Wer über einen längeren Zeitraum Single ist, landet in der Regel irgendwann auf irgendeiner Dating-App. Klar, immerhin kann man heutzutage nirgends so schnell neue Leute kennenlernen wie online. Doch so einleuchtend die Vorteile von Online-Dating sein mögen, so tückisch sind auch die möglichen psychischen Nebenwirkungen ...
„Niemals werde ich mich auf einer Dating-App anmelden!“ – Davon war mein jüngeres Ich definitiv felsenfest überzeugt. Aber guess what? Irgendwann in den letzten Jahren ist es doch passiert. Denn nachdem meine wilde Studi-Zeit (in der ich gefühlt dreimal die Woche in irgendeinem Club gelandet bin) vorbei war und ich mich nach meinem Umzug in eine neue Stadt nicht unbedingt darauf verlassen wollte, dass mein Traummann und ich im Supermarkt gleichzeitig zur Toast-Packung greifen, mussten eben neue Register gezogen werden. Und ja, das Ergebnis waren definitiv ein paar witzige Dates und ein kleiner Push für mein Ego. Mehr aber auch nicht. Denn auch wenn ich definitiv glaube, dass es möglich ist, online sein Match fürs Leben zu finden (das zeigen auch Studien immer wieder), musste ich für mich doch ziemlich schnell feststellen, dass das ganze Geswipe nichts für mich ist.
Die negativen Seiten von Online-Dating
Denn seien wir mal ehrlich: Irgendwie ist Online-Dating am Ende doch auch nichts anderes, als würde ich online ein neues Kleid bestellen. Die Auswahl ist riesig, ein Dress sieht besser aus als das andere, also probier ich mich einfach mal ein bisschen durch und schicke die Modelle (kommentarlos) zurück, die irgendwie nicht passen ... oder mir zu langweilig sind. Und genau so ist es doch oft auch mit dem Online-Dating. Niemand will sich mehr richtig festlegen. Alles bleibt irgendwie oberflächlich. Da kann ja noch was Besseres kommen. Also wird wie wild weitergeswipt und dabei auch gerne mal vergessen, klar zu kommunizieren, wenn das Interesse verflogen ist (Stichwort: Ghosting!).
Die Soziologin Andia Bothe, sagt gegenüber dem Vergleichsportal DatingXperten, dass viele Singles eigentlich auch gar nicht wirklich nach Kompatibilität suchen würden, „sondern dem besten Partner für sich. Das Prinzip der Gesundheit (etwas ist gut) ist dem Prinzip der Fitness (es geht noch besser) ein Stück weit gewichen (...).“ Logisch, dass dieser ganze Ablauf Druck aufbaut und man irgendwie versucht, zwischen all den Personen im Online-Dating-Pool eben nicht diejenige zu sein, die untergeht aka abserviert wird. Und das geht natürlich auf die Psyche! Wie genau? Das erfährst du jetzt!
Objektifizierung, Selbstzweifel, Dating-Burnout
Lass mich mit dem Offensichtlichen starten. Denn wenn Online-Dating eines ist, dann oberflächlich. Jep, wir entscheiden schließlich in ein paar Sekunden und anhand ein paar (natürlich von jedem bewusst ausgewählter) Fotos, ob wir nach links oder rechts swipen. Detaillierte Infos in der Bio schauen sich die wenigsten an ... (Ja, sei ehrlich!) Doch das Schlimme daran ist ja, dass das bei uns dazu führt, dass wir uns wie „Objekte“ fühlen (wie meine Kleid-Metapher ja bereits ganz schön gezeigt hat). „In der Psychologie wird hier von Objektifizierung und Selbstobjektifizierung gesprochen. Studien zeigen, dass dies zu Unsicherheit, Körperbildproblemen und Selbstzweifeln führen kann“, erklärt der Psychologe und Dating Coach Guido F. Gebauer gegenüber dem Vergleichsportal (das übrigens mehrere Expert*innen-Stimmen zu dem Thema zusammengetragen hat).
Die Konsequenz: Stress! Stress, sich online selbst ständig von der aller tollsten Schokoladenseite präsentieren zu müssen, um neben der „unsichtbaren und oft idealisierten Konkurrenz“ auf Dating-Apps mithalten zu können, wie sich die Psychologin Johanna L. Degen dieses Phänomen erklärt. Und Stress, so einem Bild dann auch noch offline standhalten zu müssen, wenn es irgendwann mal zu einem Treffen kommen sollte. Kein Wunder, dass Selbstzweifel dadurch immer größer und alle nur noch kritischer mit sich selbst werden. „Das Gefühl, niemand passe wirklich, nimmt zu“, so Gebauer.
Doch damit hat es sich noch nicht. Denn das viele Swipen und die teilweise vielen Matches können auch auf anderer Ebene zu Überforderung führen. Laut Johanna L. Degen bekommen viele Nutzer*innen nämlich ein schlechtes Gewissen, „wenn sie Chatanfragen nicht oder nur standardisiert, nebenbei, verkürzt oder verzögert antworten oder Matches wieder auflösen“, wie DatingXperten zitiert. Das wiederum führe dazu, dass sie ihr Verhalten nicht mehr mit ihrem antizipierten Selbstbild zusammenbringen können. Vereinfacht gesagt: Diese Personen wollen es eigentlich allen recht machen, schaffen es aber nicht, ihr Swipeverhalten mit diesem Anspruch zusammenzubringen. Also ghosten sie zum Beispiel oder lösen Matches auf, obwohl das sonst vielleicht nicht unbedingt ihrem sozialen Verhalten entspricht.
Auch das ist Stress für die Psyche und führt – gesammelt mit den anderen bereits erwähnten Punkten – dazu, dass immer mehr Menschen einen Dating-Burnout verspüren. Also pure Erschöpfung vom ständigen Swipen.
Ob Online-Dating uns negativ beeinflusst, hängt von unserer „inneren Stabilität“ ab
An dieser Stelle ist jedoch noch wichtig zu erwähnen, dass Dating-Apps natürlich nicht jeden Menschen negativ beeinflussen. Die Psychologin Stella Schultner formuliert es gegenüber dem Vergleichsportal ganz passend: „Ob und wie uns Dating-Apps psychisch beeinflussen, hängt sehr stark von unserer inneren Stabilität, unserem Selbstwertgefühl und unserer Resilienz ab. Wenn wir uns selbst gerade nicht sicher fühlen, kann es sehr schmerzhaft sein, das Gefühl zu haben, bewertet zu werden und nicht zu genügen.“
Andersrum können Dating-Apps aber natürlich auch dafür sorgen, dass man einen regelrechten Ego-Push verspürt. Ich muss da sofort an eine meiner besten Freundinnen denken, die sich aktuell – und nach einer wirklich schlimmen Trennung – wieder fleißig durch die Dating-Apps wischt und seitdem wie ein neuer Mensch wirkt. Ein Mensch, der endlich wieder lebt – und sich selbst an erste Stelle setzt. Auch Stella Schultner betont die Vorteile von Online-Dating: „Man kann durch schöne Begegnungen neue, positive Erfahrungen machen, die das Vertrauen in sich selbst und in andere stärken. Man erlebt Bestätigung, wird mutiger, offener und lernt, sich zu zeigen“. Und damit diese Erfahrung überwiegt, komme ich abschließend zum letzten wichtigen Punkt:
So überlebst du Online-Dating ohne Burnout
Die Expert*innen haben gegenüber dem Vergleichsportal mehrere Tipps zusammengetragen, die sich meiner Meinung nach in folgende Punkte zusammenfassen lassen:
- Sei du selbst: Jep, Authentizität zieht immer noch am besten. Klar, manchmal wirkt so etwas einschüchternd, wenn online alle ihre perfekt polierten Profile präsentieren, doch am Ende geht's doch eigentlich um echte Verbindungen mit Tiefgang, oder? Und die findet man nur, wenn man von Anfang an ehrlich ist. Deswegen setzt die Gen Z übrigens auch auf „Echo Dating“.
- Sei dir darüber im Klaren, was du willst: Und wenn du eine Person findest, mit der es sich richtig und gut anfühlt, hör auf, weitere Kontakte zu sichten. Das führt eh zu nichts ...
- Finde ein gutes Gleichgewicht zwischen online und offline: Das echte Leben hat nämlich auch so einiges zu bieten. Und sobald du merkst, dass dir das Swipen mehr (Energie) raubt, als zu geben, leg mal 'ne Pause ein.
„Wenn Nutzer*innen dieses Dating-Schema selbstdiszipliniert durchhalten, können sie die negativen Potenziale von Dating-Apps minimieren und das Potenzial zum Aufbau werthaltiger Beziehungen maximieren“, fasst Guido F. Gebauer zusammen.