Hand aufs Herz: Sprichst du mit deinen Freund*innen über deine Beziehungsprobleme? Und hast du dich schon mal gefragt, ob das eigentlich in Ordnung ist? Oder ob man damit vielleicht die Privatsphäre seines Partners oder seiner Partnerin verletzt? Falls ja – hier kommt die Antwort. Wir haben nämlich bei einer Psychologin nachgefragt …
Ich gehöre definitiv zur Fraktion „Mit Freund*innen über Beziehungsprobleme sprechen“. Meine engsten Freundinnen kennen mich ziemlich lange und ziemlich gut und ich lege viel Wert auf ihre Meinung und ihre Perspektive, wenn ich selbst vielleicht mal keinen Durchblick habe. Das war schon immer so und ich habe es nie hinterfragt – bis ich in einer Umfrage von ElitePartner über verletzendes Verhalten in Beziehungen folgendes gelesen habe: 62 Prozent (von 4.043 Befragten) finden es verletzend, wenn der Partner oder die Partnerin Intimitäten und Konflikte mit anderen bespricht.
Ups. Hab ich da etwa die ganze Zeit etwas als okay angesehen, das überhaupt nicht okay ist? Klar, die „anderen“ sind hier nicht klar als enge Freund*innen definiert und die Befragten könnten zum Beispiel auch an Arbeitskolleg*innen gedacht haben. Trotzdem wollte ich der Frage auf den Grund gehen und habe bei Lisa Fischbach, Diplom-Psychologin, Paarberaterin und ElitePartner-Expertin, nachgehakt.
Darf man mit Freund*innen über Beziehungsprobleme reden?
Lisa Fischbach hat eine deutliche Meinung, wenn es um die Wichtigkeit von Freundschaften geht: „Ich finde es sehr wichtig, dass man Freundschaften pflegt, auch in langjährigen Beziehungen, weil das immer etwas Entlastendes hat“, so die Psychologin. „Man sagt ja auch immer ‚Freunde bleiben, Partnerschaften können vergehen‘ – das ist jetzt ein bisschen sehr trivial, aber das ist so, auch wenn ich mir mein eigenes Leben angucke.“ Freundschaften zu pflegen und auch in Partnerschaften genügend Zeit für seine Freund*innen einzuräumen, ist also wichtig und richtig. Aber darf man mit ihnen wirklich über alles sprechen? Über die guten Dinge, aber auch über Beziehungsprobleme?
„Man kann sich auf jeden Fall einen Rat oder eine Einschätzung von außen holen – das ist ja eine Reflexion. Multiperspektivität ist immer super“, findet Lisa Fischbach. „Freund*innen sind oft gute Ratgeber*innen, weil sie es sich anhören und einem zwar zugewandt, aber auch neutral sind. Und das ist natürlich eine perfekte Beraterposition. Im besten Fall kennen die Freund*innen einen auch schon länger und wissen, wie man in Beziehungen ist. Und das ist sehr wertvoll.“
Es gibt allerdings eine Voraussetzung bei der ganzen Sache, wie die Psychologin deutlich macht: „Die wichtigen Themen müssen auch in der Beziehung besprochen werden. Es darf keine Spaltung geben, dass man Probleme nur mit Freund*innen klärt und der Partner oder die Partnerin davon nichts mitbekommt. Das wäre dann ein richtiges Ausschließen. Und das macht auch Angst – denn man weiß ja um die Macht der Freund*innen …“
Warum es verletzen kann, wenn man mit Freund*innen über die Beziehung spricht
Schaut man sich eine weitere Studie von ElitePartner an, die sich der Frage gewidmet hat, welchen Einfluss Freundschaften auf Beziehungen haben, wird eines sehr deutlich: 64 Prozent der 3.976 befragten Männer und Frauen sehen ihre*n Partner*in gleichzeitig auch als ihren besten Freund bzw. ihre beste Freundin. „Viele wollen der engste Vertraute sein, das ist eine wichtige Rolle in einer Beziehung“, erklärt Lisa Fischbach. „Wenn das Gefühl entsteht, dass der Partner oder die Partnerin mehr Vertrauen zu Freund*innen hat als zu einem selbst und die wirklich intimen und großen Themen im Außen geklärt werden, hat das etwas Kränkendes.“
Laut der Psychologin können auch Scham und die Sorge um das eigene Image eine Rolle spielen. Immerhin weiß man nie genau, was der Partner oder die Partnerin den Freund*innen alles erzählt und vor allem nicht, wie man selbst dabei wegkommt. Und man bekommt natürlich auch nicht die Möglichkeit, seine eigene Perspektive zu erklären.
„Deshalb fühlt man sich engen Freundschaften manchmal so ausgeliefert: Es ist ein Kontrollverlust. Eine Beratung, zu der man selbst gar nichts sagen, sondern die man nur aushalten kann“, sagt Lisa Fischbach und vergleicht das Ganze mit einer anderen Situation, die sie aus ihrem Arbeitsalltag kennt: „Es ist nicht selten, dass ein*e Partner*in auf den Therapeuten oder die Therapeutin des anderen eifersüchtig wird. Eine gute therapeutische Beziehung wird von viel Offenheit und Vertrauen geprägt. So ahnt man, dass dort Emotionen und intime Einblicke gewährt werden, die man als Partner*in vielleicht nie zu hören oder zu sehen bekommt. Das kann sehr fordernd sein. Die Person in Therapie oder Beratung entscheidet selbstverständlich darüber, was sie teilen möchte und was nicht, dennoch sollte sie zu starke Ausgrenzung vermeiden und für eine gute Verbindung zum Partner oder zur Partnerin sorgen.“
Heißt: Gemeinsam darüber reden. Verstehen, warum der Partner oder die Partnerin es als verletzend empfindet, wenn mit Freund*innen gesprochen wird. Für Transparenz sorgen. Deutlich machen, dass es nicht darum geht, den Partner oder die Partnerin schlecht dastehen zu lassen, sondern um Reflexion – auch der eigenen Handlungen und Reaktionen. Darauf achten und versichern, dass die wichtigsten Beziehungsthemen immer gemeinsam besprochen werden. Und darüber reden, wo mögliche Grenzen liegen – denn immerhin geht es auch um die Wahrung der Privatsphäre.
Was darf man erzählen – und was nicht?
Eine Partnerschaft bedeutet auch emotionale Intimität und ist „im besten Fall ein besonderer Schutzraum, in dem man miteinander die Momente von Schwäche und Nacktheit teilt“, wie Lisa Fischbach es treffend beschreibt. Und diesen Schutzraum gilt es natürlich einzuhalten. Genau deshalb sollten Paare laut der Psychologin über Grenzen sprechen. Wenn es diskrete Punkte oder Paar-Geheimnisse gibt, die an niemandem weitergetragen werden sollen, dann muss diese Privatsphäre respektiert und gewahrt werden.
„Wenn dieser Ausschlusskreis aber riesig ist und man das Gefühl hat, eine Person möchte, dass man gar nichts erzählt – wie eine geschlossene Blase – dann ist das natürlich eine zu große Einschränkung“, sagt Lisa Fischbach. „Das ist wie bei Eifersucht, wenn jemand sagt, ‚Ich möchte nicht mehr, dass du nach 21 Uhr aus dem Haus gehst‘ – das sind Dinge, die zu weit gehen. Da sollte man auch ganz klar sagen, dass man damit nicht einverstanden ist und das nicht versprechen kann, weil die Freund*innen ein wichtiger Bestandteil des Lebens und der Wohlfühlsituation sind.“ Immerhin geht es bei Beziehungsbedürfnissen nicht nur um den Partner oder die Partnerin, sondern auch um einen selbst, um das eigene Wohlbefinden und die eigene Gefühlswelt. Und sich Rat von Freund*innen zu holen, wenn es einem nicht gut geht, ist vollkommen legitim.