Wenn sich unser Beziehungsstatus ändert und wir nicht länger Single, sondern in einer festen Partnerschaft sind, verändert sich auch unser Alltag. Aus einem „Ich“ wird ein „Wir“ und aus den Abenden, die wir sonst vielleicht allein zu Hause verbracht haben, wird gemeinsame Quality Time. Doch was, wenn der Partner oder die Partnerin plötzlich äußert, dass er bzw. sie Zeit für sich braucht? Ist das dann ein schlechtes Zeichen für die Beziehung? Die kurze Antwort: Nein, definitiv nicht. Warum es sogar ein gutes Zeichen sein kann, hat uns eine Psychologin verraten.
„Zeit für sich“ – was bedeutet das eigentlich? Dahinter kann vieles stecken: Zum Beispiel der Wunsch, Zeit mit Freund*innen zu verbringen (das sollte übrigens auch in einer festen Beziehung nicht zu kurz kommen), sich einem Hobby widmen zu wollen oder das Bedürfnis, einfach mal einen Abend mit niemandem sprechen und interagieren zu müssen (was übrigens vollkommen normal ist, vor allem bei introvertierten oder hochsensiblen Menschen).
Völlig egal, was es am Ende ist: All diese Wünsche und Bedürfnisse haben auch in einer festen Beziehung ihre Berechtigung. Denn eine Partnerschaft bedeutet zwar, dass zwei Menschen sich zu einem Team zusammenschließen, es ändert aber nichts daran, dass sie weiterhin zwei Individuen sind, die auch unabhängig voneinander ihr Leben leben. Trotzdem löst der Wunsch nach dieser „Zeit für sich“ oft ein Gefühl der Zurückweisung aus. Vor allem bei jüngeren Menschen, wie eine aktuelle Studie von ElitePartner zeigt: Von den Befragten unter 30 Jahren fühlt sich etwa jede*r Vierte zurückgewiesen, wenn der Partner oder die Partnerin etwas für sich machen will. Zum Vergleich: Bei den Ü60-Jährigen sind es nur noch 5 Prozent. Doch warum ist das so?
Warum vor allem Jüngere „Zeit für sich“ als Zurückweisung empfinden
„Dieses Gefühl der Zurückweisung zeigt, wie eng emotionale Bindung und das Bedürfnis nach Nähe miteinander verbunden sind“, sagt Lisa Fischbach, Diplom-Psychologin, Paarberaterin und ElitePartner-Expertin. „Wenn jemand Dinge für sich tut, kann das bei manchen – insbesondere bei jüngeren Menschen, die noch unsicher in Bezug auf ihre Bindung in der Beziehung sind – den Eindruck erwecken, nicht mehr genug geliebt zu werden. Es ist eine Art Verlustangst, die sich in der Erwartung manifestiert, dass Nähe nur durch ständiges Zusammensein oder gemeinsame Aktivitäten aufrechterhalten werden kann.“
Diese Erwartung sei allerdings ein Trugschluss und könne sogar auf negative Dynamiken in einer Partnerschaft hinweisen, wie die Psychologin erklärt: „Wenn Partner*innen so fühlen und sich nur sicher fühlen, wenn sie ständig zusammen sind, ist das oft ein Zeichen für eine unsichere Beziehungsbasis und fehlendes Vertrauen.“
Zeit für sich ist total wertvoll für eine Beziehung
Diese Dynamik zeigt laut Lisa Fischbach, wie wichtig individuelle Freiräume in einer Beziehung sind. „Eine gesunde Beziehung braucht Raum für Individualität, damit beide Partner*innen sich frei entfalten können, ohne Angst vor Zurückweisung zu haben“, sagt die Psychologin. „Es ist wichtig zu verstehen, dass das Bedürfnis nach eigenen Aktivitäten kein Zeichen von Desinteresse ist, sondern vielmehr ein Ausdruck von Selbstfürsorge und Unabhängigkeit.“
Beides braucht es, um eine langfristig glückliche Partnerschaft zu führen. Denn nur wenn es beiden Partner*innen gut geht, wenn beide das Gefühl haben, gehört und gesehen und in all ihren Gefühlen und Bedürfnissen ernst genommen zu werden, kann eine Beziehung sich gesund entwickeln und auf Dauer Bestand haben.
Wie reagieren, wenn der Partner Zeit für sich braucht?
Wie schafft man es also, mit dem Gefühl der Zurückweisung umzugehen, wenn der Partner oder die Partnerin Zeit für sich einfordert? Das Wichtigste laut Expertin: Nicht mit gekränkter Wut oder Vorwürfen reagieren. Stattdessen solltest du im ersten Schritt einen Blick in dein Inneres werfen. Wie Lisa Fischbach betont, habe das Gefühl der Zurückweisung nämlich oft mehr mit den eigenen Unsicherheiten oder Ängsten zu tun, als mit dem vermeintlich egoistischen Verhalten des Partners oder deiner Partnerin.
„Offene Kommunikation ist hier besonders ratsam: Beide sollten ihre Gefühle ehrlich ausdrücken, ohne Kritik am anderen zu äußern oder verändertes Verhalten einzufordern“, so die Psychologin. „Vielmehr geht es um das Verstehen, welche Bedürfnisse nicht erfüllt oder verletzt werden. Solche Gespräche fördern neue Einblicke in das Innenleben des anderen und schaffen so eine Basis für gemeinsame Lösungen.“ Apropos: Warum es uns so schwerfällt, in Beziehungen über Bedürfnisse zu sprechen und wie wir das ändern können, hat Lisa Fischbach uns hier verraten …