, nicht umsonst bestätigt. Geh nicht allein durch den Wald. Geh nicht allein im Dunkeln nach Hause. Behalte deinen Drink im Auge. Hast du Pfefferspray eingepackt? Etc. ... Denn wie tief die Angst bei manchen Frauen sitzt, macht die Frage bzw. die Antwort auf diese deutlich.

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Fast 17 Millionen mal wurde das Video bereits angeschaut. Über zwei Millionen Likes und über 70.000 Kommentare hat es – und eine Debatte entflammte. Viele Nutzerinnen reagierten auch mit eigenen TikToks auf die „Man or Bear“-Frage. Die Kommentare gingen teilweise noch ein Stück tiefer und drehten sich, mal subtil, mal ganz offensichtlich, um Schuldfragen, Glaubwürdigkeit und Grenzen, die vor allem während der Me Too-Debatte entflammten und zeigen, wie verquer die Lage oft ist. „Niemand würde danach fragen, welche Klamotten ich bei der Bär-Attacke anhatte.“ Oder: „Wenn mich ein Bär angegriffen hätte, würden die Leute mir wenigstens glauben“, lauten nur einige der Kommentare, die zum Nachdenken anregen.

Kommentare zeigen den Ernst der Lage

Frauen geht es also – mal wieder – darum, zu verdeutlichen, dass ihre Angst ernst genommen werden muss. Auch, wenn es einen solch doch eher unwahrscheinlichen Fall, wie die Begegnung mit einem Bären braucht, um zu zeigen, dass Ängste vor Männern und geschlechterspezifische Gewalt auch 2024 noch mehr als real sind. Allein im Wald sein hin oder her.  Die Kommentare der Männer, aber auch einiger Frauen, zeigen jedoch, wie weit wir teilweise von einer Welt ohne Angst weg sind. Ein Nutzer oder eine Nutzerin, die sich „The Bear“ nennt, versucht es noch mit Humor und schreibt: „Als Bär, der das hört ... Danke, meine Damen 🤍 Ich würde gerne bei euch bleiben.“ Fast 100.000 Likes. Doch es geht auch anders. So fragt ein Nutzer: „Ist das Satire oder Dummheit?“ Ein anderer Mann schreibt: „Meinen die das ernst?“ Ja, die meinen das leider mehr als ernst.

In Zahlen: Gewalt an Frauen in Deutschland

Statistiken belegen, wie häufig es zu Gewalt gegen Frauen kommt. 2022 haben in Deutschland 240.000 Menschen häusliche Gewalt erlitten, 8,5 Prozent mehr als im Jahr zuvor. 80,1 Prozent der Opfer von Partnerschaftsgewalt und 71,1 Prozent der Opfer häuslicher Gewalt insgesamt sind weiblich. „Das Ausmaß ist unerträglich“, sagt Bundesfamilienministerin Lisa Paus in einem Interview zu diesem Anstieg. Im vergangenen Jahr, 2023, wurden deutschlandweit Deutschland rund 12.200 Vergewaltigungen, sexuelle Nötigungen und sexuelle Übergriffe im besonders schweren Fall polizeilich erfasst. Bis April 2024 wurden bereits 94 Femizide dokumentiert. An dieser Stelle ist wichtig zu erwähnen, dass die meisten Übergriffe gegen Frauen im familiären Umfeld stattfinden. Dennoch auch zu erwähnen: Die Dunkelziffer der Übergriffe auf Frauen ist nicht berücksichtigt. Auch nicht die sexuellen Belästigungen wie Catcalling, die Frauen verunsichern, oder aber Angriffe auf beispielsweise Transpersonen, die sicherlich auch den Bären vorziehen würden.

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Die Moral von der Geschicht'? Sei ein Bär, kein Mann? Geh nicht allein in den Wald? Der Interpretationsraum ist eigentlich gar nicht so groß, was anhand dieser überspitzen Frage wieder einmal schmerzhaft bewusst wird. Die Angst von Frauen ist real und wird noch immer viel zu wenig ernst genommen. Und vor allem die Antwort „es kommt auf den Mann an …“ ist keine, die wir länger akzeptieren sollten.

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