Kennst du Menschen, die einem ständig unangenehme Fragen stellen, obwohl die Antwort eigentlich völlig offensichtlich ist? „Du, das ist mir jetzt schon öfter aufgefallen, du hast da irgendwie so eine graue Strähne in den Haaren – kann das sein?“ Was, echt? Mensch, das ist mir ja selbst noch gar nicht aufgefallen (Ironie off) ... Oder in meinem Fall: „Sag mal, was hast du da eigentlich auf der Stirn?“ Wieso ich wegen dieser Frage im letzten Jahr sogar zum Beauty-Doc gerannt bin und wie ich heute darüber denke, erfährst du hier.
Deshalb fand ich mich plötzlich nicht mehr schön
Seit ich ungefähr elf oder zwölf war, hatte ich drei Muttermale mitten auf der Stirn, die in einem perfekten Dreieck angeordnet waren, was eigentlich ziemlich besonders ist und definitiv nicht jede*r hat. Und damals hat mich dieses Merkmal an mir auch überhaupt nicht gestört – ich würde fast sagen, ich selbst habe es überhaupt nicht wahrgenommen. Andere aber scheinbar schon ... Und je älter ich wurde, desto öfter wurde ich von den verschiedensten Menschen auf diese Muttermale angesprochen: „Was ist das eigentlich auf deiner Stirn?“, „Bist du sicher, dass das keine Pickel sind? Vielleicht musst du sie einfach mal richtig ausdrücken“, „Bermudadreieck“, „Das ist ja ein richtiges Dreieck“ – die Liste ist lang.
Ich glaube nicht, dass die Menschen, die das gesagt haben, eine böse Absicht hatten, trotzdem haben mich diese Fragen und Kommentare genervt, denn eigentlich war es doch völlig offensichtlich, was das auf meiner Stirn war – was sollte es denn sonst sein?! Leider war ich aber nicht nur genervt, sondern irgendwann auch wirklich verunsichert: Wieso fühlen sich die Menschen von etwas in meinem Gesicht so gestört, dass sie mich ständig darauf ansprechen müssen? Sieht das wirklich so abnormal aus, dass man nachfragen muss, was genau das ist? Bin ich deswegen weniger schön?
Und Letzteres habe ich irgendwann dann auch tatsächlich gefühlt ... Ich habe angefangen, meine Muttermale selbst hässlich zu finden. Wenn ich in den Spiegel geschaut habe, konnte ich irgendwann nichts anderes mehr sehen. Meine Stirn, die mir früher so egal war, rückte immer mehr in den Fokus. Ich schnitt mir einen Pony, um die Muttermale zu verdecken und fühlte mich dann noch schlechter, wenn ich sie abends beim Abschminken doch wieder im Spiegel sah. Und immer dachte ich: Wenn diese Muttermale nicht wären, wäre ich so viel hübscher.
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Neugierig? Sendepause!
Und weil ich mich einfach nicht mehr schön gefühlt habe, entschloss ich mich irgendwann die Muttermale entfernen zu lassen. Ich bin also zum Dermatologen meines Vertrauens gegangen, habe die Muttermale lasern lassen, habe für diese 2-minütige Behandlung auch einen ordentlichen Batzen Geld gezahlt, denn medizinisch war dieser Eingriff ja absolut nicht notwendig – und jetzt?
Bin ich tatsächlich glücklicher als vorher. Wenn ich mich im Spiegel oder auf Bildern sehe, bleibt mein Blick nicht direkt an meiner Stirn hängen und auch die nervigen Fragen bleiben mir ab sofort erspart. Und trotzdem frage ich mich: Wäre ich diesen Schritt auch gegangen, wenn nicht ständig jemand dieses Merkmal kommentiert hätte? Hätte ich mich selbst überhaupt daran gestört, wenn ich nicht immer wieder das Gefühl bekommen hätte, dass diese Muttermale nicht schön sind? Wahrscheinlich nicht ...
Natürlich kann man jetzt sagen, dass ich an meinem Selbstbewusstsein hätte arbeiten müssen und die Schuld dafür, dass ich mich irgendwann nicht mehr hübsch gefühlt habe, allein bei mir liegt, denn die Kommentare hätte ich mir ja nicht zu Herzen nehmen müssen. So funktioniert das aber leider nicht ... Immer mal wieder habe ich auch so Dinge gehört wie: „Die Menschen sind eben neugierig und wenn man etwas wissen möchte, dann ist es doch vollkommen okay nachzufragen.“ Und ja, in gewissen Fällen stimmt das schon. Wer zum Beispiel im Matheunterricht sitzt und überhaupt nichts kapiert, sollte besser einmal nachfragen. Aber das gilt doch nicht für die Optik anderer!
Es ist nicht so, als wäre ich selbst noch nie neugierig gewesen, was zum Beispiel die Optik fremder Menschen betrifft – das war ich in der Vergangenheit und werde ich auch in Zukunft mit Sicherheit immer wieder sein. Aber trotzdem würde ich eine wildfremde Person, die zum Beispiel im Rollstuhl sitzt, doch niemals fragen: Sag mal, was ist dir eigentlich passiert? Das geht mich überhaupt nichts an, ist völlig übergriffig und für die andere Person in den meisten Fällen auch einfach total unangenehm und deshalb hat meine Neugier in solchen Situationen ganz einfach Sendepause und ich behalte meine Fragen ganz einfach für mich.
Die Kraft der Worte
Was viele Menschen nicht verstehen ist, dass sie kein Recht darauf haben, alles zu erfahren, nur weil sie das jetzt gerade wissen wollen. Natürlich könnte man gewisse Fragen auch einfach nicht beantworten – aber selbst, wenn ich den Leuten nicht gesagt hätte, was das auf meiner Stirn ist, hätte mich doch allein die Frage schon verunsichert und verletzt, weil diese suggeriert: Irgendwas stört mich an dir!
Was wir uns alle ein bisschen mehr zu Herzen nehmen sollten: Worte haben wirklich krasse Auswirkungen und können auch, wenn es überhaupt nicht böse gemeint war, wirklich viel anrichten. Und Neugier ist nicht die ultimative Rechtfertigung für taktloses Verhalten. Gewisse Dinge kann man sich einfach sparen, denn ganz ehrlich: Ich habe mich nach jedem Kommentar zu meiner Stirn scheiße gefühlt – umgekehrt hätte der oder die Fragensteller*in aber bestimmt keine schlaflosen Nächte verbracht, weil unklar war, was das denn jetzt auf meiner Stirn war, wieso ein Mensch so groß oder klein, so dick oder dünn ist, so schlechte Haut oder schon so früh graue Haare hat.
Natürlich bestätigen Ausnahmen die Regel und es gibt auch Menschen, die ein besonderes Merkmal haben, hinter dem eine krasse Geschichte steckt und die total gerne mit Fremden darüber reden. In der Regel tun diese Menschen das dann irgendwann, aber auch, ohne darauf angesprochen zu werden.
Ich hoffe sehr, dass all die Menschen, die sich so brennend für diese drei Muttermale auf meiner Stirn interessiert haben, mit dem Wissen, dass das doch tatsächlich Muttermale sind (Ne, echt? Mensch, das ist ja völlig überraschend!) nachdem ich ihnen diese Frage beantwortet habe, endlich wieder ruhig schlafen können und ihre Neugier beim nächsten Mal vielleicht wo anders als auf meiner Stirn ausleben! Ansonsten: Seid lieb zueinander und sprecht nicht alles aus, was euch in den Sinn kommt, denn gerade Kommentare zur Optik können echt verunsichern und bringen weder euch noch der anderen Person einen Mehrwert.