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Denkbar in Deutschland?

Menstruationsurlaub: Vor- oder Rückschritt für Frauen?

mensurlaub

Etliche Frauen leiden während und oft auch schon vor ihrer Periode. Die Beschwerden können so stark werden, dass Arbeiten unmöglich ist. In manchen Ländern ist es Arbeitnehmerinnen dann möglich, Menstruationsurlaub nehmen. Also eine Art von bezahltem Freistellungstag, wenn die betroffenen Frauen nicht arbeiten können. Vor allem in asiatischen Ländern ist der Menstruationsurlaub schon lange Realität, in Europa ist nur ein einziges Land Vorreiter. Welches das ist, wie die Gesetzeslage in Deutschland aussieht und welche Kontroversen der Menstruationsurlaub mit sich bringt.

Was ist Menstruationsurlaub?

Menstruationsurlaub ist die Möglichkeit einer menstruierenden Frau bezahlten oder unbezahlten Urlaub zu nehmen, wenn sie nicht zur Arbeit gehen kann. Doch der Begriff „Urlaub“ ist dabei mehr als irreführend. Denn Frauen, die regelmäßig einmal im Monat zusammengekauert vor Schmerzen irgendwie den Tag überstehen wollen, wissen: Das hat rein gar nichts mit Urlaub zu tun. Männern, also all denjenigen, die nicht menstruieren, suggeriert der Begriff Urlaub zudem ein völlig falsches Bild. Der rechtliche Anspruch auf Sonderurlaub wegen Regelschmerzen wird daher auch mit dem englischen Wort für Menstruationsurlaub, dem „Menstrual Leave“ ersetzt.

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Fast jede Frau kämpft mit Menstruationsbeschwerden

Bauchschmerzen, Stimmungsschwankungen, Rückenschmerzen und Durchfall – das sind die häufigsten Beschwerden, unter denen ganze 98 Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter leiden, wie eine Umfrage unter fast 3500 von ihnen zeigt.

Das größte Übel und womit die meisten Frauen während ihrer Periode zu kämpfen haben, sind starke Schmerzen (52 %), eine sehr starke Blutung (30 %) und ein unregelmäßiger Zyklus (23 %). Rückenschmerzen (27 %) und Durchfall (22 %) zählen ebenfalls zu häufigen Begleiterscheinungen der während der Periode. Nicht mit gezählt sind hier die Frauen in Deutschland, die von Endometriose betroffen sind, einer chronischen Krankheit, die das Leben von Frauen stark einschränkt. Schätzungsweise 15 Prozent leiden an Endometriose.

Auch eine viel beachtete Studie von John Guillebaud, Professor für reproduktive Gesundheit am University College London aus dem Jahr 2018, verdeutlicht die Leiden menstruierender Frauen. Laut dem Wissenschaftler können Regelschmerzen so schmerzhaft sein wie ein Herzinfarkt. Da klingt der Vorstoß, Frauen während ihrer Regelblutung „menstruationsfrei“ zu gewähren, naheliegend – doch wie sinnvoll wäre das Ganze?

Endometriose bleibt häufig unentdeckt. Doch es gibt einige Symptome, die auf die chronische Krankheit hindeuten können und unbedingt ernst genommen werden müssen! Welche das sind, siehst du im Video.

Endometriose: Diese Symptome könnten darauf deuten
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Gesetzeslage in Deutschland: Wäre Menstruationsurlaub rechtlich möglich?

In Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt es aktuell keinen gesetzlichen Menstruationsurlaub, sondern die Möglichkeit, sich bei schweren Regelbeschwerden arbeitsunfähig schreiben zu lassen. Doch wie wahrscheinlich ist die Einführung eines Anspruchs auf Beurlaubung bei Menstruationsbeschwerden in Deutschland? Aus arbeitsrechtlichen Gründen könnte die Einführung schwer durchsetzbar sein. Denn das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schreibt vor, dass niemand wegen seines Geschlechts diskriminiert werden darf. Arbeitgeber*innen würden sich damit der Gefahr aussetzen, dass männliche Kollegen mit dem Argument der Gleichbehandlung den gleichen Urlaub einfordern.

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Nur wenige Politiker*innen sprechen sich für Menstruationsurlaub aus

Auch politisch wird das Thema eher stiefmütterlich behandelt. Derzeit gibt es nur vereinzelte Stimmen aus der Politik, die sich für ein solches Gesetz aussprechen. Unter anderem forderte der Co-Vorsitzende der Linken, Martin Schirdewan, dass Frauen, die unter starken Menstruationsschmerzen leiden, zwei zusätzliche Tage im Monat freibekommen sollten. Ein ärztliches Attest solle dafür nicht nötig sein. Auch die Grünen-Politikerin und Bundestagsabgeordnete Kirsten Kappert-Gonther sprach sich für menstruationsfreundlichere Arbeitsbedingungen aus. Ziel sei eine flexible und unbürokratische Freistellung für die Betroffenen.

Die Vor- und Nachteile des Menstruationsurlaubs

Das Thema Menstruationsurlaub ist kontrovers und nahezu in zwei Lager aufgeteilt. Während eins die Enttabuisierung und hoffen, dass Unterschiede durch körperliche Beeinträchtigungen aufgrund des Geschlechts ausgeglichen werden können, gibt es auch kritische Stimmen. So besteht zum Beispiel die Sorge, dass Frauen im Zuge des Gesetzes auf dem Arbeitsmarkt noch weiter benachteiligt werden könnten als bisher und ein solcher Urlaub nichts mit Gleichstellung zu tun hat. Weitere Vor- und Nachteile und eine offene Frage haben wir hier gesammelt.

Vorteil:

Befürworter des Menstruationsurlaubs erhoffen sich zum einen, dass eine höhere Produktivität am Arbeitsplatz entstehen kann. Denn wer sich krank fühlt und im desolaten Zustand zur Arbeit schleppt, erbringt weniger Leistung. Einen weiteren Vorteil, den der gesetzliche Anspruch mit sich bringen könnte: Schutz vor krankheitsbedingter Kündigung. Denn in Deutschland kann nach aktueller Rechtslage und Rechtsprechung eine krankheitsbedingte Kündigung bei häufiger Krankmeldung drohen. Aus dem Standpunkt wäre ein menstruationsbedingter Urlaub für Frauen daher vorteilhaft.

Nachteil:

Wenn Frauen einen Menstruationsurlaub in Anspruch nehmen, würde das auch bedeuten, dass sie ihrem Arbeitgeber gegenüber verpflichtet währen, ihre Menstruationsbeschwerden offenzulegen, um den Anspruch überhaupt geltend zu machen. Das Thema Menstruation ist für viele Frauen allerdings hoch intim, schambehaftet – und einfach nichts, was man in den beruflichen Kontext zerren möchte. Daher bleibt zweifelhaft, ob und inwieweit Frauen einen Menstruationsurlaub überhaupt wahrnehmen. Zudem könnten sich männliche Kollegen benachteiligt fühlen. Was zuletzt nicht auch am Namen liegen dürfte „Urlaub“ – der es keinesfalls ist. Aber durchaus Misstrauen gegenüber weiblichen Kollegen schüren könnte.

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Unsere Redakteurin spricht sich in diesem Kommentar gegen den Menstruationsurlaub aus. Lies hier, was ihre Bedenken sind.

Bleibt offen:

Schlussendlich muss man aber feststellen, dass der Menstruationsurlaub in Deutschland nicht viel ändern würde. Im Krankheitsfall, also auch bei starken Regelschmerzen, steht Arbeitnehmerinnen in Deutschland bereits ab dem ersten Fehltag ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber zu. So wäre die Einführung der „menstruationsfreien Tage“ zwar eine starke Message zur Stärkung der Frauenrechte in der Arbeitswelt, theoretisch aber überflüssig.

Ein Phänomen, das kaum jemand kennt, ist PDMS, Depressionen vor der Periode. Was es mit der besonders schweren Form von PMS auf sich hat, haben wir in unserem desired-Podcast von der Expertin Laura Krüger erfahren.

In diesen Ländern gibt es gesetzlichen Menstruationsurlaub

Spanien ist das erste Land in Europa, in dem Frauen „menstruationsfrei“ machen dürfen. Das Gesetz über Sexual- und Reproduktionsgesundheit trat 2022 in Kraft und gibt Frauen das Recht, bei starken Regelschmerzen bis zu drei Tage im Monat zu Hause zu bleiben. Ein revolutionärer Schritt für Frauen in Spanien, denn in dem Land funktioniert das System der Krankschreibungen deutlich anders als in Deutschland. Spanierinnen erhielten in den ersten drei Krankheitstagen keine Lohnfortzahlung. Frauen, die wegen Menstruationsbeschwerden ein bis drei Tage ausfallen, bekamen also vor dem Menstruationsurlaub für diese Fehltage überhaupt kein Geld – das änderte sich 2022 mit dem neuen Gesetz.

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Darüber hinaus gibt es gesetzlichen Menstruationsurlaub bisher nur in wenigen Ländern. Dazu zählen:

  • Taiwan (drei Tage Menstruationsurlaub im Monat)
  • Südkorea (ein Tag im Monat)
  • Japan (ein Tag im Monat)
  • Indonesien (zwei Tage pro Monat)
  • Sambia (einen freien Tag pro Monat)
  • China (unterschiedlich geregelt)

Menstruationsurlaub: Wie sinnvoll wäre er?

Da es in Deutschland derzeit nicht so aussieht, dass ein gesetzlicher Menstruationsurlaub Realität wird, ist eine Zusammenfassung eher Kaffeesatzleserei. Aber ein solches Angebot an Frauen wäre von der Regierung ein starkes Zeichen, würde die Rechte der Frauen in der Arbeitswelt endlich stärken und die Entstigmatisierung von Regelblutungen voranbringen. Doch genau die Stigmatisierung der weiblichen Periode könnte auch gegen einen Menstruationsurlaub sprechen. Die höchst intime Angelegenheit ist für viele Frauen einfach etwas, dass sie nicht auf der Arbeit teilen wollen. Auch die Angst, sich unattraktiver auf dem Arbeitsmarkt zu machen oder die vollkommen natürliche Menstruation wie eine Krankheit zu behandeln, kann für viele Frauen eher das Gefühl von Benachteiligung auslösen statt Empowerment.

EmpowHER: Unsere Themenreihe zu inspirierenden Frauen

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Bildquelle: Getty Images/nensuria

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