Als Elternteil willst du immer nur das Beste für dein Kind. Du willst deinen Nachwuchs auf das Leben vorbereiten – mal streng, mal liebevoll. Doch vor allem in emotional aufgeladenen Situationen kann es passieren, dass du deine Worte nicht mehr so gut im Griff hast, wie du es vielleicht gerne hättest. Und genau in diesen Momenten rutschen dir vielleicht manchmal Sätze über die Lippen, die dein Kind nie vergessen wird.
Erziehung ist eine der herausforderndsten Aufgaben unseres Lebens. Zwischen Alltagsstress, eigenen Sorgen und den ständigen Bedürfnissen unserer Kinder verlieren wir manchmal die Geduld. Was in einem Moment der Überforderung gesagt wird, kann jedoch Jahre später noch in den Köpfen unserer Kinder nachhallen. Psycholog*innen wissen: Bestimmte Aussagen graben sich besonders tief ins Gedächtnis ein und können das Selbstbild eines Menschen ein Leben lang beeinflussen.
#1
„Du bist so anstrengend“
Wenn Kinder besonders lebhaft sind oder viele Fragen stellen, kann es passieren, dass Eltern ihre Erschöpfung ungefiltert ausdrücken. Doch das Gefühl auch wirklich verbal auszudrücken, bedeutet für ein Kind möglicherweise: „Ich bin eine Belastung für die Menschen, die ich am meisten liebe.“ Kinder verstehen nämlich noch nicht, dass Erwachsene auch mal überfordert sind und nehmen solche Aussagen sehr persönlich. Sie schließen daraus, dass sie grundsätzlich zu viel sind und einfach ein Störfaktor.
Mal ehrlich, jede Mutter und jeder Vater denkt sich doch aber irgendwann auch mal, dass das Kind gerade einfach spinnt und nervt. Statt allerdings genau das zu deinem Kind zu sagen, könntest du dich zum Beispiel so ausdrücken und durchatmen: „Ich brauche gerade eine kleine Pause, dann können wir wieder zusammen spielen.“
#2
„Deine Schwester/Dein Bruder kann das besser“
Vergleiche zwischen Geschwistern sind Gift für das Selbstbewusstsein. Jedes Kind entwickelt sich in seinem eigenen Tempo und hat individuelle Stärken, Vergleiche sorgen nur dafür, dass Kinder unsicher werden und an sich selbst zweifeln. Wer ständig mit Geschwistern verglichen wird, lernt: „Ich bin nicht gut genug, so wie ich bin.“ Diese Botschaft kann zu lebenslangen Selbstzweifeln führen und die Geschwisterbeziehung nachhaltig belasten. Ein Konkurrenzkampf ist häufig die Folge, der sich auch auf andere Beziehungen wie Freundschaften und Partnerschaften in der Zukunft auswirkt.
Konzentriere dich statt auf Vergleiche unter Geschwistern auf die individuellen Fortschritte deines Kindes: „Schau mal, wie viel besser du das schon kannst als letzten Monat!“ Betrachte dein Kind also einzeln. Natürlich kannst du darauf hinweisen, ob es nicht etwas wie sein Geschwisterchen machen möchte, stelle nur keine zu hohen Erwartungen und mach keine Vorwürfe, wenn es nicht klappt.
#3
„Wenn du nicht brav bist, habe ich dich nicht lieb“
Dieser Satz und ähnliche Sätze, die die Zuneigung von einem bestimmten Verhalten abhängig machen, nutzen das Grundbedürfnis des Kindes nach Liebe und Sicherheit als Druckmittel. Kinder können noch nicht zwischen bedingungsloser Liebe und situativem Ärger unterscheiden und denken, sie selbst sind nie genug. Sie lernen: „Ich muss perfekt sein, um geliebt zu werden.“ Das kann zu Menschen führen, die sich ein Leben lang übermäßig anpassen, ihre eigenen Bedürfnisse unterdrücken und unglücklich werden.
Besser als ein solcher Druckaufbau wäre zu sagen: „Dein Verhalten gefällt mir gerade nicht.“ Damit vermittelst du, dass auch du Grenzen hast und unzufrieden bist, ohne deinem Kind zu vermitteln, dass du es nicht liebst, wenn es nicht macht, was du von ihm oder ihr erwartest.
#4
„Du schaffst/kannst das sowieso nicht“
Ob beim Sport, in der Schule oder bei neuen Herausforderungen – wer von seinen Eltern keine Unterstützung, sondern Zweifel zu hören bekommt, verliert den Mut, Neues auszuprobieren und schafft es nicht, an sich zu glauben. Aus diesem Satz lernen Kinder möglicherweise: „Ich bin nicht fähig zu etwas.“ Selbst wenn der Satz natürlich gar nicht so gemeint war, kann er zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden. Kinder brauchen Menschen, die an sie glauben. Auch dann, wenn sie offensichtlich scheitern könnten.
Ermutige dein Kind stattdessen: „Das ist eine echte Herausforderung, aber ich glaube, du kannst das schaffen!“ Du könntest auch darauf verweisen, dass der Ehrgeiz deines Kindes toll ist und er oder sie nicht aufgeben soll.
#5
„Wegen dir ist bei uns alles so schwierig“
Besonders in Trennungssituationen oder bei familiären Problemen kann es passieren, dass Kinder als Sündenbock fungieren. Gar nicht, um sie absichtlich zu verletzen, aber weil insbesondere in solchen Situationen die Gefühle manchmal überkochen und Kinder immer mittendrin sind. Doch solche Sätze vermitteln leider sehr deutlich: „Ich bin schuld an den Problemen der Familie.“ Kinder übernehmen Verantwortung für Dinge, die weit außerhalb ihrer Kontrolle liegen. Sie werden gezwungen, weit über ihren Horizont hinaus zu denken und glauben, mit ihrem normalen Verhalten ein Problem zu sein, zu viel zu sein. Das kann zu übermäßigen Schuldgefühlen und dem Zwang führen, es immer allen recht machen zu wollen. Und das auf Kosten ihres eigenen Wohlbefindens.
Kinder verdienen ehrliche, altersgerechte Erklärungen statt Schuldzuweisungen. Und selbst wenn durch sie Situationen erschwert werden, sollten Kinder genau dieses Gefühl nicht vermittelt bekommen. Falls du in einer solchen Situation steckst, solltest du versuchen, dein Kind abzuschirmen und ihm oder ihr das Gefühl zu geben, dass ihr einander habt. Vermittle ein Gefühl von Sicherheit, so könnt ihr beide einander guttun.
#6
„Aus dir wird nie etwas Gescheites werden“
Diese vernichtende Aussage kann die gesamte Zukunftsperspektive eines Kindes verdunkeln und im schlimmsten Fall irgendwann zu einer richtigen Sinneskrise führen. Wer so etwas von seinen Eltern zu hören bekommt, den Menschen, die den Grundstein für Selbstvertrauen legen, entwickelt oft eine negative Grundhaltung sich selbst gegenüber: „Ich bin zu nichts zu gebrauchen.“ Selbst wenn das Kind später erfolgreich wird, können solche Sätze als innere kritische Stimme zurückkehren und manchmal dazu führen, dass dein Kind denkt, ohne Arbeit sei es nichts wert.
Jedes Kind hat großes Potenzial und es liegt an uns Erwachsenen, dieses zu erkennen und zu fördern, statt es durch unbedachte Worte zu zerstören. Und selbst wenn dein Kind keine herausragenden Fähigkeiten zu haben scheint, kannst es in seinen Interessen unterstützen. Auch wer in vielen Dingen gut, aber nicht herausragen ist, kann durch breitgefächertes Wissen und breitgefächerte Fähigkeiten zu großem Erfolg gelangen.
Keine Eltern sind perfekt!
Niemand ist als Elternteil perfekt, und jede*r von uns hat schon mal etwas gesagt, was besser ungesagt geblieben wäre und das ist mehr als menschlich. Das Wichtigste ist eigentlich viel mehr Selbstreflexion und das Bewusstsein dafür, welche Macht unsere Worte haben können. Wenn dir ein verletzender Satz herausgerutscht ist, scheue dich nicht, dich bei deinem Kind zu entschuldigen. Erkläre, dass du gestresst warst und es nicht so gemeint hast. Auch damit gibst du ihm oder ihr wichtige Werte für die Zukunft mit.
Kinder sind erstaunlich vergebend, wenn sie spüren, dass ihre Gefühle ernst genommen werden. Gleichzeitig ist es wichtig, an der eigenen Stressresistenz zu arbeiten. Vor allem durch Pausen, Unterstützung oder professionelle Hilfe, wenn nötig. Denn am Ende des Tages wollen wir alle, dass unsere Kinder mit dem Gefühl aufwachsen: „Ich bin wertvoll, geliebt und fähig, meine Träume zu verwirklichen.“
Verletzt du deine Eltern unbewusst?
Auch Kinder können ihre Eltern verletzen, selbst dann, wenn sie schon erwachsen sind. Finde heraus, was du vielleicht in Zukunft anders machen könntest.